Hannes Gutmanns Weg durchs Sonnentor

Wer durchs Sonnentor geht, kommt ins Sonnenland – ein fantasievoller, märchenhafter Gedanke Hannes Gutmann hat ihn auf seine Art verwirklicht

Eine reiche Auswahl an Produkten

Lebensfreude gehört für Hannes Gutmann zum Leben. | Fotos: Mag. Ignazius Schmid

Kurt Kainz, einer der drei Ersten

Auch Familie Bauer war von Anfang an mit dabei.

Von weltweit kommen die Rohprodukte her.

Die Enten entsorgen die Schnecken ganz ohne Chemie.

Apothekenschrank der ältesten Grazer Stadtapotheke von 1880

Ein Sonnentor zum Freihof

Wildkräuter in voller Blüte

Der Weg vom Bauern in die Teetasse

Geboren ist Johannes Gutmann am 23. Juni 1965 als fünftes Kind einer Bauernfamilie in Brand bei Zwettl (Österreich). Nach der HAK-Matura wollte er in Wien Handelswissenschaften studieren, aber schon nach zwei Wochen hat er das Studium abgebrochen, weil es an dem, was ihm wichtig war, vorbeilief. „Ich gehöre ins Waldviertel und nicht in die Großstadt“, wusste er zudem, ganz entgegen dem Trend der 80er Jahre, wo alles in die Stadt drängte. Und er wusste auch, dass er den Bauernhof seiner Eltern nicht betreiben wollte, zu hart ist das Brot auf einem Bauernhof im Waldviertel. Und zu schlecht das Marketing der Bauern für ihre eigenen ausgezeichneten Produkte. So versuchte er einmal verschiedene Berufe, Bierverkäufer, Reiseleiter, Koordinator für landwirtschaftliche Sonderkulturen … Wie er selbst sagt: Bei zwei seiner Versuche ist er rausgeflogen, bei zweien ist er von selbst gegangen. So war er erst einmal ein halbes Jahr arbeitslos – und dann beschloss er, statt etwas Passendes zu finden, etwas Passendes zu gründen. Von klein auf lag ihm die Natur am Herzen, und es tat ihm in der Seele weh, dass so vieles an Kräutern als „Unkraut“ vernichtet und der hohe Wert nicht erkannt wurde. 

Klein angefangen

Bio, regional, nachhaltig … Das waren in den 80er Jahren noch keine breiten Anliegen. Auch seine skeptischen Eltern musste Johannes erst überzeugen, aber dann halfen sie ihm mit einer kleinen Summe als Starthilfe aus. So zog er denn mit seinen getrockneten Kräutern zu den Bauernmärkten, leistete Überzeugungsarbeit – und ließ sich als „Spinner“ belächeln. Zu übersehen war er jedenfalls nicht leicht. Sein Markenzeichen sind seit jeher die runden, rot eingefassten Brillengläser, die roten Schuhe und die uralte abgeschabte Lederhose aus dem Besitz seines Großvaters. Die ist ihm zwar ein bisschen zu groß, aber „mehr brauche ich nicht“, sagt er. 

Bald konnte er die Nachfrage nach Kräutern allein nicht mehr bewältigen und holte die ersten Bauern ins Boot: Familie Kainz aus Drösiedl, Familie Bauer aus Seyfrieds und Familie Zach aus Gebhards. Sie bauten an, was er dann bearbeitete und verkaufte, und damit füllte er die Lücke zwischen Bauern und Verkauf. Am 1. August 1988 gründete er als 23-Jähriger „Sonnentor“. Und durch dieses geht er nun seit dreißig Jahren in sein Sonnenland – und auch seine indessen 500 Mitarbeiter und tausende Kunden, die durch seine Produkte Wohlbefinden und Lebensfreude finden. 

Die Erkenntnis, dass die Natur in geschlossenen Kreisläufen arbeitet, in die sich der Mensch mit Vorsicht einschalten kann, ohne sie einseitig auszunützen, und dass die Natur weltweit viel Wertvolles zu bieten hat, ist seine erfolgreiche Philosophie. Vieles, was bei uns nicht wächst – wie zum Beispiel Kaffee und Kakao –, und manches, was oft nur regional bekannt ist, ließ ihn sein Programm ausweiten, wertvolle Tees, Gewürze und Kräuter auch aus anderen Ländern prüfen und einbeziehen, unter Beachtung und Kontrolle biologischer Arbeitsweisen und fairer Lieferbedingungen. So können auch diese Menschen gut leben und sind nicht nur ausgebeutete Lieferanten von Rohprodukten. 

