Dokumentarfilme in Bibliotheken

„One World Romania“ bietet Medienerziehung an

Am letzten Maitag ging die 15. Auflage des einzigen rumänischen Festivals für Dokumentarfilm und Menschenrechte, das „One World Romania“, zu Ende. Zwischen dem 13. und dem 22. Mai zog das Ereignis mehr als 2500 Zuschauer in zehn Bukarester Kinos und Kulturräume. 73 internationale Filme zum Thema Wechselbeziehung zwischen Mensch (Körper und Verstand) und Umwelt wurden gezeigt und mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen besprochen. Das Programm wurde durch Theateraufführungen, Konzerte, Workshops, gemeinsame Naturbeobachtungen oder Diskussionsrunden ergänzt. Vom 23. bis zum 31. Mai fand die Online-Edition der Filmfestspiele statt, die zahlreiche Dokumentationen, die in Bukarest zu sehen gewesen waren, im Angebot hatte.

Das Festival wird vom Verein „One World Romania“ veranstaltet, der im Laufe der Jahre mehrere Projekte zur Förderung des nicht-fiktionalen Films ins Leben gerufen oder internationale Programme zu diesem Zweck übernommen hat. So ist es etwa möglich, dass neue europäische Dokumentationen zu aktuellen Themen wie Umwelt, Ökologie, Politik, Menschenrechte, Kunst oder etwa Architektur das ganze Jahr über in mehr als 20 rumänischen Städten gezeigt und gemeinsam mit dem Publikum analysiert werden. Lokalpartner organisieren im Rahmen des internationalen Projekts KineDok Filmvorführungen in unkonventionellen Räumlichkeiten wie etwas Kunstgalerien, Museen, Kulturhäusern, Hubs oder Kaffeehäusern. Erzielt wird eine gemeinsame Erfahrung des Publikums, das sich dabei aktiv in die Diskussionen und später auch in der Gesellschaft einsetzen und kritisches Denken entwickeln soll.

Auch in Bibliotheken erwünscht

Dieses Anliegen ist nicht nur für größere Städte gedacht: Um an ein breiteres Publikum zu gelangen, auch in Ortschaften, wo kaum kulturelle Ereignisse stattfinden, startete der OWR-Verein in Partnerschaft mit Mediawise Society, dem rumänischen Verein für Kultur und Erziehung im Medienbereich, ein neues Pilot-Projekt. Bibliothekare werden trainiert, Dokumentationen in Büchereien zu zeigen und sich mit den eingeladenen Gesprächspartnern und den Zuschauern damit auseinanderzusetzen und zu diskutieren. Bibliotheken sind besonders auf dem Land die einzigen Kulturinstitutionen – daher ist es von großer Bedeutung, diese zur Verbreitung von Kultur zu nutzen.

Allerdings ist der Stand der staatlichen Bibliotheken in Rumänien bedauerlich. Es gibt fast 1900 von ihnen im ganzen Land; gesetzlich werden sie geschützt und darin unterstützt, regelmäßig neue Bücher anzukaufen. In Wirklichkeit aber dienen die meisten davon auf dem Dorf anderen Zwecken, wie der Veranstaltung von Festlichkeiten (Hochzeiten, Taufen etc.), als Abstellkammern oder sind einfach geschlossen. In vielen steht der Staub zentimeterhoch, manche sind einfach verkommen. Nur wenige haben ein Schild, das signalisiert, dass dort eine Bücherei ist. Bibliothekare werden beispielsweise als Sozialassistenten eingesetzt oder verrichten unterschiedliche Arbeiten im Bürgermeisteramt, dessen Angestellte sie sind. Büchereien, die tatsächlich funktionieren und sogar Tätigkeiten für Kinder und Leser anbieten, sind eine Seltenheit. Etwas besser ist die Situation in den Städten.

Bibliothekare werden ausgebildet

In den Monaten April und Mai nahmen 45 Bibliothekare aus den Kreisen Dâmbovi]a und Tulcea an der ersten Bildungswerkstätte des OWR-Vereins und des Mediawise zum Thema „Umwandlung der Bibliotheken in Kulturhubs“ teil. Anfang Juni wird das Training auch in Gorj stattfinden. Filmkritiker Ionu] Mare{ und  Nicoleta Fotiade, Trainerin im Bereich digitale und Medienerziehung, die diese Treffen leiten, hoben die Möglichkeiten hervor, Videos zu interpretieren, Dokumentarfilme von TV-Reportagen und -nachrichten zu unterscheiden oder Fake News und Propaganda zu erkennen. Die Teilnehmer erfuhren auch, wie man Filmabende veranstaltet, Diskussionen moderiert und das Publikum anspricht.

In einer zweiten Etappe, die zwischen Juni und Oktober stattfindet, werden sie das Gelernte umsetzen und dem Publikum Filmvorführungen anbieten, Gäste einladen und mit ihnen zum Thema Film sprechen, vielleicht sogar Workshops, Konzerte oder andere Ereignisse anbieten.

„In vielen Gemeinden stellen die Bibliotheken den einzigen Kulturraum dar. Es gibt dort die Räumlichkeit und den Bibliothekar, und dort kann man anfangen“, sagt Andreea Bratosin, Koordinatorin des Projekts. „Alles hängt vom Menschen ab. Wir haben nach dieser ersten Etappe sehr gutes Feedback erhalten, die Bibliothekare wollen wirklich etwas in ihren Gemeinden bewegen.“ Fünf rumänische Dokumentationen stehen ihnen zur Verfügung: „Wir wollen vorerst rumänische Filme zeigen, sodass die Zuschauer keine Untertitel zu lesen brauchen. Außerdem sind es Themen, die ihnen nahe liegen, die sie bewegen könnten und zu denen sie direkt Stellung nehmen können“, sagt Bratosin. Mit der Zeit könnte dann auch auf dem Land, in abgelegenen Gemeinden, die Kultur wiederbelebt, die Leute zu kritischem Denken angespornt werden.

OWR plant, dieses Projekt zu erweitern, auf lange Dauer zu entwickeln und Filme in Bibliotheken als festen Bestandteil des Medienbestands zu etablieren, wie es in anderen Ländern teils schon seit Jahrzehnten der Fall ist.