Eginald Schlattner zum Ehrendoktor ernannt

Akademische Feierstunde der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg in der Johanniskirche Hermannstadt

Freude und Nachdenklichkeit löste der Empfang der Ehrendoktorwürde der UBB bei dem Schriftsteller und Pfarrer Eginald Schlattner aus.
Foto: der Verfasser

Für die Dauer von zwei Stunden wurde am Montag, dem 12. November, die evangelische Johanniskirche am zentralen Astra-Park in Hermannstadt/Sibiu um die Mittagszeit zu einem Hörsaal höchster akademischer Identität umfunktioniert. Als Hommage an sein geistliches und schriftstellerisch eindrückliches Lebenswerk erhielt Eginald Norbert Schlattner, geboren am 13. September 1933 in Arad, seines Zeichens ausgebildeter Ingenieur für den Fachbereich Hydrologie, studierter Theologe und pensionierter Pfarrer im geistlichen Dienst der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien (EKR) die Ehrendoktorwürde der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg/Cluj-Napoca (UBB). Der überaus vielschichtigen Biografie Schlattners und der im Vorfeld erfolgten Ankündigung der Urkundenverleihung durch die UBB ist es zuzuschreiben, dass zahlreiche hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Stadt, der Region und des Landes die Johanniskirche zu gegebener Uhrzeit aufsuchten. Pünktlich vor Veranstaltungsbeginn waren sämtliche Sitzplatzreihen des Kirchenraumes voll besetzt. Zu den wichtigsten aller zuhörenden Ehrengäste zählten der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, Cord Meier-Klodt, der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, Hans Erich Tischler, der Botschafter Rumäniens in der Bundeshauptstadt Berlin, Emil Hurezeanu, der Rektor der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt (ULBS), Prof. Dr. Ing. Ioan Bondrea, und Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR). Vonseiten der EKR fanden sich zahlreiche Pfarrer in der Johanniskirche ein. Pressefotografen und Reporter aus Hermannstadt und aus anderen Städten Rumäniens waren gleichfalls am Ort des außergewöhnlichen Geschehens zugegen.

Einleitend bezeichnete Reinhart Guib, Bischof der EKR, Eginald Schlattner als einen „Siebenbürger Sachsen in Fleisch und Blut“, der als „Mann der Kirche“ und als „ökumenischer Europäer“ länderübergreifend als Gastgeber des „Rothberger Wallfahrtslokals“, das im Laufe vergangener Jahre zum „Segen vieler“ geworden ist, auf verdiente Art und Weise Bekanntheit erlangt hat. Die Tatsache, dass Schlattner als Autor der Roman-Trilogie „Der geköpfte Hahn“, „Rote Handschuhe“ und „Das Klavier im Nebel“ Zugang zur literarischen Weltbühne fand, wurde von allen Referenten der öffentlichen Veranstaltung erwähnt. Zu Ehren von Eginald Schlattner ergriff Prof. Dr. Rudolf Gräf, Prorektor der UBB, mehrfach das Wort, auch verlas er vom Rednerpult aus ein von Präsidentschaftsberater Sergiu Nistor verfasstes Glückwunschschreiben an den neu ernannten und in Rothberg/Roșia/Veresmart wohnhaften Träger der Ehrendoktorwürde. Als Laudatorin setzte Dr. Gabriella-Nóra Tar, Dozentin an der UBB, die Reihe der Grußworte und formvollendeten Ansprachen fort.

Den Text des in lateinischer Sprache verfassten Zeugnisses zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Eginald Norbert Schlattner gab der akademische Senatspräsident Univ.-Prof. Dr. Ioan Chirilă vonseiten der Fakultät für Orthodoxe Theologie an der UBB würdevoll wieder. Hervorzuheben ist ebenfalls der reife Auftritt eines jungen orthodoxen Männerchores aus Klausenburg, der für das musikalisch-geistliche Geleit der Veranstaltung mitverantwortete. An der von Wilhelm Sauer und Oskar Walcker gebauten Orgel der Johanniskirche bestritt Brita Falch Leutert, Kantorin der evangelischen Kirchengemeinde Hermannstadt, den kirchenmusikalischen Anteil protestantischer Prägung.