Vielfältige Zusammenarbeit

Nach dreißig Jahren ist daraus ein Angebot von 900 Produkten, sind Niederlassungen an 27 Standorten in Österreich geworden, dazu ein knappes weiteres Dutzend in Deutschland und Tschechien. Mit 200 Bauern aus Österreich und mit über tausend Bauern und Bäuerinnen aus vielen Ländern dieser Welt – neben Europa aus Afrika, Asien, Neuseeland, Mittel- und Südamerika – bestehen persönliche Kontakte, um kontrollierte Bio-Rohprodukte zu beziehen. Johannes hält viele tausend Rädchen im erfolgreichen Zusammenspiel am Laufen. Sein Credo ist: Man muss Kontakte pflegen, daran muss man Freude haben, und da darf einem der Einsatz nicht zu viel werden … Und wie bei vielen erfolgreichen Menschen steht die Fantasie nie still, und die Ideen sprießen … Vielleicht ist es mit den Ideen so wie mit den Tauben: Dort, wo welche sind, fliegen neue zu. 

Heute ist das Zentrum seiner Unternehmung in Sprögnitz bei Zwettl. Hier werden die Rohprodukte angekauft, gereinigt und aufbereitet, sortiert, verpackt und versendet. Von den gesamt drei Hektar Grund sind 1,6 Hektar verbaut, mit Arbeits- und Lagerhallen, Verkaufslokal Hofladen und Bürotrakt. Angeschlossen ist der Bio-Bauernhof Frei-Hof mit sieben Hektar. Damit zeigt Sonnentor, dass auch klein strukturierte Landwirtschaften im Kreislauf der Natur funktionieren und auf chemische Hilfsmittel verzichten können. 

Die Fläche des Frei-Hofs wird permakulturell bewirtschaftet. „Perma“ ist den meisten Menschen im Zusammenhang mit Permafrost in Sibirien bekannt. „Permakultur“ setzt sich aus „permanent“ für dauerhaft und nachhaltig, und „Agrikultur“ für Landwirtschaft zusammen. Es ist ein geschlossenes Ökosystem, in dem die Fläche bestmöglich genutzt wird. Mehrjährige Pflanzen werden in dieser Mischkultur bevorzugt, es darf wachsen, was zusammenpasst und was sich wohlfühlt. Pflanzen, die sich mögen, sorgen füreinander, und der Mensch muss weniger eingreifen – vergleichsweise eine „antiautoritäre Landwirtschaft“. Wildsträucher, Wiesen und Teiche schaffen Lebensraum für Wildtiere, Bienen und Insekten. Die Natur holt sich, was sie braucht, und gibt, was sie hat. Der Ertrag des Frei-Hofs dient der Selbstversorgung, liefert die Rohprodukte für die Betriebsküche, die den Mitarbeitern eine warme, gesunde Mahlzeit bietet, und für den angeschlossenen Bio-Gasthof. 

Wer länger die Atmosphäre der Natur genießen will, kann sich ein Sonnentor-Land-Loft mieten. Das sind zwei kleine Holzhäuschen, „Anna Apfelminze“ und „Hans Hagebutte“ genannt, 31 Quadratmeter groß, mitten in der Natur, mit gemütlicher Einrichtung, mit händisch zu heizendem Ofen, für den das Holz vor der Tür gestapelt ist und gehackt werden will. Auch geführte Wanderungen gibt es, Koch- und Handwerkskurse, Kräuterseminare, in den Kräuterhallen schnuppern und den Bauernhof besuchen. Nichts steht isoliert da – eine gelungene Auszeit im Kreislauf der Natur. 

Wegwerfen? – Gibt’s nicht!

In der Natur wird nichts weggeworfen, es hat alles seine Verwendung, seinen Sinn. So ist es auch bei nachhaltigem Wirtschaften. Sogar bei der Einrichtung des Ladens hat sich das Prinzip bewährt: ein Teil des großen, historischen Apothekerschrankes aus dem Jahr 1880, von der Hirschen-Apotheke in Graz, der ehemaligen Hofapotheke von Erzherzog Karl II., wurde übernommen, fachgerecht restauriert und im Hof-Laden von Sprögnitz aufgebaut. Und der zweite Teil des historischen Möbels? Er ging wieder nach Graz zurück, in den dortigen Sonnentor-Laden, und vermittelt dort das Flair von alters her übernommenen Wissens über die Natur. 

Familie ist Hannes Gutmann wichtig – er hat zwei davon. Mit der ersten Frau hat er zwei erwachsene Kinder. Die Freundschaft blieb erhalten, aber ihr ging die Entwicklung des Unternehmens zu schnell, das war nicht mehr ihres. 

Mit der zweiten Frau, einer gelernten Kindergärtnerin, hat er drei kleine Kinder. Sie sind alle einbezogen in die Sonnentor-Philosophie und interessieren sich schon dafür, was ringsum wächst und gedeiht. 

Aus der Erkenntnis, dass Familie und die heimatlichen Wurzeln zum Wichtigsten im Leben gehören, hat sich Hannes aus dem rein operativen Geschäft zurückgezogen. Damit kann er sich auch vermehrt den weltweiten Kontakten widmen und viele Ideen weiterentwickeln, behält den Überblick und bleibt „das Gesicht zur Marke“. Seine vielen Mitarbeiter sind motiviert und glücklich, sich gemeinsam für eine sinnvolle Arbeit einsetzen zu können. 

So viel Anerkennung, wie Menschen dieses Schlages verdienen, hat unsereins gar nicht im Köcher…