Diskussionen ausdrücklich erwünscht

Gabriel Roşca ist Vorsitzender des Architektenordens in Hermannstadt und Verfechter einer niveauvollen Baukultur

Denkmalexperte Gabriel Roşca vor Fresken im neuen OAR-Büro. Foto: Holger Wermke

Mit diesem Entwurf für einen Theaterneubau in Hermannstadt gewann Roşca 2004 den ersten Preis in einem Ideenwettbewerb.

Immer wieder organisiert der Architekt Besuche für Studenten – hier bei einem eigenen Projekt in Michelsberg. Foto: Gabriel Roşca

Gabriel Roşca empfängt Besucher in einem improvisierten Büro. Erst vor einem halben Jahr habe der Architektenorden den neuen Sitz in der Hermannstädter Fleischergasse/Str. Mitropoliei 17 angekauft, erklärt er entschuldigend, und das historische Gemäuer müsse dringend saniert werden. Bislang stehen nur zwei Schreibtische, einige Regale mit Aktenordnern und einige in Plastikfolie verpackte Möbel in den drei gewölbeartigen Räumen, an deren Wänden die Reste jahrhundertealter Fresken freigelegt sind.

Roşca verbringt viel Zeit in diesen Räumen, seit sieben Jahren ist er Vorsitzender der OAR-Filiale Hermannstadt/Sibiu-Vâlcea. Der junge Hermannstädter Architekt ist in Hermannstadt eine bekannte Stimme, wenn es darum geht, für architektonische Belange einzutreten oder die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Als er für den Vorsitz kandidierte, war er gerade 32 Jahre jung. Es ist nicht selbstverständlich, dass junge Menschen so früh Verantwortung übernehmen, schon gar nicht, wenn sie nebenbei ein eigenes Architekturbüro aufbauen. Für Roşca indes scheint sein Engagement ganz normal.

Einmischen und mitreden

Sich einmischen und mitreden will der gebürtige Hermannstädter seit der Jahrtausendwende. Damals standen große städtebauliche und architektonische Projekte auf der Agenda des Hermannstädter Rathauses. Ein Großteil der Innenstadt wurde umgestaltet: Zentrale Straßen wurden zu Fußgängerzonen deklariert, der öffentliche Raum mit dem Großen Ring/Piaţa Mare als zentraler Aufenthalts- und Veranstaltungsort hergerichtet und Häuserfassaden mit Hilfe der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (heute GIZ) saniert.

Aus seiner Sicht mangelte es in dieser Zeit jedoch manchmal an Kommunikation vonseiten des Rathauses. Täglich sei man über die Baustelle Großer Ring gelaufen, ohne zu wissen, wie dieser Platz nach Abschluss der Arbeiten einmal aussehen solle, erinnert sich Roşca. Das solche umwälzenden Entscheidungen praktisch hinter verschlossenen Türen getroffen wurden, behagte dem jungen Architekten nicht: „Es ist normal, dass jeder Bürger ein solches Projekt kennt“.

So kam er ab 2002 zum Architektenorden, in dessen Gremien über solche Fragen diskutiert wurde. Das Mitredenwollen war auch 2006 die Motivation für seine Kandidatur für den OAR-Vorsitz, „wobei ich da schon einige konkrete Initiativen hinter mir hatte“. Zwischenzeitlich hatte der gern lässig mit Jackett und Schal auftretende Architekt verschiedene Bauprojekte in die öffentliche Diskussion gebracht, zum Beispiel die Neugestaltung des Grossen Rings, den Neubau eines Theaters, ein geplantes Wohnbauviertel im Jungen Wald/Pădurea Dumbravă oder einen ebenfalls dort geplanten Wasserpark.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Architekt seit Beginn seiner Karriere seine Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Stadtplanung auslotet. Schon bald nach Abschluss seines Studiums arbeitete er mit Architekten bzw. Organisationen, deren Arbeiten unter Beobachtung der Öffentlichkeit stattfanden. Seine erste berufliche Station war 1999 das Hermannstädter Architekturbüro von Hermann Fabini, das damals bereits einen guten Ruf besaß, was die Sanierung historischer Bausubstanz angeht.

Sächsisches Museum im Haller-Haus

„Nach meinem Abschluss war ich sehr daran interessiert, etwas im Denkmalbereich zu machen.“ Schon in seiner Abschlussarbeit hatte er sich einem solchen Thema zugewandt: „Die Einrichtung eines sächsischen Museums im Haller-Haus“ in Hermannstadt. Mit Fabini fuhr Roşca, der mütterlicherseits sächsische Wurzeln hat, zu Baustellen in verschiedenen Teilen Siebenbürgens und sammelte so seine ersten Erfahrungen bei Sanierungsprojekten in Hermannstadt, Mediasch, Großpold/Apoldu de Sus, Honigberg/Hărman, Klosdorf/Cloaşterf. Es sei eine sehr spannende Zeit gewesen, erinnert sich Roşca. Durch Fabini kam er später in Kontakt mit dem Mihai-Eminescu-Trust (MET).

Die mit englischen Geldern finanzierte Stiftung begann damals, erste Erfahrungen zu sammeln zum Erhalt der gebauten dörflichen Strukturen in Siebenbürgen, die durch die Abwanderung der sächsischen Bevölkerung sowie fehlendes Bewusstsein für den Wert der gewachsenen Dorfbilder gefährdet waren und sind. An diesem Prozess nahm der junge Architekt Roşca zwischen 1999 und 2003 teil: „Das war eine sehr bunte Periode, wir haben sehr viel und Verschiedenes gemacht am Anfang“, erinnert er sich.

