Es wurde viel getan, doch viel ist noch zu tun

Tagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen zur Zukunft der Kirchenburgenlandschaft

Dr. Renate Klein und Dr. Johannes Klein stellten die Projekte in Seligstadt und Bekokten vor. | Fotos: Roger Pârvu

Teilnehmer der Tagung beim Besuch in Hundertbücheln

Spricht man von Eigentum, so wird meistens an Gut und Erbe gedacht. Fügt man diesen beiden Begriffen das Wort „Kultur“ an, ändert sich plötzlich die Perspektive: über Kulturgut und Kulturerbe sollten nur die sprechen, die eine Ahnung haben... und trotzdem redet jeder darüber. Und dann noch ein gewagter Gedankensprung: vor die beiden Begriffe füge man noch „siebenbürgische Kirchenburgen“ hinzu und die Lunte brennt, das Schießpulver ist trocken und man wartet auf die Explosion der von dem Friedenspreisstifter erfundenen Dynamitstäbchen, denn das Thema ist vielschichtig, kompliziert und geladen. 

Ob dieses das Team der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen vor Augen hatte, als sie zu einer Tagung in der Evangelischen Akademie Siebenbürgen mit dem Thema„Siebenbürgische Kirchenburgen: Kunsthistorische Bedeutung, Strategien der Befundsicherung, Denkmalschutz und Nutzungskonzepte“ einlud, ist in diesem Kontext unwichtig, denn am Ende zeigte sich, dass diese notwendig war. Die Tagung fand in dem „Hans Bernd von Haeften“ Tagungs- und Konferenzzentrum in Hermannstadt/Sibiu zwischen dem 20. und dem 24. September 2023 statt.  

In der Eröffnung der Tagung sprach Dr. Ernst Gierlich, Vorsitzender der Kulturstiftung der deutschen Vertrieben von der sinnbildlichen Verbindung zwischen der Luther-Hymne „Ein feste Burg ist unser Gott“ und der Geschichte der Siebenbürger Sachsen, als gelebte Wirklichkeit der Wehrarchitektur unter dem Schutz Gottes als Abbild des himmlischen Jerusalems. Im Namen der „Stiftung Kirchenburgen“, Mitveranstalter der Tagung, erinnerte Philipp Harfmann nicht nur an die von der Stiftung schon mit Erfolg durchgeführten Projekte, sondern auch an die im Raum stehende Bedrohung, der noch viele Kirchenburgen ausgesetzt sind. Astrid Fodor, Bürgermeisterin von Hermannstadt/Sibiu, betonte die Bedeutung des fachgerechten Einsatzes zum Schutz der Kirchenburgen, sowie die Notwendigkeit der Bündelung von Fachkompetenzen und Mitteln, um diese einzigartige europäische Kulturlandschaft zu sichern. In seiner Ansprache betonte Bischof Reinhart Guib die Dringlichkeit der Eruierung von tragbaren und nachhaltigen Zukunftsvisionen, um das Weiterbestehen der Kirchenburgen zu sichern. Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien,  erinnerte an die politische Unterstützung zur Sanierung und Rettung der Kirchenburgen, um die sich das Forum über die Jahre bemüht hatte. Michael Konnerth verlas das Grußwort von Rainer Lehni, Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, der daran erinnerte, dass auch klein gewordene Gemeinden bemerkenswertes im Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes geleistet haben. Über die Multifunktionalität der Kirchenburgen als Gotteshaus, als Schutzwall und als Hort der Identität sprach Ilse Welther, Vorsitzende des HOG-Verbands, wobei sie auch an die Mitverantwortlichkeit der ausgewanderten Siebenbürger-Sachsen erinnerte, die sich in letzten Jahren verstärkt auch für den Erhalt des Kulturgutes in Siebenbürgen einsetzen.

Das Thema der Chancen und der Herausforderungen, gegeben durch die Zugehörigkeit zum UNESCO-Weltkulturerbe, wurde in den Beiträgen von Dr. Christoph Machat und Iozefina Postăvaru thematisiert. In den beiden Beiträgen wurden, anhand von Beispielen, nicht nur die dazugehörenden Restaurierungsnormen und finanziellen Herausforderungen dargestellt, sondern auch die Besonderheit der siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft im europäischen Kontext aufgezeigt. Zugleich wurden auch die Normen des rumänischen Baudenkmalschutz-Gesetzes vorgestellt, die nicht nur als Hürde wahrgenommen werden sollten, sondern auch als eine Schutzmaßnahme betrachtet werden müssen. 
Der europäische Kontext, in den die siebenbürgischen Kirchenburgen gehören, wurde von dem Kunsthistoriker Arne Franke dargestellt, welcher Kirchenburgen und die entsprechenden regionalen Besonderheiten in Großbritannien, Frankreich und Polen vorstellte.  

