Hans Otto Roth zum Gedenken

Der bedeutende Politiker der deutschen Minderheit starb vor 70 Jahren im Gefängnis

Am Rednerpult | Fotos: Privatarchiv Dr. Maria Luise Roth-Höppner

Porträt Hans Otto Roth

Am 1. April jähren sich 70 Jahre seit dem Tod von Hans Otto Roth. Er starb vermutlich im Arbeitslager Ghencea in Bukarest an Nierenversagen. Seine Familie erfuhr erst Monate später von seinem Ableben. Am Bergfriedhof in Schäßburg/Sighișoara steht sein leeres Grab, wo sich seine sterblichen Überreste befinden, ist nicht bekannt. Zum Zeitpunkt des Todes war er keine 63 Jahre alt.
  
Hans Otto Roth war am 15. April 1952 in seiner Wohnung in Hermannstadt/Sibiu verhaftet worden. Wegen „Tätigkeit in der Deutschen Volksgruppe in Rumänien (DViR)“ sowie als ehemaliger Abgeordneter und Senator, das heißt Mitglied im Parlament Rumäniens, in dem er die deutsche Minderheit in der Zwischenkriegszeit vertreten hat. In der DViR hat er nie gewirkt, die NS-nahe politische Organisation „Deutsche Volksgruppe“ wurde in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg von der Securitate der deutschen Gemeinschaft jedoch gleichgesetzt. Während der letzten Terrorwelle vor Stalins Tod brachte die Securitate auch bis dahin nicht inhaftierte Politiker und Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft der Zwischenkriegszeit ins Gefängnis oder Arbeitslager. Hans Otto Roth wurden – da ihm kein Vergehen angeheftet werden konnte – am 5. Juli 1952 aufgrund der Verfügung des Ministeriums für Staatssicherheit 24 Monate Arbeitskolonie aufgebrummt. 

In der Nacht vor Roths Festnahme war ebenfalls in Hermannstadt der andere bedeutende rumäniendeutsche Politiker, Rudolf Brandsch, verhaftet worden. Er starb im Gefängnisspital Văcărești am 17. September 1953. Von beiden hatte Gavril(ă) Birtaș, der Leiter der Direktion Inlandsüberwachung der Securitate, im Februar 1952 vom Regionsamt Hermannstadt der Securitate eine detaillierte Akte angefordert. Auf dem Bericht über Roth, der mit dem Vorschlag endet, ihn zu verhaften, da er Einfluss habe unter den Deutschen in Rumänien sowie wegen seiner politischen Tätigkeit, befindet sich ein handschriftlicher Vermerk von Birtaș. 

Die Persönlichkeit H. O. Roth

Hans Otto Roth wurde am 29. April 1890 in Schäßburg geboren und studierte Rechtswissenschaften in Budapest, Wien, Berlin und Zürich. Nach der Promotion arbeitete er zunächst in einem Anwaltsbüro in Budapest, vertrat jedoch bereits als 26-Jähriger den Schäßburger Wahlkreis im Parlament in Budapest. Nach der Ableistung des Militärdienstes gehörte er von Frühjahr 1917 bis Herbst 1918 der Redaktionsleitung des Siebenbürgisch-Deutschen Tageblattes in Hermannstadt an. Danach war er Hauptanwalt des Deutsch-Sächsischen Nationalrates (später Volksrates) und als Mitglied dessen sogenanntem „Fünferausschusses“ maßgeblich an den Gesprächen und Beschlüssen betreffend den Beitritt der Siebenbürger Sachsen zu Großrumänien beteiligt. Auch gehörte er der Delegation an, die König Ferdinand II. und der Regierung in Bukarest die „Mediascher Anschlusserklärung“ (die Beitrittserklärung der Siebenbürger Sachsen zu Großrumänien) vom 8. Januar 1919 überreichte. Im November 1919 war er Verfasser und Berichterstatter des neuen Sächsischen Volksprogrammes am Sachsentag in Schäßburg. Er vertrat die deutsche Minderheit seit November 1919 als Abgeordneter im Parlament Rumäniens, aufgrund seiner zehn aufeinanderfolgenden Mandate wurde er im Februar 1938 zum lebenslänglichen Mitglied des Rumänischen Senats ernannt. Als Vertreter des sächsisch-konservativen Bürger- und Unternehmertums sowie brillanter Jurist war er u. a. Präsident der Hermannstädter allgemeinen Sparkassa sowie Vorsitzender des Verwaltungsrates des Elektrizitätswerkes in Hermannstadt. Seit 1926 gehörte er dem Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien an und war zwischen 1932-1949 deren Landeskirchenkurator. 

Als Politiker war er stets bemüht, alle deutschen Siedlergruppen in Großrumänien zu repräsentieren. Er war der Verfasser der Satzungen des Verbandes der Deutschen in Rumänien und vertrat sie auf den Tagungen des Verbandes der Deutschen Volksgruppen in Europa – dessen Vorsitzender er zwischen 1932-1935 war – sowie beim Europäischen Nationalitätenkongress. Als Präsident des Verbandes deutscher Volksgruppen wurde er am 15. Juni 1933 bei Hitler vorstellig und versuchte ihn auf die Konsequenzen der Diskriminierung der Juden für die damals etwa 10 Millionen jenseits der Grenzen des Deutschen Reiches lebenden Deutschen hinzuweisen. Im Land hatte H. O. Roth bereits Anfang der 1930er-Jahre Meinungsverschiedenheiten mit den sich unter dem Einfluss Deutschlands radikalisierenden Vertretern insbesondere der jungen Siebenbürger Sachsen, die ihn bald auch öffentlich als „Volksverräter“ abstempelten. Der Konflikt mit Volksgruppenführer Andreas Schmidt endete mit dem Ausschluss Roths aus der DViR im Jahr 1943. 