Roşca konnte seine Ideen einbringen in einer Zeit, als der MET noch dabei war, modellhafte Ansätze zum Erhalt des sächsischen Baukulturerbes zu entwickeln. Die ersten Arbeiten führten die Stiftungsmitarbeiter an dörflichen Fassaden durch. Für den Trust war er mitverantwortlich für die Auswahl der Häuser, als Übersetzer für englische Experten, als Ansprechpartner für die lokale Bevölkerung – sozusagen ein Mädchen für alles. Genau dieses praktische Arbeiten, vor Ort am Projekt zu sein und mit Menschen zu tun zu haben, habe ihm gefallen. Als er von dieser Episode seines Lebens erzählt, kommt er ins Schmunzeln. „Selbst in der Freizeit haben wir damals nur über Fassaden, Sumpfkalk und Stuck gesprochen.“

Vorzeigebeispiel Hermannstadt

Nach vier Jahren verabschiedete sich Roşca vom MET. Die Zeit schien ihm reif, sein eigenes Architekturbüro in Hermannstadt zu gründen. Beide vorherigen Stationen seien „Super-Erfahrungen“ gewesen, meint Ro{ca, bei Fabini mehr planerisch, beim MET sehr praktisch. Seitdem beschäftigt er sich mit jeder Art von Bauprojekten, meist kleineren wie dem Bau von Wohnhäusern für Privatleute, Instandsetzungen, Umbauten oder die Ausarbeitung von Baustudien. Einen besonderen Roşca-Stil gebe es bei seinen Arbeiten nicht, meint der Architekt. Er wehrt sich gegen eine allzuoft verbreitete Schwarz-Weiß Sicht der Architekten.

Bauformen sollten tiefsinnig verstanden sein, und nicht nur aus modegerechten Gründen angewendet werden. Architekten müssten flexibel und mit Gespür für das (gebaute) Umfeld an ihre Projekte herangehen. Eine eher seltene Herangehensweise hierzulande, so die Erfahrung von Roşca. Spätestens an diesem Punkt wird klar, warum der Architekt bei seinen Ausführungen gern auf Architekturbeispiele aus Westeuropa verweist, wo in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Bewahrung gewachsener Stadtstrukturen gesetzt wird und auch die öffentliche Diskussion um Architekturprojekte einen höheren Stellenwert besitzt als in Rumänien.

Wobei Roşca auch in der Heimat positive Entwicklungen entdeckt: „Hermannstadt ist ein Vorzeigebeispiel, das zeigt, welche Anziehungskraft Architektur eigentlich ausüben kann. Ich würde sagen, dass die mittelalterliche Altstadt viel zur Attraktivität und Positionierung – im Sinne des Markenaufbaus – von Hermannstadt beiträgt“, meint er überzeugt.

Einige Gebäude haben es ihm besonders angetan: Gelungen findet der Architekt die Restaurierung des Bürgermeisteramtes, die eine konsistente Instandsetzung eines historischen Gebäudes darstelle und auch mit der generellen Markenpolitik Hermannstadts übereinstimme. Das Gong-Theater in der Unterstadt sei ebenfalls ein interessantes Gebäude. „Für ein Projekt in einer rumänischen Altstadt, mit einer modernen Holzfassade, das ist schon ungewöhnlich bzw. progressiv.“ Daneben gibt es kleinere Eingriffe im öffentlichen Raum der Altstadt, „die finde ich sehr interessant, weil diese mit relativ kleinem Budget umgesetzt wurden, aber einen sehr guten Effekt haben“. Nach einer Idee des Klausenburger Büros Planwerk wurde 2007 das Projekt „Erlebnisraum Altstadt“ ausgeführt, wo beispielsweise Fußgängerzonen abgegrenzt wurden, der Fingerlingsplatz/Piaţa Aurarilor hergerichtet wurde, Sitzbänke vor der Ursulinenkirche platziert wurden. Ähnliches geschah auf dem Hundsrücken.

Lob für neuen Stadtentwicklungsplan

Während sich die Hermannstädter Altstadt aus architektonischer Sicht auf einem guten Weg befindet, gibt es an anderer Stelle in der Stadt noch Entwicklungsbedarf. „Mit dem neuen Bebauungsplan, der 2011 im Stadtrat angenommen wurde, verfügt die Hermannstädter Stadtverwaltung über ein gutes Instrumentarium für die künftige Stadtentwicklung“, glaubt Roşca. Eine der größeren Herausforderungen für das Rathaus ist die Urbanisierung bzw. Neuparzellierung jener Flächen, die im Plan für neue Wohngebiete vorgesehen sind, etwa im Umfeld des Tineretului-Viertels oder in Hammersdorf/Guşteriţa. Eine öffentliche Diskussion wünscht sich Roşca für die von der Stadt geplante Neubebauung des Theaterplatzes.

Aus diesem Grund habe man bereits 2011 eine öffentliche Diskussion im Kulturzentrum Habitus organisiert, an der auch Bürgermeister Klaus Johannis teilnahm. „Wir wollten den Theaterbau als Absicht einmal diskutieren und andererseits den Architekturwettbewerb als normales Vergabeverfahren eines öffentlichen Bauvorhabens in Diskussion bringen.“ Überraschend für ihn und die Mitorganisatoren sei gewesen, dass der Bürgermeister einen Architekturwettbewerb für das neue Theater schon in Sicht hatte. „Wir möchten dabei sein“, formuliert Roşca den Anspruch des Architektenordens, wenn es um solche stadtbildprägenden Bauvorhaben geht. Landesweit gebe es inzwischen gute Beispiele, dass sich Architekturwettbewerbe positiv auf das Ergebnis eines großen Projektes auswirken, beispielsweise sehe man das an der Klausenburger Philharmonie, der Neugestaltung des Universitätsplatzes in Bukarest oder der Umgestaltung der Stadtmitte in Râmnicu Vâlcea.