Eine besondere Schulwoche

Deutsch als Fremdsprache, Theater als „Abenteuer“

Für sechzehn Lyzeumsschüler (12 Mädchen und vier Jungen) gab es zwischen dem 23. und 29. Mai eine besondere Schulwoche. Statt Unterricht wurde Theater gespielt, der Konferenzraum des Saxonia-Gästehauses in Rosenau/Râsnov und der Festsaal des Kronstädter Honterus-Lyzeums ersetzten Klassenräume und Schulbänke. Der Lehrer kam aus Murnau (Deutschland) und heißt Dieter Kirsch. Mitgebracht hatte er nicht Lehrbücher oder einen Vortrag, sondern die von ihm selber dramatisierte Kleist-Novelle „Der Zweikampf“.

Die Schüler lernten sich erst bei den Proben kennen. Sie kamen aus Galati, Pitesti, Buzãu, Râmnicu Vâlcea, Baia Mare, Giurgiu, Turnu Mãgurele und aus anderen Städten. Eines hatten sie gemeinsam: Bei der diesjährigen Landesphase in Baia Mare des Schülerwettbewerbes für Deutsch als Fremdsprache gehörten sie zu den Preisträgern. Als Belohnung gab es dafür seitens des Bukarester Goethe-Institutes und des rumänischen Bildungsministeriums die Möglichkeit, während einer Woche in einem Theater-Workshop ein Stück einzustudieren und abschließend auch aufzuführen.

Die Wahl des Autors, Pädagogen und Regisseurs Dieter Kirsch fiel auf Kleist. Dabei hat auch das 200. Todesjahr des deutschen Klassikers eine Rolle gespielt. Er ist, was überraschend klingen mag, dennoch der meistgespielte Autor auf deutschen Bühnen. Kirsch hat seine Novellen-Dramatisierung eigens für die Deutsch lernenden Schüler angepasst und umgeschrieben. Im „Zweikampf“ geht es um den mysteriösen und heimtückischen Mord eines Herzogs auf dessen Heimreise. Eingeschaltet in die Untersuchungen werden, als Flachpuppen, auch Sherlock Holmes und Assistent Watson. Kleist selber kommt zu Wort durch das Vorlesen von Protokollen, wo auch „furchtbar lange Sätze“ nicht fehlen. Da stellt man sich unweigerlich die Frage, ob nicht zu viel verlangt wird von jenen, die diese Sprache gerade erlernen. Nein, meint Kirsch, der unter anderem auch ein Goethe-Institut in Frankreich geleitet hat, gerade schwierigere Wörter würden sich die Sprachschüler gut merken, weil sie eben als etwas Besonderes auffallen.

Das Kennenlernen und gegenseitige Anpassen verlief reibungslos, sodass die Zusammenarbeit von Anfang an klappte und das „Kleist-Abenteuer“ gut vorangehen konnte. Gerade beim Theaterspielen müsse man schnell lernen, wie man miteinander umgeht, was auch heißt, dass man viel von sich preisgibt. 

Jede(r) wählte sich ihre/seine Rolle und beschäftigte sich intensiv damit. Das setzte auch voraus, eine „Rollenbiografie“ zu verfassen, um sich besser in die Rolle einzuarbeiten. Regisseur Kirsch konnte dabei merken, dass die Laienschauspieler die Textvorlage gut erschlossen haben. Viele Erklärungen waren nicht notwendig, an der Aussprache musste noch gearbeitet werden. Bei der Aufführung wird eine Schattenleinwand eingesetzt sowie ein Fernsehgerät angedeutet. Die Schauspieler tragen Sonnenbrillen, wenn sie verfolgen, was ihnen als Fernsehbilder vorgesetzt wird, und schieben diese Brillen hoch, wenn es um die Wahrheit auf der Bühne geht, wenn die echte Suche nach Wahrheit beginnt. 

Denn, so Kirsch, „wir haben den Eindruck, dass das, was uns als Bild geliefert wird, die Wahrheit ist“. Dabei ist es aber zu oft eine getönte, eingefärbte Wahrheit – darum die Sonnenbrillen. 
Sich eine Woche mit Kleist und Deutsch intensiv zu beschäftigen, sich in der Öffentlichkeit mit dem Ergebnis dieser Arbeit vorzustellen – das war eine nicht alltägliche Chance sowohl für den Lehrer als auch für die Schüler. Dabei ist auch die Unterhaltung nicht zu kurz gekommen. Das „Abenteuer“ kann nicht mit dem banalen Schulalltag verglichen werden. Als Bonus kommt vielleicht hinzu, dass beim szenischen Lernen, ohne Notenstress, dieser un- konventionelle Theater-/Deutschunterricht effizienter war als die üblichen Deutschstunden.