Im Parlament Rumäniens war H. O. Roth der Sprecher der in der „Deutschen Partei“ vereinten Vertreter der deutschen Minderheit bis 1938. Bei den Wahlen 1920 trat der Verband der Deutschen in Rumänien mit separaten Listen an und setzte sich dadurch den Angriffen der Parteien aus. Künftighin wurde ein Wahlbündnis mit der (die Wahlen durchführenden) Regierungspartei geschlossen. Es war der von Roth eingeschlagene Weg, da ihm bewusst war, dass zugunsten der deutschen Minderheit aus der Opposition nichts hätte erreicht werden können. Das Bündnis galt jedoch nur für die Wahlperiode, im Parlament stimmten sie unabhängig ab. Auf die Empfindsamkeiten der rumänischen Politiker bedacht, vertrat Roth in seinen Diskursen stets die vorbehaltslose Anerkennung des rumänischen Staates. In seiner aktiven Teilnahme am parlamentarischen Leben wollte er gleichermaßen zur Lösung der Probleme der Gesamtbevölkerung wie den Bemühungen um die Zuerkennung der Gruppenrechte für die Minderheiten beitragen. Roth war wiederholt bei Ministerdesignationen in Erwägung gezogen worden, 1940 zum Minderheitenminister im Kabinett Gigurtu ernannt, nahm er das Amt jedoch angesichts des rechtsradikalen Kurses der rumänischen Regierungen nicht an.

Nach dem Bündniswechsel Rumäniens am 23. August 1944 verfasste Roth angesichts der allgemeinen Wirren im Land und insbesondere unter den Deutschen den am 1. September 1944 erschienenen Aufruf an die Sachsen und Schwaben, das Land nicht zu verlassen und mahnte zu Ruhe und Besonnenheit. Er unterzeichnete als „Präsident“ der Volksgemeinschaft, ein Titel, den seine Widersacher als Anmaßung betrachteten. Zusammen mit anderen einstigen Politikern und Vertretern der deutschen Minderheit sprach er in den folgenden Monaten bei rumänischen Politikern vor – die er aus der gemeinsamen Parlamentszeit kannte – um sie zu überzeugen, die Bestrafungsmaßnahmen differenziert gegen jene anzuwenden, die tatsächlich in der DViR aktiv gewesen waren und nicht pauschal gegen die gesamte deutsche Gemeinschaft. Er verfasste Denkschriften und reklamierte die Übergriffe, er versicherte die neuen Machthaber der Loyalität und versuchte auch bei der sowjetischen Delegation im Land zu intervenieren. Erfolglos, wie man weiß. Seine Bemühungen hatten zur Folge, dass die sich unter sowjetischer Anleitung umorganisierenden „Sicherheitsorgane“ begannen, ihn durch instrumentalisierte Personen auszuschalten.  

Die Ausschaltung

Wie alle Politiker, so hatte auch H. O. Roth unter der Beobachtung der Siguranța gestanden. Die Securitate übernahm deren Berichte über seine Haltung der DViR gegenüber, sie wurden jedoch ignoriert angesichts der Anordnung, ihn als einstigen bürgerlichen Politiker aus dem Weg zu schaffen. Auch, dass er sich vor Hitler gegen dessen Judendiskriminierung ausgesprochen hatte, war unwichtig, bedeutungsvoll war für die Offiziere, dass er bei Hitler gewesen war. 

Verhaftet wurde Roth erstmals 1948 (zusammen mit anderen einstigen Aktieninhabern der Hermannstädter allgemeinen Sparkassa) und wegen vermeintlicher Nichtanmeldung privater Sparkassa-Aktien zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Prozess und Urteil verhinderten seine erneute Kandidatur für das Amt des Landeskirchenkurators.

1950 wurde das Haus der Familie Roth in der Friedenfelsgasse/Constantin Noica – damals Moscovei-Straße – enteignet, die Familie wurde in ein Zimmer in einem Haus mit mehreren Bewohnern in der Negruzzi-Straße gebracht. Im Bemühen, der Familie ein Einkommen zu sichern, belegte er einen Buchhalterkurs, fand jedoch keine Anstellung und musste sich weiterhin von Gelegenheitsarbeiten oder dank der Unterstützung von Freunden über Wasser halten. Beschattet wurde H. O. Roth 1950 zum ersten Mal, 1952 dann erneut und schließlich verhaftet. 

Dass er in ein Arbeitslager gelangen sollte, scheint recht bald festgestanden zu haben: Verhört wurde H. O. Roth im April, am 30. Mai sandte das Regionsamt das Untersuchungsergebnis nach Bukarest, von dort traf der am 5. Juli gefasste Beschluss über seine administrative Verwahrung in einer Arbeitseinheit für 24 Monate und die Anordnung, ihn in das Durchgangszentrum nach Bukarest zu schicken, am 21. Juli ein. Dort trifft Hans Otto Roth – den Berichten aus seiner Securitate-Akte zufolge – am 2. August 1952 ein. Acht Monate später war er tot.