Ein Securitate-Scherge als Werksdirektor

Mihai Patriciu wird vom Klausenburger Jäger der Verbrecher des Stalinismus, dem Archäologen Gheorghe Petrov, entlarvt

Ein Portrait von „Mihail Patriciu“, das der Archäologe Gheorge Petrov im Februar 2021 auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hatte und seitdem medial verbreitet wurde.

Zu den jüngsten Enthüllungen des Klausenburger Archäologen Gheorghe Petrov gehört die Tatsache, dass einer der Direktoren der Reschitzaer Werke  ein hochrangiger Securitateoffizier war – zu Zeiten, als das aus der „k.u.k. privilegierten Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft“ (StEG) und aus den zwischenkriegszeitlichen „Werken und Domänen Reschitza (UDR) hervorgegangene  Metallurgische Kombinat Reschitza noch nicht in ein Eisenverhüttungs-, Stahl- und Walzwerk (CSR) und ein Maschinenbauwerk (UCMR) aufgeteilt war. „Aus dem Gefecht gezogen“ wurde er jedoch nicht, weil er sich – wie heute nachgewiesen – einen extrem schlechten Ruf „erarbeitet“ hatte.

Gheorghe Petrov koordiniert seit gut 20 Jahren eine Gruppierung von Forschern, die Verbrechen untersuchen, die zur Zeit des Kommunismus in Rumänien begangen wurden. Er leitete auch die (bis heute aus Geldmangel unabgeschlossenen) Ausgrabungsarbeiten im Hof des ehemaligen Gefängnisses von Karansebesch, bei denen – die ADZ berichtete 2018 und 1019 – Skelette verscharrter Opfer der Securitate- und Gefängnisschergen ausgegraben wurden, die allem Anschein nach bei den Verhören oder als deren Folge in den Gefängniszellen oder Verhörräumen gestorben sind und einfach verscharrt wurden. Die Familien erhielten in vielen Fällen bis heute (oder bis zu den Funden des Teams Petrov und der darauf folgenden vergleichenden genetischen Untersuchungen) keine sichere Nachricht über deren Verbleib. Es handelt sich in erster Linie um „Partisanen“, die bis gegen Ende der 1950er Jahre in den Banater Bergen gegen die Kommunisten mit der Waffe in der Hand gekämpft haben.

Nun trat Gheorghe Petrov mit der Enthüllung an die Öffentlichkeit, dass „Mihai Patriciu“, der in Klausenburg verstorbene und in einem unscheinbaren Grab beigesetzte ehemalige Direktor des Metallurgischen Kombinats Reschitza (in den Jahren 1955 bis 1961 – anschließend war er Generaldirektor des Maschinenbauwerks Unio Sathmar, von wo er 1969 in Rente ging) ein Oberst a.D. der Securitate war, der (auch) im Rahmen der antisemitischen Säuberungen von Armee, Miliz und Securitate am 31. Juli 1952 im Grad eines Obersten aus der Securitate  entfernt wurde.
In seinem Fall soll die Entfernung außerdem damit in Zusammenhang gestanden haben, dass sein Protektor und Förderer, der stalinistische Innenmininster Teohari Georgescu, aus der kommunistischen Regierung rausgeschmissen und verhaftet wurde.

Georgescu war zwischen 3. März 1945 und 28. Mai 1952 Innenminister Rumäniens; er leitete 1948 die Sitzung der Leitung des Innenministeriums, auf der die Verhaftung der römisch-katholischen und der unierten Bischöfe – Georgescu: „der Banditen“  – und die Auflösung der mit Rom Unierten – griechisch-katholischen – Kirche beschlossen wurde.

Ein Feind der „Feinde des Kommunismus“

„Mihai Patriciu“ (mit wirklichen Namen: Grunsperger Mihály, Sohn eines jüdischen Vaters und einer rumänischen Mutter, 1909 geboren im westlichen Teil des Siebenbürgischen Erzgebirges, im Partium) war ab 1929 Mitglied der Kommunistischen Partei und wiederholt in Moskau unter Aufsicht von Georgi Dimitroff durch den NKWD ausgebildet worden. Zudem kämpfte er in Spanien in den Internationalen Brigaden sowie während des Zweiten Weltkriegs in der französischen Résistance. Gleich nach dem 23. August 1944 kehrte er zurück nach Rumänien, um bald darauf von Teohari Georgescu als Chef des Regionalinspektorats der Polizei Alba, dann auf dem- selben Posten in Klausenburg (bis Juni 1947) eingesetzt zu werden. Nachdem am 20. Juni 1947 die „Generaldirektion der Staatssicherheit“ – die Securitate – gegründet wurde, wurde er zum Chef des Generalinspektorats der Sicherheitsregion Klausenburg befördert (ein Posten, den er bis zum 1. Februar 1951 innehatte). Zwischen dem 1. Fe-bruar 1951 und dem 22. Juli 1952 war er Chef der Regionaldirektion Kronstadt der Securitate, hier schon im militärischen Rang eines Obersten. Dann wird „Mihai Patriciu“, etwa zeitgleich mit der Entfernung von Teohari Georgescu als Innenminister und den antijüdischen Säuberungen bei Armee, Miliz und Securitate (die von Stalins Moskau ausgegangen waren), ab dem 31. Juli 1952 zum Offizier der Reserve gemacht, also aus dem aktiven Dienst entfernt, erläutert Petrov.

