Eine Banater Schwäbin auf Weltreise (55)

Oslo – Frischer Wind oder WikingerAtem im Nacken?

Rathaus in Oslo, Ort der Nobelpreisverleihung

Museum auf Schloss Akershus

Für wärme- und sonnenverwöhnte Mittel- und Südeuropäer sind die nordischen Länder eindeutig nur im Sommer zu bereisen, sonst hält man die Kälte dort nicht aus und fragt sich, wieso man bezahlen muss, um zu frieren und nicht gleich zu Hause geblieben ist. Die beste Zeit, um Norwegen zu besuchen, ist die Sommersonnenwende, der längste Tag des Jahres, wenn die Sonne in Oslo auch Nachts nicht untergeht. Aber damit man trotzdem ein Auge zukriegt nachts, sollte man Schlafbrillen mitnehmen. Es ist sehr verwirrend, zu fühlen, dass man müde ist, eigentich schlafen möchte, aber draussen hell die Sonne strahlt – das bringt die innere Uhr auf eine spannende Weise durcheinander und für Nachteulen und Partygänger ist das die ideale Umgebung schlechthin.

Bevor man nach Oslo fährt, muss man erstmal etwas Geld sparen, denn Norwegen ist teuer. Sehr teuer. Unvorstellbar teuer.

Das billigste, schäbigste 3 Sterne-Budget-Hotel kostet 300 EUR/Nacht und dafür ist es noch nicht Mal sicher, dass man eine Dusche im Zimmer hat. Also ist die beste Variante couchsurfing.com – bei Norwegern zu Hause übernachten und dafür gibts den einheimischen Stadtführer und neue Freunde kostenlos dazu. Das geht natürlich in jedem Alter, insofern man sich eine innere Offenheit und Kontaktfreudigkeit anderen Kulturen und die Freude am Neue-Menschen-Kennenlernen konserviert hat.

Oslo ist überraschend klein, wenn man erstmal drin ist. Die beiden Flughäfen sind sehr, sehr weit von Oslo entfernt, man muss mit mindestens zwei Stunden Fahrt rechnen und ein (vorher bestellter) Mietwagen zahlt sich schon allein deswegen aus. Ausserdem ist das Land so gross und so gering besiedelt, dass man mit dem Auto einfach am besten vom Fleck kommt und – eine Ausnahme für Norwegen - weder Sprit noch die Mietwagen sind teurer als sonstwo in Europa.

Der zentrale Mittelpunkt von Oslo ist der Hafen, dort sprüht das Leben, dort gibt es alles Relevante.

Der grosse Saal im Rathaus, wo die Nobelpreisverleihungen stattfinden, ist natürlich ein Pflichtprogrammpunkt auf der Besichtigungsliste. Gross ist er, beeindruckend nicht unbedingt. Da ist die daneben gelegene Festung Akershus schon viel atemberaubender, nicht nur wegen dem Ausblick, sondern vor allem wegen der Kombination zwischen Hexenhauscharme und altehrwürdig adeligem Hauch. Ein Rundgang durch Akershus ist gleichzeitig auch ein Spaziergang durch die Geschichte Norwegens. Früher gab es nur einen König für Schweden und Norwegen zusammen und die Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wird im Rundgang, hinterlässt für das Volk der Norweger so ein bisschen einen Stiefkindleineindruck, denn die Könige Norwegens waren nur sehr selten im Land. Dennoch ist die Monarchie weiterhin sehr beliebt. Ziemlich faszinierend für jemand, der aus einem Land mit so zwiespältigem Verhältnis zu seinem Königshaus kommt – das zudem mit sich selber heftig zu hadern scheint.

Gleich gegenüber von Askershus ist die beliebteste Essens- und Shoppingmeile Oslos: Aker Brygge. Früher war es eine unattraktive Docklandschaft, heute hipp und modern umgestylt mit Restaurants, Cafes, Bars und Einkaufszentren. Restaurants sind mit Decken und Gaswärmern ausgestattet, um den Gästen auch bei kälteren Temperaturen trotzdem zu ermöglichen, draußen zu sitzen.