Dr. Daniel Tellman stellte eine Reihe von im Rahmen ihrer Fachprüfung von Studenten durchgeführten Studien vor, die, jenseits einer Bestandsaufnahme verschiedener Kirchenburgen, auch Nutzungs- und Lösungsvorschläge für die in situ vorhandenen Bauwerke vorgeschlagen haben, von denen einzelne dabei sind, in die Wirklichkeit umgesetzt zu werden. Über Notrettungsmaßnahmen sprach Tudor Pavelescu, der das Dächerprogramm der Stiftung Kirchenburgen vorstellte, wobei auch die breit diskutierte Problematik der Nutzung von alten und historischen Dachziegeln und dem Einsatz von neuen Dachziegeln thematisiert wurde. Die gesamte Tätigkeit der Stiftung Kirchenburgen wurde von Philipp Harfmann vorgestellt. Die unterschiedlichsten Maßnahmen gehören zur Tätigkeit der Stiftung Kirchenburgen: von Bestandsaufnahmen und Sanierungsmaßnahmen bis hin zu dem Holzstockfestival in Holzmengen/Hosman, wobei die Durchführung der Projekte nur auch Dank der vorhandenen lokalen Partner möglich ist. Eine wichtige Komponente der Tätigkeit der Stiftung ist die Ausbildung von Fachkräften, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen eingesetzt werden. Bemerkenswert findet Harfmann die Entwicklung der rumänischen Zivilgesellschaft, die sich in den letzten 15 Jahren, seit der Gründung der Stiftung Kirchenburgen, des von der Kirchenburgenlandschaft dargestellten kulturellen Erbes bewusster geworden ist und sich entsprechend nun auch lokal zur Sicherung und Nutzung desselben verstärkt einsetzt.   

Zukunftsvisionen und Erfolgsprojekte waren Inhalt mehrerer Vorträge, die mögliche Nutzungsmöglichkeiten von Kirchenburgen präsentierten. Dr. Liviu Alexandru Gligor stellte das Projekt in Schönberg/Dealu Frumos vor. 2001 übernahm die Ion-Mincu-Universität diese Kirchenburg und nutzt sie nun als Ausbildungsort für die eigenen Studenten, wobei dabei auch die notwendigen Denkmalschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Gligor bedauert, dass nun das Pfarrhaus nicht mehr zu dem Projekt gehört. Michaela Tuerk referierte über das Revitalisierungsprojekt des Mihai-Eminescu-Trusts, welches bei der Kirchenburg in Almen/Alma Vii durchgeführt wird. Das Phoenix-Projekt in Felldorf/Filitelnic wurde von Architekt Lorand Kiss vorgestellt. 

Das Theologenehepaar Dr. Renate Klein und Dr. Johannes Klein stellte das schon bekannte Projekt des Jugendzentrums in Seligstadt/Seliștat und in Bekokten/Bărcuț vor. Das breitgefächerte Angebot vor Ort reicht von der Kinderspielwerkstatt und der bekannten Kinder-Uni bis zu Workshops zu Umweltschutz, Zirkuswerkstatt und Kindermuseum. Ziel aller Projekte ist die Vermittlung von Wissen auf alternative Weise, um so die Kinder spielerisch in die Welt der Wissenschaft einzuführen. 

Die Initiativen in Kirsch/Curciu und in Trappold/Apold wurden von Ruth Istvan und Sebastian Bethge vorgestellt. Sebastian Bethge betonte, dass die Schutzzone um die Kirchenburg erweitert und gesetzlich stärker geschützt werden müsste, weil dieses entscheidend zu dem Schutz derselben beitragen würde.  

Alle dargestellten Projekte betonten dezidiert das Miteinbeziehen der lokalen Gemeinschaft als stringent notwendig. Es gilt, zwischen derselben, jenseits der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, und der Kirchenburg als Bau und Konzept eine Verbindung aufzubauen. Dieses trägt nicht nur zu einer Aufbesserung der manchmal wirtschaftlichen Lage vor Ort bei, sondern auch zu einer aktiven Nutzung der Kirchenburg, was seinerseits zum Schutz dieses Kulturerbes beiträgt, denn eine nicht genutzte Kirchenburg verfällt schneller.   

