Eine Identitätskarte für Temeswar

Der Journalist Goran Mrakic stellte „Punk Requiem“ vor

„Punk Requiem“ erschien vor Kurzem im Blumenthal-Verlag.

In gemütlicher Atmosphäre trafen sich die Buchfreunde im Bierhaus. Hier wurde das Buch von Goran Mrakić vorgestellt.
Fotos: Zorislav Stojanović

Im Temeswarer Bierhaus sind am heutigen Abend alle Tische besetzt. Die Leute trinken Gerstensaft, rauchen und unterhalten sich in einer gemütlichen Atmosphäre. Ein gedämpftes, warmes Licht beleuchtet die Gesichter. Die Atmosphäre ist entspannt, man ist da unter Freunden. Die Menschen haben sich allerdings heute nicht nur auf ein Bierchen getroffen. Eine Buchpräsentation der etwas anderen Art steht auf dem Programm: Der Temeswarer Journalist Goran Mrakić stellt sein Buch „Punk Requiem“ vor.

„Punk Requiem“ enthält 35 Geschichten – die Mehrheit davon spielt sich in Temeswar/Timişoara ab. Die kurzen Erzählungen hat Goran Mrakić seit dem Jahr 2012 geschrieben – einige erschienen bereits auf seinem Blog. „Am meisten schätze ich an einem Schriftsteller die Kapazität, mir nicht das Gefühl zu geben, dass ich gerade etwas von einem Schriftsteller lese“, sagt Daniel Silvian Petre, Temeswarer Musiker und Besitzer des Bukarester Blumenthal-Verlags, in dem das Buch von Mrakić erschienen ist. Und weiter: „Goran Mrakić macht aus Temeswar endlich eine Gestalt, und ´Punk Requiem´ ist ihre Identitätskarte“. Zwei weitere Bücher, in denen die Stadt Temeswar als Kulisse diente, erwähnte Daniel Silvian Petre bei der Buchpräsentation: „Câmp de c²r²mizi“ von Gabriel Marineasa und Herta Müllers „Der Fuchs war damals schon der Jäger“.

Goran Mrakić möchte nicht für die Kritiker schreiben, sondern für jedermann. „Ich habe das Gefühl, dass viele Schriftsteller heutzutage für einen geschlossenen Kreis und über Themen, die die heutigen Generation nicht ansprechen, schreiben“, sagt er. Goran Mrakić setzte sich hin und schrieb für seine Freunde. Die meisten davon sind keine großen Literaturkenner. Dennoch war das Feedback sehr positiv und das erfüllte den 36-jährigen Redakteur der serbischen Zeitung „Naša reč“ mit Freude.

„Nachdem ich mehrere Geschichten verfasst habe, habe ich diese meinem Freund, dem Autor Daniel Silvian Petre, geschickt, dessen Meinung ich sehr zu schätzen weiß. Er war sehr begeistert darüber“, sagt der in Warjasch/Variaş geborene und in Temeswar aufgewachsene Goran Mrakić. Temeswar ist nicht so präsent in literarischen Texten wie andere europäische Städte. Es wurden zwar einige Bücher geschrieben, jedoch recht wenig, findet der Autor. Goran Mrakić macht in seinem Buch eine Chronik der Ende 80-er, Anfang 90-er Jahre in Temeswar. Die Stadt und ihre Menschen werden dem Leser aus einer subjektiven Sicht vorgestellt – aus der eines in Temeswar aufgewachsenen serbischen jungen Mannes, der die Stadt mit ihren Stärken und Schwächen sehr gut kennt. Humorvoll präsentiert Mrakić die Leute, die in Temeswar leben und arbeiten: Ivan, der Trinker, Baba Lenka, die Serbin aus dem Mehala-Stadtteil, die Zigeunerin Tanti Elvira, Congo, der Fahrraddieb vom Ocska-Markt, Vietnam, der mutige Junge aus der Nachbarschaft, oder der korrupte Parlamentarier Narcis Ştiucă. Alte oder längst vergessene Orte aus Temeswar, wie zum Beispiel der Ocska-Markt oder die Lacto-Bar, an deren Stelle heute das McDonald´s im Stadtzentrum steht, werden dem Leser näher gebracht. „Goran Mrakić macht auch eine Art Geografie der Temeswarer Wirtshäuser“, sagte der italienische Lektor Daniele Pantaleoni bei der Buchpräsentation.

Geprägt sind fast alle seiner Texte von der Musik. Punk- und Rock-Rhythmen durchdringen den Erzählfluss, Bands wie Ramones, Exploited, Queen oder Gruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien wie die Partibrejkers werden erwähnt oder haben sogar etwas zu sagen in seinem Buch. Denn nicht nur die Musik, sondern auch die Texte der Lieder sind relevant für die Kurzprosa.

„Jede Epoche hinterlässt eine Spur auf die Menschen, die in jener Zeit gelebt haben. Ich habe versucht, eine Art Chronist zu sein. Temeswar ist eine unerschöpfliche Inspirationsquelle“, sagt der serbische Journalist. Aus dem Buch erfahren die Leser nicht nur, wie Temeswar ist und war, sondern sie lernen auch das Banat kennen. „Das Banat war schon immer ein Europa in Miniatur, in der die Multikulturalität und die Vielsprachigkeit, von denen in Westeuropa so viel gesprochen wird, tatsächlich auch funktioniert haben“, erklärt der Autor. Inwiefern das ein Fremder verstehen könnte, ist unklar.

„Etwa zwei Drittel der Prosa sind aus persönlichen Erfahrungen inspiriert“, sagt der Autor. Was wahr und was erfunden ist, das kann der Leser nur erahnen. Die Fotos zu den Texten wurden von den Temeswarer Fotografen Zorislav Stojanović und Zoltán Pázmány geschossen. Der Band „Punk Requiem“ ist im Banat-Souvenir-Laden in Temeswar zum Preis von 37 Lei erhältlich.