Ein „Hermannstädter Gespräch“ zur ADZ

Diskussionsrunde „Ideen und Perspektiven für die Allgemeine Deutsche Zeitung“

Im November trafen sich neun ADZ-Redakteure (Werner Kremm, Michael Mundt, Raluca Nelepcu, Andreea Oance, Klaus Philippi, Vlad Popa, Cristiana Scărlătescu, Ralf Sudrigian, Elise Wilk) in Hermannstadt, um sich mit Lesern über die Zeitung und ihre Zukunft auszutauschen. Bereits im März fand in Temeswar ein internes Treffen jüngerer Redakteure statt, in erster Linie, um sich überhaupt gegenseitig kennenzulernen.

Während in Temeswar eher über „kleine“ Fragen nachgedacht wurde – sollten wir mehr Bilder in die Online-Ausgabe bringen, als in der Zeitung erscheinen, ist ein wöchentlicher Newsletter eine gute Idee – kamen in Hermannstadt „größere“ Fragestellungen zur Diskussion. Verschiedene Stimmen beklagten die verspätete Zustellung der Zeitung durch die rumänische Post. Ein Problem, welches die ADZ nicht selbst beheben kann, die Zeitung allerdings zwangsläufig beeinflusst – in ihrem Charakter als Tageszeitung. Eine Meldung über die Absetzung eines Ministers am Montagabend ist in der Mittwochsausgabe, die erst am Donnerstag oder Freitag beim Leser ankommt, keine Neuigkeit mehr, sondern lediglich eine chronistische Feststellung.

Doch bietet nicht gerade das Internet die Möglichkeit, aus diesem „Aktualitätsproblem“ auszubrechen? In einer Online-Ausgabe – die es bisher noch nicht gibt – können die „News“ erscheinen und in der Printausgabe die Hintergrundinformationen. Nur, ist diese Annahme überhaupt korrekt, dass Leser verschiedene Plattformen ergänzend nutzen oder handelt es sich bei den Nutzern, welche die Beiträge auf der Internetseite und Facebook bzw. in der Tageszeitung oder der PDF-Ausgabe lesen um ganz verschiedene Gruppen mit eigenem Leseverhalten und Lesepräferenzen? Gleichwohl bietet die Nicht-Aktualität auch die Möglichkeit, tagespolitische Ereignisse geschehen zu lassen und sie abschließend als Bericht zu präsentieren – umfassend und ohne Hypothesen oder Vermutungen. Die erste Seite bietet diesen Überblick zu den wichtigsten Themen des Landes seit Langem. Eine breitere Betrachtung gewisser Themen wäre dennoch nützlich, insbesondere in Form einer Einordnung politischer Ereignisse, unabhängig von Kolumne oder Kommentar.

„Da ich aus anderen Quellen gut über das Geschehen in Deutschland informiert bin und jeder Leser, der der deutschen Sprache mächtig ist, sich gleichfalls über das Internet unterrichten kann, rege ich an zu prüfen, ob nicht Artikel über Deutschland reduziert werden können zu Gunsten von mehr Nachrichten aus Rumänien“, schrieb einer unserer Leser in einer E-Mail. Ein anderer kritisierte schon vor einigen Monaten die Berichterstattung auf der Sportseite. In der Ausgabe vom 4. Mai 2018 ist ein Artikel mit dem Titel „Männer siegen ohne Boll / WM-Aus für deutsche Tischtennis-Damen“ erschienen. Was der Leser nicht erfuhr: Die rumänische Frauen-Nationalmannschaft qualifizierte sich sensationell als Gruppenerster für das Viertelfinale. In diesem Fall lässt sich von einer „dpa-isierung“ sprechen. Das Übernehmen von Meldungen der größten Nachrichtenagentur der Bundesrepublik Deutschland geht schnell, füllt die Seiten „Vermischtes“, „Ausland“ sowie „Sport“ und lässt Zeit für andere Arbeiten. Bei Sportmeldungen steht dann Angelique Kerber und nicht Simona Halep im Mittelpunkt und bei politischen Meldungen wird die Interpretation der „dpa“ transportiert.

Die Deutschland-Seite erscheint einmal in der Woche und gibt einen kompakten Überblick zu den relevantesten Themen der vergangenen Tage. Interessant wäre, das erklärte einer der Diskussionsteilnehmer, die Sichtweise eines Redakteurs in Rumänien. Gelesen wird die ADZ nicht nur in Rumänien, das zeigen die Zugriffszahlen der Internetseite, und nicht nur von Sachsen und Schwaben, das zeigen die Reaktionen bei Facebook.

Die ADZ hat eine breite Leserschaft und eine große, unerschlossene Leserschaft darüber hinaus. Die aktuelle Deutschland-Seite hat, genau wie die Sportseite, das Fernsehprogramm und jede andere Seite ihre Berechtigung. Eine Zeitung richtet sich nicht nur nach ihren Lesern, sie ist ein Angebot des Herausgebers und der Redakteure. Das bedeutet gleichwohl nicht, dass sie sich Anregungen, Ideen und Verbesserungsvorschlägen ihrer Leser verschließen sollte.