Einsame Eiche auf weitem Feld

Werner Kremm

Bevor der eigentliche Präsidentschaftswahlkampf startet, ist es eigentlich am einfachsten, über den Wahlausgang zu spekulieren. Denn die drei Hauptkandidaten und die etwa anderthalb Dutzend Nebenkandidaten müssen erst mal die 200.000 Unterschriften zusammenkriegen, bevor man sie ernst(er)nehmen kann – bis hierhin gelangen aber einige wohl gar nicht. Doch in fast letzter Minute hat ein Politiker mit sinkendem Stern (einer der wenigen, die frei und ohne sich zu verhaspeln reden…) noch eine Diversion gestartet und einen Schauspieler in den Krieg geschickt.

In die scheinbar feste Dreierkonfiguration, Klaus-Werner Johannis – Vasilica Dăncilă – Dan Barna, ist der Schauspieler, Niemandlandspolitiker und Ex-Europaparlamentarier Mircea Diaconu hineingeplatzt, derselbe, der bei den Europawahlen 2014 alle Prognosen über den Haufen warf und mit sieben Prozent der Stimmen als „Unabhängiger“ für fünf Jahre nach Brüssel zog. Die ALDE des gefährlichen (und immer mehr ins Konservativ-Extreme abgleitenden) Wendehalses Călin Popescu-Tăriceanu, der die Senatsleitung abgeben musste, nachdem er die Regierungskoalition mit der PSD platzen ließ, und Pro România des 2014 Johannis unterlegenen Ex-Regierungschefs Victor Ponta haben einen Knallfrosch platzen lassen, der es insofern in sich hat, dass er wohl Dan Barna und der neuen und sympathischen Partei der bisherigen (vor allem jungen) Nichtwähler, der USR, das Wasser abgraben wird.

Ob aus der jüngst entstandenen Viererkonfiguration der in allen Umfragen vorne liegende Johannis gestärkt oder geschwächt hervorgeht, ist schwer zu sagen. Johannis muss aber versuchen, im Wahlkampf seine in fünfjähriger Präsidentschaft offenbarten Schwächen vergessen zu machen: Zögerlichkeit und zittrige Hand, Vermeidung offener Konfliktsituationen / politischer Direktkonfrontationen, Vorschieben von Anderen, wenn´s brenzlig wird, gelegentliche politische Selbstverleugnung. Und er muss seine Stärken – Ansehen auf außenpolitischer Ebene (die EU-Tagung von Hermannstadt war genial), würdevoller und gleichgestellter Partner der Großen der Welt (egal, was man über Trump denken mag – die jüngste fast zweistündige Begegnung von Johannis mit dem Sprunghaften im Weißen Haus ist vom Wahlapparat Johannis´ unzureichend ausgeschlachtet worden!), innen-, vor allem aber außenpolitische Vorhersehbarkeit, also Verlässlichkeit, Partnerschaftstreue – all das muss der Wählerschaft bewusst gemacht werden. In einem Land, dessen Bevölkerung seit Jahrhunderten das beharrliche Glotzen in den eigenen Kochtopf (bei Gelegenheitsschielen in den Kochtopf des Nachbarn…) gewohnt ist, ist das schwerlich der Wahlbürgerschaft beizubringen, keine Frage! Versucht werden muss es! Punkte bringt´s immer.

Die Kandidatur von PSD- und Regierungschefin Vasilica Dăncilă wurde anfangs bloß als Manöver zur Verhinderung eines Stichkampfs zwischen Johannis und Dan Barna gesehen. Diesen betrachtet die PSD, als Herkömmling aus einer „unbesudelten“ Partei, als Gefahr für sich und ihr Clanwesen, sollte er Präsident werden. Dass der Neufeind der PSD, Popescu-Tăriceanu, im letzten Augenblick auf den Schauspieler und Politik-Laien Diaconu kam (vielleicht ein Fernecho aus der Ukraine des Wolodymir Selenski?!) wird einmal mehr die Position des Hoffnungsträgers Barna untergraben, dessen Chancen, in die Stichwahl zu gelangen, nach neueren Umfragen gesunken sind. Parallel mit einer Stärkung der Position von Johannis. Hatten wir es bislang mit dem ewigen Vergleich des Zögerers Johannis mit Traian Băsescu, seinem hyperaktiven strippenziehenden Amtsvorgänger, zu tun, so ist zum Start des Wahlkampfes jetzt Johannis eine einsame Eiche auf weitem Feld.
Die Stürme, die diese Eiche erschüttern könnten, zeichnen sich (noch) nicht ab. Viel zählt, wie Johannis die jetzige Regierungskrise – für ihn leidige Innenpolitik! – managt.