Extremisten im Prokrustesbett

Polypemon oder Damastes, der Prokrustes (der „Ausstrecker“) genannte Riese der alten Griechen, bot, laut dem Geschichtsschreiber Diodoros, Reisenden/Wanderern ein Bett an und „passte“ sie unter Zwang hinein. Er hackte ihnen Überlängen ab, oder hämmerte und streckte zu Kurzes auf einem Amboss so lang, bis sie genau ins Bett passten.
Die mit rund neun Prozent der Wählerstimmen ins Parlament gelangte Extremistenpartei AUR erinnert in ihrem Gehabe und Programm („Wir wollen ein Rumänien unterm Spektrum von Christus!“) an die Brachialität des griechischen mythologischen Riesen. Konservativ ist die rechtsextreme Partei (ihr Ko-Präsident Simion widerspricht bei jeder Gelegenheit: AUR sei „radikal, aber nicht extremistisch“), extremistisch mit Sicherheit, wenn man die neolegionären, xenophoben, misogynen und chauvinistischen Texte des neuen Senatsmitglieds und AUR-Ideologen Sorin Lavric liest (der Schriftstellerverband sollte sich selbstkritisch fragen, wieso der brandgefährliche Extremist Lavric erst jetzt aus der Redaktion ihrer führenden Zeitschrift „România literară“ gefeuert wurde!), der dem AUR-Senat vorsteht (Muster-Zitate aus Lavric gab es in dieser Rubrik am 17. Dezember).

Prokrustesgleich will AUR das Land in engstirnig nationalistische Formen pressen, „die Parteien aus dem Parlament dislozieren“, „das Paradigma der untertänigen parlamentarischen Willfährigkeit verändern“ und vor allem: „Wir wollen das mystische Gefühl wiedererwecken, Christen zu sein im Schatten jeder Ikonenwand einer Kirche unseres Landes“, also einen theokratisch-christlich-orthodoxen Staat,  weshalb die wenigen bürgerlich-intellektuellen Publikationen Rumäniens in dieser Partei Nähe zur und Zusammenwirken mit den konservativsten Kreisen der rumänisch-orthodoxen Kirche vermuten. Nicht zufällig ist die frischgebackene AUR-Abgeordnete [o{oac˛ die Anwältin des durch häufige staats- und ordnungsfeindliche Auftritte auffallenden und von der Staatsmacht mit Samthandschuhen behandelten Metropoliten von Konstanza.

Sie wollen raus aus der EU („Wir sind es satt, so zu tun, als ob wir die sozialistische Lüge, die aus Brüssel kommt, ernst nehmen!“), sie sind antisemitisch („Wir wollen nicht mehr die nervigen marxistischen Masoreten ertragen, die aus dem Mantel der Ana Pauker herabgestiegen sind und jetzt unterm Deckmantel pharisäischer Demokraten auftreten, um uns Lektionen über politische Korrektheit zu verpassen.“) und sie wollen praktisch alles, was zur Leugnerbewegung des Vorhandenseins des Corona-Virus gehört (aufschlussreich die marktschreierischen Auftritte der Anwältin Șoșoacă aus Jassy).

Fazit: AUR ist im konservativem Lager, an dessen extrem rechten Rand, beheimatet. Die rumänischen Rechtsradikalen sind eine Anti-System-Partei, die ihre Wurzeln in der Zwischenkriegszeit (Legionärsbewegung, Octavian Goga – für AUR ein Bildungsfaktor) und im Nationalkommunismus der Ceaușescu-Ära hat und eine radikalere Neuauflage der Großrumänienpartei PRM des verstorbenen C. V. Tudor ist. Wirklich konservativ sind die Exponenten von AUR nie, dazu fehlt ihnen das Gespür für Demokratie, Meinungsfreiheit, der Sinn für eine klare Trennung von Staat und Kirche, für gesellschaftliche Harmonie und tiefe Religiosität.

Der anfängliche Schockeffekt des hohen elektoralen Zuspruchs für AUR ist zu überwinden (bei einer 100-prozentigen Wahlbeteiligung hätten sie die Wahlschwelle gar nicht geschafft), und auch die Kehrseite des Hochspülens der Rechtsextremen ins Parlament ist zu sehen: Sie haben sich geoutet. Man weiß, mit wem man´s zu tun hat, kann Strategien des Entgegenhaltens entwickeln. Chauvinismus, Verschwörungsglaube, Antisemitismus, Illiberalismus, Rassismus, Homophobie – alles nichts Neues in Rumänien. Mit AUR haben sie ihr Sammelbecken und PSD und PNL können schwerer mit Rechtsextremismen auf Wählerfang gehen.

AUR kann jetzt aufs Prokrustesbett gezwungen werden.