Feilschen statt Politik

Rumänien hat seit Weihnachten eine Koalitionsregierung aus PNL/USR-PLUS/UDMR. Das ist bestimmt nicht die von Präsident Johannis vielbeschworene „Meine Regierung“. Der Finanzpragmatiker Florin Cîțu steht ihr vor – doch aber weder die Freundes- noch die Feindesmedien nehmen ihn ernst. Hat er doch schon einmal, kaum nominiert, kurz darauf das Handtuch geworfen und den Eindruck geprägt, dass er ein Hampelmann ist, der in der PNL den Feuerwehrmann gibt, wenn´s drauf ankommt, Parteichef Orban gut aussehen zu lassen. Die Koalitionsfeilschereien, die der Vereidigung der Regierung vorausgingen, haben ein Übriges zum als befremdlich wahrgenommenen Start dieser Regierungskoalition beigetragen.

Koalitionsverhandlungen sind in jedem demokratischen Staat etwas Normales und können Monate (zuletzt in Deutschland), auch Jahre dauern (siehe Italien oder Belgien), ohne dass sich das Wahlvolk darüber aufregen würde. Hierzulande, dem Land des Paternalismus, des Misstrauens, der Bigotterie, des Rechtspopulismus, des Selbstbelügens und der Verschwörungsfanatiker, sind (etwas) längere Koalitionsverhandlungen ungewohnt. Wenn dazu noch zwei Parteiführer wie PNL-Orban und USR-Barna aufeinandertreffen, die miteinander müssen, wenn sie gesichtsbewahrend regieren möchten, aber von persönlichen Ambitionen und politischen Überlebenssorgen auseinandergerissen sind, dann nehmen obige „Qualitäten“ in der öffentlichen Diskussion überhand.

Die Rumänen sind besessen vom „guten Image“ und vom „schönen Schein“. Dreiwöchige Koalitionsfeilschereien werden als bild- und scheinzerstörend empfunden. Feilschen ist weder „männlich“ noch hat´s mit „Unnachgiebigkeit“ zu tun, zwei der hochgelobten Prinzipien, nach denen man natürlich nicht lebt, aber sie imperativ von Politikern fordert.
Aus dem Perzeptionsschlamassel, das die beiden Parteiführer – implizit ihre Parteien – angerichtet haben, ging die „neue“ USR (und mit ihr PLUS) stark gerupft hervor. Von der PNL hatte man nichts anderes erwartet, denn sie ist um keinen Deut besser als ihr „Erzfeind“ PSD – und wird sich in „ihrer“ Regierungszeit redlich bemühen, das auch in allen Bereichen und in allen Landesteilen zu beweisen (nicht anders, als sie es auch, absolut ohne Zurückhaltung, bis zu den Parlamentswahlen nachgewiesen hat, als sie über ein Jahr lang allein regierte).

Aus dem selbstgezimmerten Mythos der USR als Saubermacherpartei blieb nach den Koalitionsfeilschereien Asche übrig. Der Anspruch, eine „neue“ Partei zu sein, die antrat, die politische Klasse Rumäniens zu „erneuern“, die mit ihrer Initiative „Ohne Straffällige in öffentlichen Funktionen!“ viele überzeugt hat, zu den Wahlurnen zu gehen – sie sackte in sich zusammen wegen einem Parteichef, der sich an einen Stuhl festkrallte, statt sich politisch ums öffentliche Wohl zu kümmern. Damit könnte dieser Hermannstädter für die Zukunft sein politisches Schicksal besiegelt haben – sofern seine Partei noch an ihre Gründungsideale glaubt. Der Posten des Vizeregierungschefs, den Dan Barna ergatterte, wird ihm zum politischen Überleben wenig nutzen.

Andererseits ist über das Feilschen um Posten und Pfründe das Gerangel um die „lukrativen Ministerien“ – die Geldverteil-Ministerien – weniger offensichtlich gewesen. So kommt es, dass ein extrem labiler Charakter dem Zukunftsministerium – dem Ministerium für Bildung und Forschung – vorsteht, der einmal als Unterrichtsminister durch seine Unterschrift rund 40.000 „Absolventen“ einer privaten Universität von zweifelhaftem Ruf die Absolvierungsdiplome legalisierte und der versucht hat, die „Doktoren des Abkupferns“, die in der rumänischen Politikerwelt (und nicht nur dort) herumwuseln, vor dem Titelverlust zu bewahren.

Positiv an der Koalitionsfeilscherei vom Dezember 2020 ist, dass wir jetzt eine junge Regierung haben. Lassen wir uns überraschen: Kann sie was?!