Dass Kirchenburgen nicht nur den Bau als solchen darstellen, war dem Vortrag von Dr. Agnes Ziegler zum mobilen Kulturerbe zu entnehmen. Dr. Ziegler stellte das breitangelegte Projekt zur Inventarisierung des landesweit vorhandenen mobilen Kulturguts vor, wobei dieses jenseits der damit verbundenen Bestandsaufnahme auch Sicherungsmaßnahmen beinhaltet. Angedacht ist eine zentralisierte und standardisierte Datenbank, die auch entscheidend zum Schutz dieses Teils des Kulturerbes beitragen wird.

Zu dem Programm der Tagung gehörten auch Ausflüge zu Kirchenburgen, wo sowohl problematische Orte, wie auch manche der während der Tagung vorgestellten Projekte besucht wurden. Als erste wurde die frisch renovierte Kirchenburg in Heltau/Cisn²die, als Beispiel für das Sanierungsprogramm der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien mittels europäischer Fördermittel, besucht. Die Kirchenburg in Dobring/Dobârca wurde als „negatives“, massiv von Einsturz gefährdetes Beispiel vorgestellt. Zwar wurden auch in Dobring manche Schutzmaßnahmen am Dach durchgeführt, doch durch die fehlende Anbindung an die lokale Gemeinschaft, sowie auch das mangelnde Interesse seitens der gewesenen Einwohner, bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen offen. 

Als positives Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen HOG und der Gemeinde vor Ort war die Kirchenburg in Reußmarkt/Miercurea Sibiului im Programm. Als ein weiteres positives Nutzungskonzept wurde die Gräfenburg in Kelling/Câlnic vorgestellt. 

Das Treffen mit Landeskirchenkuratorin Dr. Carmen Schuster in Kleinschenk/Cincșor zeigte ein weiteres positives Beispiel für die Ver- und Anbindung, die zwischen lokaler Gemeinschaft und Kirchenburg aufgebaut werden kann, auf. Als notwendig für den Erfolg derartiger Projekte betrachtet Carmen Schuster die Öffnung zur Zusammenarbeit seitens der Kirchengemeinde. Es braucht eine Öffnung sowohl zur Mehrheitsbevölkerung, sowie auch zu den ehemaligen ausgewanderten Mitgliedern der Gemeinde. Zugleich muss diese Öffnung auch gegenüber alternativen und neuen Nutzungskonzepten vorhanden sein: so z.B. die Künstlerresidenz, die jährlich in Kleinschenk organisiert wird. 

Nach dem Besuch des Projekts Curchfortress e.V. in Hundertbücheln/Movile, wurde das Jugendzentrum in Holzmengen/Hosman besucht. Pfr. Hans Georg Junesch und Ruth Istvan stellten die Vielfalt der vor Ort durchgeführten Projekte, von Jugendfreizeiten bis zum Holzstockfestival, vor. Der letzte Konferenztag rundete das Programm mit dem Besuch des Gottesdienstes in der Stadtpfarrkirche in Hermannstadt/Sibiu und einer Stadtführung ab. 

Das bunt durchmischte Publikum aus Deutschland und Rumänien umfasste auch Vertreter unterschiedlicher Einrichtungen der Siebenbürger Sachsen sowie von Projekten und Initiativen in und um die Kirchenburgen und an der Problematik Interessierte. 

Die unter der Federführung von Thomas Konhäuser und Birgit Aldenhoff von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen konzipierte und durchgeführte Tagung hat noch einmal vor Augen geführt, wie komplex und vielfältig die mit dem Erhalt der Kirchenburgenlandschaft verbundene Problematik ist. Zwar gibt es immer mehr Projekte, die sich dieser annehmen, doch sind verstärkte Synergieeffekte zu wünschen. Eine Anbindung der in und um die Kirchenburgen durchgeführten Projekte an die lokale Gemeinschaft bleibt eine conditio sine qua non, auch wenn mancherorts die Zusammenarbeit mit der Lokalverwaltung sich nicht immer einfach gestaltet. Weiterhin wünschenswert bleibt eine verstärkte Mitwirkung des rumänischen Staates.  

Alle Beiträge der Tagung stehen auf dem YouTube Kanal der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen öffentlich zur Verfügung.