„Ich wünsche mir, dass die rumäniendeutsche Literatur weiterhin stark bleibt“

Interview mit der „Stafette“-Leiterin Henrike Brădiceanu-Persem

Henrike Brădiceanu-Persem.
Foto: privat

Infomaterial des Literaturkreises Stafette bei Veranstaltungen der Deutschen Minderheit in Rumänien sowie in Mittel- und Osteuropa

Der Literaturkreis Stafette veröffentlicht jedes Jahr einen Sammelband mit den Texten seiner Mitglieder.
Fotos: der Verfasser

Seit Anfang der 1990er Jahre bemüht sich der deutschsprachige Literaturkreis „Stafette“ aus Temeswar, kreatives Schreiben in deutscher Sprache zu fördern und dadurch das Fortbestehen rumäniendeutscher Literatur im Banat zu sichern. Der von der rumäniendeutschen Kunsthistorikerin und Schriftstellerin Dr. Annemarie Podlipny-Hehn gegründete Literaturkreis zeigte sich immer offen gegenüber allen Interessierten –  weshalb zu den Mitgliedern sowohl anerkannte Schriftsteller als auch Hobbyschreiber, sowohl Senioren als auch Schüler zählten und zählen. ADZ-Redakteur Robert Tari sprach mit der Leiterin des Literaturkreises, Henrike Brădiceanu-Persem, über Herausforderungen, Zukunftspläne, die Corona-Pandemie sowie den eigenen schriftstellerischen Aspirationen.

Was sind die Herausforderungen eines deutschsprachigen Literaturkreises außerhalb des deutschsprachigen Raums?

Der Literaturkreis „Stafette“ wurde in Temeswar gegründet. Daher befinden wir uns zwar außerhalb des Raumes Deutschland-Österreich-Schweiz, aber auch in Temeswar und generell in Rumänien haben wir noch unseren deutschsprachigen Raum. Die Herausforderung besteht darin, diesen aufrechtzuerhalten. 

Die Entwicklungen in unserem Land haben sehr viele Menschen dazu bewegt, auszuwandern. Das hat auch die deutsche Minderheit betroffen. Das spürt man auf allen Ebenen, in der die deutsche Minderheit aktiv ist, von Kindergärten bis Universitäten und allgemein in den kulturellen Einrichtungen. Es ist schwierig, einen aktiven jungen Kern beizubehalten, weil die jungen Leute, die bei uns mitmachen, sehr oft nach Abschluss der Schule oder des Studiums auswandern. 

Der feste Kern besteht daher aus Mitgliedern, die über 30 Jahre alt sind, solche von uns, die es sich zumuten, den Realitäten unseres Landes von hier aus standzuhalten und auch kulturell etwas zu leisten. Wir sind eine Gruppe von engagierten Menschen, die einen Teil ihrer Freizeit dafür nutzen, die deutsche Sprache zu pflegen. Wir schreiben, treffen uns (in dieser Zeit nach Möglichkeit), besprechen unsere Texte, und das im Laufe des Jahres entstandene Material wird in einem „Stafette“-Sammelband zusammengefasst. 

Da wir nicht in einem deutschsprachigen Land leben, ist das Publikum, das zu unseren Lesungen kommt, nicht so zahlreich. Die Leserschaft befindet sich teils auch im Ausland. Grundsätzlich ist aber unser Literaturkreis ein Beweis dafür, dass es noch Deutsche in Rumänien gibt, die das Spracherbe pflegen. Wir sind Hobby-Schriftsteller. Wir schreiben in unserer Freizeit. Daher sind vielleicht einige Projekte schwieriger zu veranstalten. Denn jeder von uns macht mehrere Sachen, und dann fehlt  den Mitgliedern oft die Zeit, sich intensiver damit zu beschäftigen, Veranstaltungen zu organisieren oder an verschiedenen Lesungen oder Ausfahrten teilzunehmen.

Sie sind selbst Schriftstellerin. Was hat Sie persönlich dazu bewegt, Deutsch als Ausdruckssprache auszuwählen?

Deutsch ist meine Muttersprache. Angesichts der Tatsache, dass ich schon als Kind zu schreiben anfing, schien es mir selbstverständlich, dies in meiner Muttersprache zu tun. 

Mittlerweile hat es sich auch so ergeben, dass ich dies als meinen kleinen persönlichen Beitrag betrachte, das Deutschtum in Rumänien weiterhin zu pflegen. Und es fällt mir am leichtesten, mich so auszudrücken, „wie mir der Schnabel gewachsen ist.“ Und es gibt ja so viele schöne Wortspiele in der deutschen Sprache.

Woran arbeiten Sie gerade?

Ich arbeite an (zu) vielem in meinem Kopf und manchmal an nichts. Ich habe mehrere Projekte, die ich schon seit Jahren durchkaue und auch durchziehen will, allerdings, wie schon angedeutet, fehlt oft die Zeit und die Ruhe, sich mal hinzusetzen und alle Ideen aufs Papier zu bringen. Ich möchte da einen Textband mit etwas düsteren, aber auch positiv geprägten Texten erarbeiten, und Kindergeschichten habe ich schon so lange in der Mache, dass ich schon vor mir sehe, wie das Buch aussehen könnte. Aber bis ich es in der Hand halte, muss ich noch so einiges leisten.

