Ethnische Minderheiten und die Bedeutung von Printmedien

In Bozen trafen sich Journalisten von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen

Zum zweiten Mal kamen Vertreter von Minderheitentageszeitungen aus zahlreichen Ländern Europas in Bozen in Südtirol zusammen. Vor zehn Jahren, 2001, war hier an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (MIDAS) ins Leben gerufen worden, erinnerte Toni Ebner, Präsident der Organisation, in seiner Begrüßungsansprache bei der 10. Generalversammlung von MIDAS.
Die Vereinigung ist mit den Jahren gewachsen, inzwischen gehören ihr 30 Tageszeitungen aus allen Ecken Europas – von Spanien bis Rumänien und von Finnland bis Italien – an, die alle in einer anderen Sprache als jener der Mehrheitsbevölkerung in ihren Ländern gedruckt werden.

Seit 2008 ist auch die „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ Mitglied, aus Rumänien ist außerdem auch die in Großwardein/Oradea erscheinende ungarische Zeitung „Bihari Napló“ dabei. MIDAS wird aber noch weitere Tageszeitungen aufnehmen, prophezeit Toni Ebner, bei dieser Generalversammlung kam die polnische Zeitung aus Tschechien „Glos Ludu“ hinzu. Über alle Unterschiede hinweg, die sich unter anderem daraus ergeben, dass sie aus verschiedenen Kulturkreisen kommen, haben die Zeitungen gleiche Interessen und ähnliche Probleme. MIDAS ist ein einigendes Band zwischen ihnen, sagt Toni Ebner, und ist bestrebt, die Mitgliederzeitungen durch Informationsaustausch, Veranstaltungen für Jungjournalisten und Kooperation im Marketingbereich zu fördern.

Der Präsident unterstreicht auch deutlich, dass es die Organisation ohne den Einsatz des Landes Südtirol, das das MIDAS-Sekretariat seit seiner Gründung finanziert, nicht gebe. Es ist das Verdienst des Landeshauptmanns Luis Durnwalder, der aus der Überzeugung heraus, dass die Medien für den Erhalt der Minderheitensprachen unabdingbar sind, das Netzwerk der Tageszeitungen in den Minderheiten- und Regionalsprachen unterstützt. Ihm sprach Toni Ebner den Dank der MIDAS-Mitglieder aus. Südtirol habe in den schwierigen Jahren des Nationalismus in Italien ebenfalls Hilfe erfahren – von Österreich, Deutschland und insbesondere von Bayern. So ist man in Südtirol besonders empfänglich für die Problematik der Minderheiten und ist bereit, selbst Unterstützung zu gewähren. Die Journalisten konnten einen Abend lang Gäste des Landeshauptmanns in dem weitläufigen „Felsenkeller“ des Landesweinguts Laimburg sein.

Einen Rückblick auf die Tätigkeit der Vereinigung seit der Generalversammlung 2010, die in Vilnius stattgefunden hatte, bot ihr Generalsekretär Günther Rautz. Weitere Tageszeitungen bekunden das Interesse, in die Organisation aufgenommen zu werden, zu diesen und noch anderen Zeitungen in Minderheitensprachen sollen die Kontakte intensiviert werden. MIDAS setzt sich bei der Europäischen Kommission für diese Tageszeitungen ein. Es wurden auch zwei Problemfälle diskutiert. Die polnische Zeitung in Litauen „Kurier Wilénski“ ist in Schwierigkeiten mit den Behörden geraten, die sie bezichtigen, gegen die Souverenität des Landes verstoßen zu haben. Die sorbische Tageszeitung „Serbske Nowiny“ in Deutschland fürchtet wegen einer Neustrukturierung der sorbischen Institutionen aufgrund von Sparzwängen um ihre Unabhängigkeit.

Für die angereisten Journalisten war die Begegnung in Bozen eine Gelegenheit, von kompetenten Referenten über verschiedene Aspekte des Minderheitenschutzes unterrichtet zu werden und Einblick in Geschichte und Gegenwart des wunderschönen Landes Südtirol zu erhalten. Über die geschichtliche Entwicklung von Südtirol, nachdem es nach dem Ersten Weltkrieg von Österreich gelöst und Italien zugeschlagen wurde, berichtete die Vize-Präsidentin der Autonomen Region Trentino-Südtirol und gleichzeitig Vizepräsidentin der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), Dr. Martha Stocker. Sie stellte den langwierigen und schwierigen Weg bis zur Erlangung der Autonomie in Südtirol dar, die sich auf die Entfaltung dieser Region segensreich auswirkte.

Dass es wichtig sei, die Muttersprache einer Minderheit im täglichen Gebrauch zu benützen und sie nicht nur in der Schule zu lehren, darauf wies Florian Mussner, Regionalrat für Sprachminderheiten der Autonomen Region Trentino-Südtirol, hin. Er unterstrich die Rolle der Zeitungen für die Entwicklung des ethnischen Bewusstseins. Europaparlamentarier Herbert Dorfmann sprach über Minderheitenschutz und Sprachförderung in der EU nach dem Vertrag von Lissabon. Prof. Dr. Harald Pechlaner von der EURAC präsentierte eine Studie zum Thema Tourismus in Minderheitengebieten, aus der hervorgeht, dass die kulturelle Vielfalt sehr wohl das touristische Potenzial einer Region stärken kann.

Aufmerksame Zuhörer hatte auch Konrad Bergmeister, der Koordinator des Brennerbasistunnels. Das grenzüberschreitende kühne Vorhaben ist das größte Infrastruktur-Projekt in den Alpen.
Der Überraschungsgast des Tages war Erhard Busek, der ehemalige österreichische Vize-Kanzler, in dessen Amtszeit Österreich der EU beigetreten ist. Aus seiner begeisternden Ansprache, in der er die ethnische Zugehörigkeit in das Spannungsfeld zwischen regionalen und europäischen Kontext stellte, ging sein europäisches Engagement deutlich hervor.

Bei einem Festbankett wurden traditionsgemäß der MIDAS-Preis und der Otto-von-Habsburg-Preis überreicht. Die Preisträger sind in diesem Jahr Jeanette Björkquist von der schwedischen Tageszeitung „Hufvudstadsbladet“ in Finnland, die insbesondere für eine Reportage über in Helsinki bettelnde Roma aus Rumänien mit dem MIDAS-Preis ausgezeichnet wurde, und der Korrespondent der Zeitung „Rheinischer Merkur“, Peter Meier-Bergfeld, der den nach Otto von Habsburg benannten Preis von dessen Sohn Karl von Habsburg in Empfang nehmen konnte.

Besonders aufschlussreich war für die Journalisten ein Besuch in der Redaktion der Zeitung „Dolomiten“, das „Tagblatt der Südtiroler“. Der Chefredakteur und MIDAS-Präsident Toni Ebner führte durch die Redaktionsräume, doch besichtigt wurde auch die große Druckerei, die wie die Zeitung zur Gruppe „Athesia“ gehört. Mit dem Besuch der Gärten des Schlosses Trauttmansdorff und des Geburtshauses des Bauernführers Andreas Hofer konnten die Gäste auch einige Sehenswürdigkeiten Südtirols und die reizvolle Landschaft der Region genießen.