„Es ist normal, Gutes zu tun“

Freiwillige Studenten, Assistenzärzte und Ärzte in benachteiligten Ortschaften im Einsatz

Auch bis zu 150 Menschen täglich warten geduldig, um den freiwilligen Studenten, Assistenzärzten oder Ärzten ihre Leiden vorzubringen. Fotos: Caravana cu medici

Viele Bewohner ländlicher Regionen Rumäniens haben keinen Zugang zu ärztlicher Behandlung. Freiwillige untersuchen sie ab und an kostenlos.

Anastasia Abăitancei erzählt bei einem Filmabend zum Thema Ärzte und Gesundheitssystem im Multikulturellen Zentrum der Transilvania-Universität Kronstadt über ihre Erfahrungen als Volontärin. Foto: Mihai Kelemen

Fundățica, eine kleine Gemeinde in der Nähe des Dorfes Fundata, im Kreis Kronstadt/Brașov. Nur eine Handvoll Leute leben hier, die meisten davon alte. Hausarzt gibt es  keinen, ab und an kommt einer aus dem benachbarten Dorf, um die Patienten der Gemeinde zu untersuchen. Für spezielle Untersuchungen müssen die Leute nach Kronstadt fahren. Manche leisten sich das nicht. Diese Situation gibt es nicht nur in Funcățica. Insgesamt 650 Ortschaften des Landes verfügen über gar keinen Hausarzt, so dass die Menschen in andere Dörfer oder größere Städte reisen müssen, um sich untersuchen oder behandeln zu lassen. Für viele ist das nicht möglich.  

Gründe für den Mangel an Ärzten gibt es mehrere, einer davon ist, dass jede sechste Stunde ein rumänischer Arzt ins Ausland geht um dort zu praktizieren, wie eine Statistik vom Vorjahr zeigt. Die Fachkräfte, die im Land bleiben, werden immer weniger, auch wird ihr Durchschnittsalter immer höher. Im Kreis Kronstadt beispielsweise sind ein Drittel der Ärzte älter als 60 Jahre.

Hilfe an Ort  und Stelle

Für Menschen, die in abgelegenen Dörfern leben, ist der ärztliche Besuch eine Seltenheit. Manche Bauern haben seit Dutzenden von Jahren keinen weißen Kittel mehr gesehen, leiden an Krankheiten, von denen sie nicht einmal wussten, dass sie sie haben. Das bestätigt eine Studentin im letzten Studienjahr der Medizinfakultät an der Transilvania-Universität der Zinnenstadt, Anastasia Abăintancei, die mehrere Jahre lang mit Kollegen und Assistenzärzten in Dörfern und Ortschaften unterwegs war, um Patienten kostenlos zu untersuchen. Mit rund zwanzig Volontären hat sie in mehreren Jahren Tausende von Patienten untersucht, ihnen einen Besuch beim Spezialisten empfohlen.  

Gemeinsam für dörfliche Gesundheit  

Im Rahmen des Projekts „Impreună pentru sănătate rurală“ (gemeinsam für dörfliche Gesundheit) sind die Studenten des Wissenschaftlichen Vereins der Kronstädter Medizinstudenten (Asociația Științifică a studenților mediciniști brașoveni) seit über acht Jahren in abgelegenen ländlichen Gegenden des Kreises aktiv und bieten Dienste an, die es dort normalerweise geben müsste, aber nicht gibt. Mit tragbaren Apparaten, die ihnen kostenlos von spezialisierten Firmen zur Verfügung gestellt werden, kommen sie in kleine Gemeinschaften, improvisieren ambulante Arztpraxen in Schulgebäuden oder Kulturhäusern und sind stundenlang im Einsatz. Auch bis zu 80 Menschen pro Tag stehen Schlange, um einem der Volontäre ihre Leiden zu erklären. Dabei können die Studenten ihre Kenntnisse einsetzen, Untersuchungen durchführen und weiterführende Untersuchungen empfehlen. Sie leisten einen Dienst, den einige vielleicht noch nie erhalten haben. „Es gibt viele ältere Frauen, die erzählen, dass sie zum letzten Mal beim Arzt waren, als sie entbunden haben. Damals waren sie wohl bei einer Hebamme“, erinnert sich Abăitancei.  