Können Sie mir etwas über die aktuellen Mitglieder sagen? Wer ist an dem Literaturkreis interessiert?

Die aktuellen Mitglieder sind Kollegen und Freunde, die schon jahrelang mitmachen. Im letzten Jahr war es etwas schwieriger, neue Mitglieder anzuwerben. Diese kommen gewöhnlich von den deutschsprachigen Schulen oder von der Uni. 

Allerdings sind jetzt einige „Stafette“-Mitglieder an der Uni intensiv mit der deutschen Studentenzeitung beschäftigt, sodass die „Stafette“ dann zu kurz kommt. Aber wir freuen uns, dass sie das Schreiben auf diese Weise auf die nächste Stufe bringen. 

Als Mitglieder der „Stafette“ betrachten wir sowohl diejenigen, die aktuell aktiv mitmachen, wie auch diejenigen, die vor Jahren dabei waren, sich aber immer noch gerne an die Zeit im Kreis erinnern und sich auch dazu bekennen. 

Das sind also entweder Deutsch-stämmige, die Freude am Schreiben haben, oder aber Leute, die es vorziehen, in ihrer Bildungssprache Deutsch zu schreiben, auch wenn sie keinen deutschen Hintergrund haben. Die Teilnahme von Schülern, die es mögen, ihre Ideen in Deutsch niederzuschreiben und dann von ihren Lehrern auf unseren Kreis aufmerksam gemacht werden, freut uns besonders.

Wie hat die Pandemie die Tätigkeit des Literaturkreises beeinträchtigt? 

Unsere Tätigkeit in dieser Zeit hat stark abgenommen. Die Mitglieder waren der Ansicht, dass Online-Treffen nicht wirklich das sind, was sie sich wünschten. Durch die aktuelle Gegebenheit waren aber physische Treffen eher selten, dafür aber sehr beherzt. 

Wir freuen uns, dass wir im August Schriftsteller von nah und fern im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar begrüßen durften, ein Lesemarathon, von dem Zeitung und Radio ja auch berichtet haben. Dann war auch die Teilnahme an den Reschitzaer Literaturtagen ein sehr erwartetes und gelungenes Ereignis, an dem einige Mitglieder auch in diesem Jahr teilnehmen konnten.

Welche sind die Projekte, die für das kommende Jahr geplant sind?

Ich möchte vorerst noch ein Geburtstagstreffen der „Stafette“ in die Wege leiten, unser Kreis wird 29 Jahre alt. Und dann natürlich möchte ich im nächsten Jahr im Dezember vor allem eine schöne Veranstaltung zum 30-jährigen Bestehen organisieren. Abhängig auch von den gesundheitlichen Entwicklungen wären ein Schreibwettbewerb, Lesereisen und die Auffrischung der Verbindung mit älteren oder neueren Freunden des Literaturkreises eine Genugtuung. Die Pandemie hat uns aber gezeigt, dass eifriges Planen, das ja der Schlüssel zu erfolgreichen Ereignissen ist, nicht reicht, um Pläne auch tatsächlich wie gewünscht umsetzen zu können. Also hoffe ich vorerst, dass unser Land gesünder wird, sodass wir bald wieder unseren kleinen Freuden, Hobbys und Beschäftigungen wie gewohnt nachgehen können.

Was sehen Sie als Hauptaufgabe des Literaturkreises?

Ich sehe es als unsere Hauptaufgabe, ein Zeichen zu setzen, dass die deutsche Minderheit in Rumänien noch besteht und viel bewirken kann. Dass auch eine schrumpfende Anzahl von Mitgliedern einer Gemeinschaft eine Stimme hat, die sich in vielen Bereichen durchsetzen kann, in unserem Fall im schriftlichen Wort. Dass wir nicht in der Vergangenheit schwelgen, als alles noch „ach so schön“ war, sondern dass wir modern schreiben und so das Temeswarer Kulturbild vervollständigen können.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für den Literaturkreis bzw. für die rumäniendeutsche Literatur wünschen?

Ich wünsche mir, dass der Literaturkreis und generell die rumäniendeutsche Literatur weiterhin stark bleiben. Ich würde gerne in der „Stafette“ mehr neue Mitglieder begrüßen können und generell mehr Zeit und Energie aufbringen, um mehr interessante Begegnungen und Ereignisse zu organisieren. Außerdem wünsche ich mir, dass sich auch weiterhin Leute bereit erklären, sich für das Fortbestehen und die Stärkung der existierenden Kultur- und Förder-einrichtungen einzusetzen. Wir haben landesweit so viele Menschen, die Berge versetzen, und ihnen allen möchte ich einen herzlichen Dank aussprechen. 

Und all denjenigen, die Interesse an den Tätigkeiten und den Texten der „Stafette“ haben, empfehle ich, unsere Sammelbände zu lesen, unsere Beiträge in der Zeitung zu verfolgen und vielleicht ab und zu auch unsere Facebook-Seite zu besuchen (facebook.com/stafet tetm). Vielen Dank für Ihre Unterstützung! Und wenn Sie ebenso wie wir Freude am Schreiben haben, laden wir Sie ein, bei der „Stafette“ mitzumachen.