Eginald Schlattner nutzte die an ihn persönlich gerichtete Aufforderung zur Antwort auf die vorangegangenen Vorträge in vollen Zügen. Er bestätigte die von seinen Vorrednern wiederholt betonte Information, derzufolge er selber vom geistig schmerzhaften Rad der rumänischen Nachkriegsgeschichte teils heftig überrollt worden war. Trotzdem bemühte sich Schlattner nachdrücklich zu behaupten, dass es „keine Grenzsituation gibt, in der du nicht die infinitesimale Freiheit besitzt, selber für deine Taten zu verantworten.“ Ebenso gab der in rumänischer und deutscher Sprache versiert referierende Autor, Ingenieur und evangelisch ausgebildete Theologe Eginald Schlattner zu erkennen, dass es nach wie vor Aufgabe der Kirche sei, eine Versöhnung zwischen genau denjenigen Situationen zu erwirken, die zutiefst unversöhnbar erscheinen.

In der Johanniskirche entpuppte sich die Antwortrede des erfahrenen Gefängnis-Seelsorgers Schlattner als eine in weiten Teilen deckungsgleiche Neuauflage der Inhalte des Interview-Buches „Dumnezeu mă vrea aici. Radu Carp în dialog cu Eginald Schlattner“, das am Dienstag, dem 17. Juli 2018, im Erasmus-Büchercafé Hermannstadt vorgestellt worden war (siehe hierzu den Beitrag „Gott will mich hier – Zitate des Autors und Pfarrers Eginald Schlattner“ in der ADZ von Freitag, dem 20. Juli 2018). Mit entsprechend tiefgehender Deutlichkeit sprach Eginald Schlattner vor versammeltem Publikum etliche in Rumänien tagtäglich anzutreffende Unterschiede zwischen Orthodoxer und Evangelischer Kirche an. Abseits aller nicht miteinander vereinbaren theologischen Auslegungen der christlichen Lehre trage das ökumenische Gesamtbild beider Konfessionen auch eine spürbar weltliche Uneinigkeit in sich, die vor allem an den christlichen Hochfesten Weihnachten und Ostern regelmäßig und kontrovers zu erleben sei.

„Mein Problem ist nicht das, was ich sagen möchte, sondern all das, was ich nicht sagen kann, weil ich heute und hier keine Zeit dafür habe“, so Schlattner am Rednerpult der Johanniskirche und der UBB. Für einen Literaten und Theologen seines intellektuellen Formats mag die Zeit tatsächlich nicht ausgereicht haben. Jedoch bestehen in den Gedankenwelten orthodoxer wie evangelischer Herkunft ungebrochen klar vorgegebene Mauern zur Eingrenzung jeweils kollektiver Identitäten. Letztere durchleben aktuell einen regelrechten Wandel, der für beide genannten Kirchen ein und dieselbe Herausforderung darstellt. „Man nimmt das Anders-Sein der 'Anderen' zur Kenntnis, lebt aber aneinander vorbei“, so eine von mehreren Behauptungen Schlattners, der sich weder der Orthodoxen noch der Evangelischen Kirche entziehen kann. Im selben Absatz schloss Ehrendoktor Eginald Norbert Schlattner mit der Paraphrase einiger zukunftsweisender Verse aus dem 21. Kapitel der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament: „Das neue Jerusalem wird zwar Mauern haben, aber seine Tore werden Tag und Nacht offen bleiben“.

Höchstwahrscheinlich werden eventuell folgende Etappen gegenseitig vollendeter Akzeptanz im ökumenischen Sinne nicht in die Zeit des vorgerückten Lebensabends eines Eginald Schlattner fallen. Dem frisch gekürten Ehrendoktor der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg wird es aus natürlichen Gründen wohl nicht mehr vergönnt sein, ausgiebig von den Früchten des eigenhändig gepflanzten kollektiven Lebensbaumes kosten zu können: „Wir sind alle auch für das Antlitz des 'Anderen' verantwortlich.“