Immer schlechter, immer teurer

Lohnt sich ein Urlaub an der Schwarzmeerküste noch?

Am Strand von Vama Vechev
Foto: die Verfasserin

60 Lei. So viel kostet in diesem Sommer eine Pizza in einem kleinen Restaurant mit bunten Stühlen direkt neben der Strandpromenade in Vama Veche. „Etwas teuer“, muss man leider feststellen. Doch überall ist es in diesem Sommer teuer geworden. Und die Beilagen, so wie sie im Menü vorgestellt werden, klingen nach einem leckeren und gesunden Mittagessen, das perfekt ist nach einer langen Reise: Büffel-Mozzarella, frisches Basilikum, Cherry-Tomaten. Dass man nicht alles glauben soll, was in den Restaurant-Menüs der rumänischen Schwarzmeerküste steht, sollten alle Touristen schon längst wissen: Als die Pizzas gebracht werden, stellen wir fest, dass darauf ein paar Würfel billiger Lidl-Käse, ein paar Scheiben unreife Tomaten und getrocknetes Basilikum-Gewürz liegen. Dazu ist die Kruste verbrannt und kaum essbar. Der höchstens 15-jährige Kellner (in den Restaurants der Schwarzmeerküste arbeiten in den Sommermonaten viele Schüler und Studenten für den Mindestlohn) zuckt mit den Schultern. Nein, der Restaurant-Manager ist nicht da, sagt er. Aber er kann uns andere Pizzas bringen. Die neuen sind ebenfalls etwas verbrannt, aber der Hunger siegt über die Enttäuschung. Wir essen die verbrannten Pizzas auf der fast menschenleeren Terrasse und gehen an den Strand.

„In keinem Jahr gab es so wenige Touristen wie in diesem Sommer, nicht einmal in den Corona-Sommern“, hatte uns Manuela, die Inhaberin der Pension, wo wir untergebracht sind, erklärt. Das ist nicht gut, doch es freut uns. In den letzten Jahren konnte man sich während der Wochenenden auf den zwei Hauptstraßen der Ortschaft kaum bewegen, so riesig waren die Menschenmengen. Laut Daten des Tourismusministeriums handelt es sich bei 95 Prozent der Touristen, die die rumänische Schwarzmeerküste besuchen, um Rumänen. Für Ausländer scheinen die Ortschaften Mamaia, Costinești, Eforie oder Vama Veche eher uninteressant zu sein. Vielleicht, weil es hier nur wenige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung gibt, außer am Strand zu liegen und im Meer zu schwimmen. Oder weil es keine Werbekampagne für die Ortschaften am Schwarzen Meer im Ausland gibt.

„Manche sagen, dass die Rumänen nach Auslaufen der Corona-Einreise-Regeln endlich wieder Urlaub in Bulgarien oder Griechenland machen. Andere sagen, sie haben endlich gemerkt, dass Urlaub im eigenen Land teurer ist. Ich würde eher behaupten, die Leute haben kein mehr Geld für Urlaub. Nach den Preiserhöhungen für Heizung, Elektrizität, Benzin und Nahrung leisten es sich immer weniger Menschen, ein paar Tage am Meer zu verbringen“, meint die Gaststättenbetreiberin. Der Preis eines Doppelzimmers unter der Woche beträgt in ihrer Pension 200 Lei, letztes Jahr musste man dafür 150 Lei zahlen. Es ist eine der preiswertesten Unterkünfte in Vama Veche, dem „Dorf, das niemals schläft“, über das Romane geschrieben und Songs komponiert wurden. Die teuerste kostet im September 600 Lei pro Nacht (ohne Frühstück). Mit einem rumänischen Netto-Durchschnittsgehalt kann man genau sechs Mal hier übernachten.

Doch nicht nur über Nacht braucht man ein Bett, sondern auch während des Tages. Wer vorhat, den ganzen Tag am Strand zu verbringen und sich vor den gefährlichen Sonnenstrahlen schützen will, braucht einen Liegestuhl und einen Sonnenschirm. Das kostet 50 Lei pro Person pro Tag, also 100 Lei für zwei Liegestühle, zwei Matratzen und einen Sonnenschirm. An vielen Orten sind die besser gelegenen Liegestühle per App schon eine Woche im Voraus gebucht, also muss man in den hinteren Reihen liegen.

50 Lei pro Tag ist nicht einmal viel: In Mamaia soll es einen Privatstrand geben, wo es 200 Lei pro Tag kostet, auf seinem eigenen Handtuch neben dem Wasser zu liegen. Das soll eine Strategie sein, um Touristen, die keinen Liegestuhl mieten, vom Strand wegzuscheuchen. „Unglaublich! Wie viel ein Rumäne für ein Bier in Mamaia zahlen musste“ – solche Titel gab es am Sommeranfang fast jeden Tag in der rumänischen Presse.

Doch nachdem die Inhaber von Hotels, Restaurants und Pensionen traurig festgestellt haben, dass die Touristenzahl immer mehr sinkt, kann man nun folgende Titel lesen: „Wie eine rumänische Familie in Bulgarien betrogen wurde“, „Wie teuer Griechenland geworden ist“, „Fünf Gründe, um in diesem Jahr nicht nach Thassos zu fahren“. Doch nicht nur die Boulevardpresse ist voll von Artikeln, in denen den Rumänen von einem Urlaub in Griechenland oder Bulgarien abgeraten wird. In der Zeitschrift „Dilema Veche“ las ich vor Kurzem von einer Redakteurin, die bei ihrer Rückkehr aus Albanien zwei Tage lang in der Ortschaft Paralia Katerini am Fuße des Olympus verbracht hat. Schlechtes Essen, Kellner und Hoteliers, die ihre Kunden betrügen und schlecht behandeln, Müll am Strand, laute Musik überall, hohe Preise, schmutziges Wasser – es schien, als ob es eine Reportage über Costinești war und nicht über eine Ferienortschaft in Griechenland, die bei den Rumänen beliebt ist. Zwar hat sich hier schon seit über zehn Jahren alles zum Schlechten gewandelt, doch es ist kaum zu glauben, dass es wirklich so schlimm ist, wie es die Journalistin geschildert hat.

Kommen wir auf die rumänische Schwarzmeerküste zurück: Viele klagen, dass es dort immer teurer und schlechter ist, aber man fährt trotzdem hin, wenigstens für ein Wochenende. Obwohl man sich dauernd ärgert. Man ärgert sich, dass das Meer voller Algen und Steine ist, man ärgert sich, dass  am Strand Schmutz liegt, man ärgert sich über die kitschigen Kiosks, wo billige China-Ware aus Plastik verkauft wird, man ärgert sich, weil am Strand dauernd mindestens sechs verschiedene Songs aus zwölf verschiedenen Lautsprechern ertönen. Und man ärgert sich natürlich, dass eine klitzekleine Scheibe Zitrone, die man zum Fisch bestellt, 3 Lei kostet. Es gibt aber Schlimmeres. Im Juli kursierte das Gerücht, dass ein Tourist auf einer Terrasse in Mamaia einen Wein bestellte und dazu Eiswürfel. Am Ende kam die Rechnung, er musste 10 Lei für die Eiswürfel zahlen. Ob die Geschichte wirklich wahr ist, oder nur eine Schwarzmeer-Anekdote, ist eigentlich nicht wichtig: Weil die Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich so passiert ist, sehr hoch ist.