Dankbarkeit, Hoffnung und Vertrauen

„Wir werden immer sehr gut aufgenommen, die Leute freuen sich über unsere Hilfe, bedanken sich bei uns und bitten uns, wiederzukommen“ sagt Anastasia Abăitancei. „Für einen Studenten ist das eine wahre Ermutigung, eine Bestätigung dafür, dass er etwas Wichtiges tut und seine Zeit und Energie nicht verschwendet“, weiß sie aus eigener Erfahrung. Anastasia erinnert sich an die Dankbarkeit der Patienten, die sie bei all ihren Einsätzen getroffen hat, an deren Vertrauen in die erhaltene Diagnose.  Die Beziehung, die zwischen Patient und Untersuchendem auf dem Land entsteht, sei völlig anders als jene, die aus der Stadt bekannt ist. Die Leute lernen sich näher kennen, haben mehr Zeit, ihre Beschwerden und Symptome zu schildern. Ein Termin beim Doktor in der Stadt ist auf 15 Minuten eingeschränkt, wobei ein beträchtlicher Zeitanteil zum Tippen von Informationen in den Computer verwendet wird, sodass es manch-mal kaum zu Augenkontakt, geschweige denn zu einer gründlichen Untersuchung kommt – das ist eine der Beschwerden vieler Patienten in Rumänien. „Man kann nicht allen Menschen helfen, aber wenn man es schafft, einem einzigen Gutes zu tun, hat man schon viel erreicht“, meint Anastasia.  Auch in anderen Kreisen, etwa Bukarest oder Großwardein/Oradea, machen sich Studenten der Föderation der Vereine der Medizinstudenten in Rumänien, zu der auch der Wissenschaftliche Verein der Kronstädter Medizinstudenten angehört, nützlich.  

Die Ärztekarawane

Ärztliche Dienste im ländlichen Gebiet bietet auch das Projekt „Caravana cu Medici“ (Ärztekarawane) an, der freiwillige Ärzte, Assistenzärzte und Studenten in Bukarest, Jassy/Iași und Klausenburg/Cluj-Napoca angehören. Sie fahren 18 Mal im Jahr für je ein Wochenende in kleine Gemeinden und prüfen den Gesundheitszustand der Bevölkerung in der Region durch allgemeine klinische Untersuchungen  wie EKG und Ultraschall, oder durch spezielle im Bereich interne Medizin, Kardiologie, Neurologie, Ophthalmologie, Dermatologie, Gynäkologie, Radiologie oder Pädiatrie. In ambulanten Labors werden sogar Blut- oder Urintests durchgeführt. Zudem sind die Freiwilligen bestrebt, die Patienten von der Bedeutung der Früherkennung verschiedener Krebsarten zu überzeugen und die Landbevölkerung zur Prävention von Krankheiten zu erziehen. Es ist ihnen wichtig, die Dorfbewohner zu lehren, auf ihre eigene Gesundheit und die der anderen zu achten. In diesem Sinne veranstalten sie Unterricht im Bereich medizinische Erziehung in Schulen, in denen Schritte zum Vorbeugen gelehrt werden.

Erziehung zum Vorbeugen

Eines der Probleme, welches die ärztlichen Volontäre zu lösen versuchen, ist die Erziehung der Bürger zur Prävention von Krankheiten. Auch wenn einige der Patienten wissen, was ihnen nicht gut tut, wissen sie oft nicht, was richtig für ihre Gesundheit ist. „In einem Dorf haben wir ein übergewichtiges Mädchen angetroffen, dessen Eltern nicht wussten, wie sie dem Kind helfen sollen.
Als der Arzt erfuhr, dass das Mädchen ‚Pufuleți‘ und Sprudelsäfte konsumiert, haben sie ein Schema mit einem möglichen Menü für Frühstück, Mittag- und Abendessen erhalten, das dem Kind gut getan hat“, erklärt Anastasia stolz.

Ärzte der Veränderung

Eine weitere Kampagne, die den Titel „Medicii schimbării“ (die Ärzte der Veränderung) trägt, bietet Menschen in abgelegenen Ortschaften medizinische Hilfe. Wie die eben beschriebenen Projekte, nimmt sich auch dieses vor, Freiwilligenarbeit auf dem Land zu leisten, um den gesundheitlichen Zustand der Menschen zu überprüfen. Schulen, Kulturhäuser, sogar eine lahmgelegte Kantine einer Farm dienten schon als Arztpraxen.  

Was motiviert  die Freiwilligen?

Auch wenn der Exodus der Ärzte schwerwiegende Folgen für die medizinische Lage des Landes hat und viele junge Fachleute eine besser bezahlte Arbeitsstelle im Ausland suchen,  gibt es trotzdem zahlreiche Begeisterte, die diesen Beruf ausüben, und die sich dafür entschieden haben, in Rumänien zu bleiben und etwas zu ändern. Was sie motiviert? „Der Wunsch Gutes zu tun“ erklärt Abăitancei, die wohl gut für alle ihrer Kollegen, die kostenlos im Einsatz sind, sprechen könnte.