Für ein einfaches Abendessen (ein einziger Gang) muss man zu zweit schon mit 100 EUR rechnen. Also essen gehen ist etwas Besonderes und nicht was Alltägliches, bei solchen Preisen. Trinken sollte man unbedingt Aquavit (akevit), ein Schnaps, aus Kartoffeln und Kümmel gebrannt und ursprünglich auf Segelschiffen angeblich einmal um die Welt geschippert – um gut durchgerüttelt zu sein. Typischer norwegischer gehts nicht mehr. Vor allem die Variante Aquavit Linie ist heute noch interessant, da der Schnaps in Holzfässern auf Schiffen einmal über den Äquator und zurück geschifft wird und durch die Wellenbewegung auf dem Schiff angeblich ein besonders holziges Aroma bekommt. Ein Bier gibt´s ab 10 EUR, nur Nachittags und nur in zum Alkoholverkauf lizensierten Gaststätten und Läden. Einfach reingehen und sich setzen kann man auch nicht, man muss auf den Platzeinweiser warten, um einen Tisch zugewiesen zu bekommen. Vor allem Fisch ist in Norwegen zu empfehlen, da frisch gefangen und wirklich lecker. Vor allem Lachs und Hering gehören zu den beliebtesten Speisefischen in Norwegen. Die Zubereitungsformen variieren zwischen gegrillt, gepökelt, oder auch geräuchert. Eine norwegische Spezialität ist der Gravlaks. Dabei handelt es sich um ein in einer Salz-Zucker-Dill-Mischung gebeiztes Lachsfilet, das man zum Toastbrot probieren sollte.

Vom Hafen vor dem Rathaus starten viele kürzere oder längere Kreuz- und Fjordfahrten, bei denen es sich wirklich lohnt, sich mindestens eine auszusuchen, weil Norwegen vor allem für seine herrliche Natur berühmt ist.

Natur- und Geschichtsbegeisterte sollten sich die Museen auf der Halbinsel Bygdoy nicht entgehen lassen. Man kommt am einfachsten mit der Fähre vom Rathaus aus auf die Halbinsel. Bei gutem Wetter ist das Freilicht-Heimatmuseum Norsk Folkemuseet unbedingt einen Besuch wert, wo hunderte von alten Bauernhäusern aus ganz Norwegen aufgebaut sind und wo Schauspieler in der dem Haus entsprechenden Epoche das damalige Leben der norwegischen Bauern veranschaulichen. Auf den Dächern wächst Moos und Gras, die Häuser und Betten sind klein, dunkel, mit winzigen Fenstern, stehen auf Stelzen gegen den Schnee und ein Bauernhof ist in viele kleine Gebäude auseinandergegliedert (Scheune, Waschhaus, Stall, Haupthaus, Sauna, Speicher, etc.), die Tische und Wohnzimmer sind für Grossfamilien geplant. Natürlich darf eine Stabkirche nicht fehlen, ein faszinierendes Gebilde aus Holz, das ganz auf die riesigen winterlichen Schneemassen aus diesen Breitengraden in seiner Bauweise angepasst ist.

Die Schifffahrt hat dieses Volk geprägt und zu dem gemacht, was es heute ist. Darum nicht zu verpassen: das Vikingskipshuset: es stellt Wikingerschiffe aus, das Frammuseet ist um das Polarexpeditionsschiff „Fram“ des Fritjof Nansen gebaut und erzählt die Geschichte der Nordpolexpedition und das Kon-Tiki Museum stellt die Kontiki und die Ra2 Balsaholzflöße aus, mit welchen Thor Heyedahl über den Pazifik segelte, um zu beweisen, dass die Besiedlung Polynesiens von Südamerika aus möglich war.

Man stellt sich die heutigen Wikinger immer so gross und blond vor. Dabei sind die Norweger eigentlich gar nicht so. Zumindest habe ich sie nicht so erlebt oder empfunden. Oslo allein ist allerdings nur der Anfang, Norwegen ist gross und wenn man schon da ist, sollte man sich auch Zeit für die Fjorde im Norden und Westen vormerken. Ansonsten bleibt das immer ein Grund zum Wiederkommen.