Freizeitindianer werden sich freuen

Attila Pál und seine Bisons in Aita

Die Bisonherde konnte sich in Aita gut anpassen.

Der Bison hat einen großen Kopf, aber kleine Hörner, die nach innen weisen. Fotos: der Verfasser

Alle packen an, damit der Heuballen zu den Bisons kommt.

Attila Pál – der stolze Besitzer der Bisonherde

Bisons standen für die weiten Prärien Nordamerikas, für Indianerstämme, denen sie die Lebensgrundlage sicherten. Riesige Herden wanderten ungestört auf großen Strecken und kannten eigentlich keine natürlichen Feinde. Sie symbolisierten Stärke, Freiheit, Entschlossenheit. Ende des 19. Jahrhunderts wären sie aber fast ausgerottet worden, weil sie gegen weiße Jäger und Gewehre zum Unterschied von Indianern mit Pfeil und Bogen keine Chance hatten. Heute ist die Bisonzucht auch in Europa immer beliebter geworden.

Bisons brauchen weder Stall noch Hirten

Unser Geländewagen nähert sich dem Ort, wo heute in Covasna, Kronstadts Nachbarkreis, Bisons leben und wo ich hoffe, sie möglichst nah beobachten und bewundern zu können. Am Steuer sitzt Attila Pál. Mit dabei sind seine Tochter und sein Sohn. Es ist der Tag, an dem die Bisons Futter bekommen. Von der unitarischen Kirchenburg führt der holprige Feldweg rund einen Kilometer aus Aita Mare/Nagyajta hinaus.

„Fürchtest du dich vor Hunden?”, fragt mich Attila. Denn zunächst gilt es, nach dem ersten Zauntor vier Hunde zu füttern, die von Weitem schnell erkannt haben, dass ihr Herr da ist. Alle steigen wir aus. Die Hunde schnüffeln auch an mir, warten aber ungeduldig, dass ihnen ihr Trockenfutter vorgesetzt wird. Das geschieht in vier getrennten Portionen, damit es keinen Streit gibt. Es sind große, Respekt einflößende Hunde, die ein 27 Hektar weites Gelände, Páls Eigentum, zu bewachen haben. Neugierige oder unerwünschte Störenfriede werden beim Heranstürmen der bellenden Hunde sicher verzichten, auf deren Territorium vorzudringen.

Die Bisonfarm nahe des Dorfes ist inzwischen auch in der Nachbarschaft bekannt. Bereits jetzt, wo es noch keine touristische Infrastruktur gibt, gilt sie als Sehenswürdigkeit und wird, bei vorher abgesprochenem Besuchstermin, gelegentlich von Touristengruppen besucht. Jeder will wohl den Prärienbison (Bison bison),  das mächtigste Landsäugetier Nordamerikas, der Verwandte des Wisents (Bison bonasus) vor Augen bekommen. Denn in Aita bilden die über drei Dutzend Tiere (Bullen, Muttertiere und Kälber) eine Herde, so wie es sie, bei Wisenten, vor Jahrhunderten in Siebenbürgen, wahrscheinlich gerade auf diesen Hügeln und Wiesen, gegeben hat.

Hier, bei Aita, leben die Bisons fast auf sich selbst gestellt. Einen Stall gibt es nicht, einen Aufpasser oder Wächter erst recht nicht. Sie sind „unabhängig und autonom” scherzt Attila. Sie  sind und bleiben Wildtiere. Ihre Haltung soll möglichst artgerecht erfolgen; der Eingriff des Menschen bleibt minimal. Selbst wenn mal in einer kleinen benachbarten Talmulde für Touristen einige Zelte eines „Indianerdorfes” aufgestellt werden und bei einer kleinen Verkaufsstelle Souvenirs in Form von Fell, Knochen oder Hörnern sowie eine Kostprobe von Bisonfleisch (als Steak, Hamburger oder Salami) angeboten wird, sollen die Bisons sich weiter ihrer Ruhe erfreuen können. Etwas Vorsicht und die Einhaltung einiger Grundregeln sind Voraussetzungen, dass die Sicherheit der Besucher gewährleistet wird und dass die Bisonfarm dasselbe sichere Heim für ihre „Bewohner” bleibt. Abgeschiedenheit, Ruhe und Liebe zur Natur und zu diesen wunderbaren majestätischen Geschöpfen passen gut mit den Prinzipien des Agrotourismus zusammen, versichert der 45-jährige Attila Pál.