„Einer der größten Verbrecher“

„Mihai Patriciu“ war während seiner Karriere als hoher Securitate-Offizier, so Petrov, „einer der größten Verbrecher des kommunistischen Regimes, der die Verhaftung, das Verhör und die Folterung hunderter Menschen verfügte, die Hinrichtung – ohne jeden Gerichtsprozess – von nachweislich mehreren Dutzend Personen, die Verschickung in Gefängnisse und Arbeitslager von unzähligen Menschen, von denen sehr viele nie mehr in den Kreis ihrer Familie zurückgekehrt sind.“

Der Archäologe Petrov fuhr fort: „Wir – das ist das Team, dem noch die Archäo-logen Paul Scobot˛, Hora]iu Groza und Gabriel Rustoiu angehören – hatten bloß noch Gelegenheit, das Grab ‚Mihai Patricius‘ auf einem Friedhof in Klausenburg auszumachen und seine zahllosen Verbrechen zu untersuchen und publik zu machen. Das ist unser Beitrag, der Versuch, seine kriminellen Taten aufzudecken und die irdischen Überreste seiner zahlreichen Opfer zu suchen, sie freizulegen und sicherzustellen und den Verwandten, ihren Nachkommen, zu übergeben, um ihnen ein christliches Begräbnis zu sichern. Denn nahezu alle seine Opfer sind einfach irgendwo verscharrt worden und befinden sich großteils noch in unbekannten Gräbern in den Landeskreisen Alba, Bistritz-Nassod, Klausenburg, Mure{ und S˛laj, dem „Wirkungskreis“ des ehemaligen Securitate-Obersten. Wir verrichten unsere Arbeit auch für die Seelenruhe der Toten und um den Nachkommen einen Ruheanker zu gewähren.“

Die Vor- und Nachwende-Justiz ließ „Mihai Patriciu“ in Ruhe

„Mihai Patriciu“ ist nie auch nur im entferntesten für seine zahllosen Verbrechen gegen die Menschlichkeit belangt wurden, weder vor, noch nach 1989. Als während des „Ceau{escu-Frühlings“ Ende der 1960er Jahre vorsichtig einige der Verbrechen der Securitate aus stalinistischer Zeit enthüllt und publik gemacht wurden, geschah das oberflächlich und allgemein, ohne an noch lebenden Tätern irgendwie zu rühren.

Nach 1989 spannte erst der damalige altkommunistische Machthaber Ion Iliescu seinen Schutzschirm über diese Sorte seiner ehemaligen kommunistischen Weggefährten, später hatten viele der Täter oder deren Nachkommen bereits solche Vermögen und solchen Einfluss in der Gesellschaft und in der Politik gewonnen, dass sich die meisten Täter – mit ganz wenigen Ausnahmen – weiterhin als Unberührbare fühlen und gebärden konnten.

Im Falle „Mihai Patriciu“ war das so, dass er nach den hochbezahlten Posten als Werksdirektor in Reschitza und in  Sathmar jahrelang in Klausenburg, seinem Alters- und Rentnerwohnsitz, ein unbeschwertes Rentnerdasein mit hohen Altersbezügen (als Ex-Militär und Ex-Generaldirektor zweier der größten Wirtschaftsunternehmen Rumäniens bezog er parallel zwei Renten) genoss. Er starb in Klausenburg am 29. Mai 1997.


„Die Rechtsautoritäten Rumäniens haben ihn nie und mit nichts gestört und haben ihn auch nie befragt bezüglich seiner Verbrechen und der von ihm oder unter seiner Regie vollführten Willkürakte. So dass dieser Verbrecher in Ruhe sein Altersdasein auskosten konnte, wobei er alle finanziellen Rechte kassierte, die ihm ein erkenntlicher Staat zukommen ließ.“
Archäologe Gheorghe Petrov