„Was er sich in den Kopf setzt, das erreicht er!“

Für ihn und Ehefrau Orsolya, wie auch für ihre Kinder, ist es Hobby und Leidenschaft, sich um das Wohl ihrer Bisonherde zu kümmern. Wenn es ein Business sein sollte, dann sicherlich nur als Nischengeschäft. Attila hatte eigentlich bis vor rund 14 Jahren nichts mit Tierzucht oder Tourismus zu tun gehabt. Seine Vorfahren stammen aus dem benachbarten Belin/Bölön/Blumendorf, aufgewachsen ist er in Kronstadt/Brașov, wo er auch heute lebt. Der gelernte Elektriker hat einige Jahre in England verbracht, wo er als Facharbeiter gut verdient hat. Sein Interesse galt besonders dem Bereich Elektrozäune. Attila sei der Typ, der das erreicht, was er sich einmal in den Kopf setzt, heißt es in einem englischen Fachmagazin für Elektrozäune. Um selber alle Einzelheiten in diesem Bereich zu erlernen, um sich mit der notwendigen Technik vertraut zu machen, verzichtete er eine Zeit lang auf seine Entlohnung. Praxis und Unterricht gegen kostenlose Unterkunft lautete seine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber und späteren Freund. So konnte Attila Pál seine eigene Firma „Eurofence SRL” in Kronstadt gründen, die inzwischen Aufträge aus dem ganzen Land erhält. Attila ist auch Vertreter für Rumänien und Berater von „Gallagher”, dem weltweiten Marktführer in diesem Bereich. Gerade in einem Land, wo Bären keine Scheu kennen, in Gärten und Höfe vorzudringen, bleibt die Nachfrage für solche Schutzzäune nach wie vor bestehen. Dringend notwendig ist auch die Absicherung der bestehenden und zukünftigen Autobahnen auf weiten Strecken, damit das Wild nicht auf die Fahrbahn gerät.

In Aita hat der Elektrozaun eine Gesamtlänge von 2200 Meter. Über Stromleiter und eine angeschlossene Stromquelle werden regelmäßig Stromimpulse an den Weidezaun abgegeben. Wenn ein Bison den Zaun berührt, erhält er einen leichten Stromschlag, der aber stark genug ist, um den Bullen dazu zu bringen, solche Kontakte zukünftig zu vermeiden. Der Zaun  muss ständig elektrisch geladen sein, weil die Tiere gelegentlich immer wieder versuchen werden, ob sie ihn nicht überwinden können. Attila sagt wie nebenbei, dass er es sogar geschafft habe, im rumänischen Fachjargon der Branche eine Korrektur einzubringen. Früher hieß es, der Zaun sei „unter Spannung” („sub tensiune”); sein Verbesserungsvorschlag, dafür „geladen” („înc˛rcat”) zu verwenden, wurde berücksichtigt.

Auf zu den Bisons

Attilas häufige Dienstreisen zwingen Orsolya Pál oft dazu, für ihren Mann bei der Bisonfütterung einzuspringen. Das ist jetzt im Winter rund jeden zweiten Tag erforderlich. Die Farm setzt ausschließlich auf Grasfütterung. Im Winter gibt es Heuballen und dazu Mineralstoffe und Salz.

Attila holt aus dem Gepäckraum des Geländewagens ein Gerät hervor, das einer Egge ohne Zinken ähnelt. Die mittlere Achse wird in den Mittelkanal des Ballens geschoben und der Heuballen-Anhänger an der  Kugelkupplung des Wagens fixiert. Die Kinder helfen dabei geschickt und unaufgefordert mit. Sie sind es, die auch das Tor zur Weideparzelle öffnen und schließen, nachdem ich auf dem Nebensitz des Geländewagens Platz nehme. Auf geht es zu den Bisons. Diese behalten ihre sprichwörtliche Gelassenheit. Es folgt ein kurzer Stopp: Attila steigt aus und durchschneidet das Spagatnetz, das den Ballen zusammen hält. Dann geht es mit dem Wagen steil den Hang bergauf, der Ballen dreht sich und lässt auf rund hundert Metern eine Heuspur hinter sich. Attila sucht jene Stellen auf, wo noch kein Heu auf diese Art gestreut wurde. Das erste Mal im Leben bin ich unter Bisons, allerdings im Wagen, wie auf einer Safari. Es ist wirklich abenteuerlich, weil so eine Gelände-Extremfahrt eben nichts Alltägliches ist.

Eine Mutterkuh scheint am Tor zu warten. Ob sie wohl wisse, dass jenseits des Zaunes ihr Futter vorbereitet werde? Attila verneint. Sie will einfach neues Weideland betreten und frischeres Gras suchen. Spätestens jeden fünften Tag kann sich die Herde, die stets zusammen bleibt, auf eine andere Weidefläche begeben. So wird eine totale Abgrasung vermieden. Ungefähr die Hälfte des Grases wird festgetreten. Mit dem Heu gelangen auch Grassamen in die Erde. Im Sommer wird so die Feuchtigkeit beibehalten und ein Austrocknen vermieden. Zudem gilt Bisonkot als natürliches Düngemittel. Zur Tänke hat die Herde jederzeit, ungehindert von Trennzäunen, freien Zugang.

Genügend Futter und Wasser, vertraute Umgebung und Ruhe – die Bisons dürften wohl wirklich „glücklich” sein, wie es sich Pál wünscht. Über Verwertung des als besonders schmackhaft geltenden Fleisches, wie auch über den Weideschuss der überzähligen Bisons spricht Attila ungern. Das sei nicht seine Sache. Die Herde gehöre inzwischen zur Familie. Für ihn habe sich ein Traum erfüllt, ein Traum an den er stets geglaubt habe und den er nicht aufgeben werde.