Impfzauderer

Symbolbild: pixabay.com

Es ist zu einfach, aus der hohen Zahl der Impfverweigerer (50 Prozent der Lehrer, 40 Prozent der Hochschullehrer, 43 Prozent der Reschitzaer Ärzteschaft) zu schließen, dass Verschwörungsmythen der Grund für das Misstrauen gegenüber einer willkommenen und bisher in der Menschheitsgeschichte einzigartigen Maßnahme zur Massenimmunisierung gegen einen aggressiven Virus sind. Dass sich jüngst Bill Gates vor laufender Kamera impfen ließ, kann kein schlagender Beweis dafür sein, dass er sich mit der Impfung einen Chip einpflanzen ließ…

Einerseits ist klar, dass mit dem neuartigen Impfstoff, der von den Biontech-Gründern Özlem Türeci und Ugur Șahin entwickelt wurde, zwei Deutsche mit türkischen Wurzeln, völlig neue Wege im Heilwesen gegangen sein können. Türeci und Șahin sind ein Mainzer Forscherehepaar, das sich im „Spiegel“ – quasi als Selbstdefinition – für „zu 100 Prozent Forscher und zu 70 Prozent Unternehmer“ bezeichnet, wobei ihre Firma Biontech heute einen Börsenwert von 17,4 Milliarden Euro hat und damit an sechster Stelle in der Welt liegt.

Sie haben die – unterschwellig in unseren Köpfen schwelenden – alten Bedeutungen des griechischen „Pharmakon“ gesprengt. Es sind deren drei: a) Stoff oder Stoffgemisch, das die Vitalfunktionen von Zellen, Zellgeweben, Organen oder Organismen (positiv oder negativ) beeinflusst; b) Stoff, der zu therapeutischen, diagnostischen oder prophylaktischen Zwecken eingesetzt wird, um eine Heilwirkung anzupeilen; und c) Zauber- oder Liebestrank (!).

Diese werden von den „gezähmten und gezielt eingesetzten“ Botenstoffen zur „immunologischen Kontrolle der Viren“ von Biontech (und, in ihrem Gefolge, auch Moderna usw.) teilersetzt und vervollständigt. Diese Botenstoffe – die in naher Zukunft, laut Ankündigung von Frau Prof. Dr. Özlem Türeci, leicht modifiziert, auch gegen Krebszellen eingesetzt werden – arbeiten auf einer Ebene, zu deren Wirkungsweise und Verständnis Fachbildung gehört. Die wir alle, Impfbefürworter oder -gegner, nicht haben. Daher eine der Wurzeln des Misstrauens.
Was man nicht versteht, lehnt man „zur Sicherheit“ ab.

Die andere Wurzel liegt direkt in der Bedeutung von Pharmakon, sieht man von „Liebestrank“ ab (Vertrauen braucht man auch in dessen Wirkung…). Derselbe „Stoff oder das Stoffgemisch“ kann die „Vitalfunktionen“ positiv oder negativ beeinflussen. In dieser Dualität der Wirkung – zum Guten oder zum Fatalen – dürfte das Hauptproblem in der Perzeption des Covid-Impfstoffs in den Reihen der Normalbürger liegen („Normalbürger“ ist kein Werturteil über die anfangs zitierten Lehrer, Hochschullehrkräfte oder Reschitzaer Ärzteschaft, die sich als Impfwillige oder -gegner entpuppten). 

Evolutionsbiologen haben schon lange festgestellt, dass die politische Ausrichtung, ob fortschrittlich oder konservativ, teilweise auch genetisch bedingt ist, und dass diese genetische Bestimmung abgeändert werden kann durch Persuasion, also gezielte Beeinflussung, oder aber durch Selbststudium, also Bildung. Grundsätzlich seien die genetisch „fortschrittlich“ geprägten Menschen fürs Impfen, die „Konservativen“ dagegen. Impfbefürworter haben Vertrauen in die versprochene Wirkung, den anderen fehlt es.

Schlussendlich: Viele Impfgegner bezeugen, dass der Staat (und die Europäische Union) organisatorisch, in der Transparenz ihrer Entscheidungen, in der Durchführung von Maßnahmen versagt und den Verschwörungsanhängern das Feld überlassen hat. Das griechische „Pharmakon“, ursprünglich „Heilmittel“ und „Gift“, ist vom Staat (der dafür viel Geld mit wenig Wissen rausgeschmissen hat) erst missverstandenworden, um dann mittels läppischer Werbung – mit allerhand „Wunderdoktoren“, die sich impfen ließen, mit Filmschnitzeln von der Idylle häuslichen Lebens, das durchs Impfen erhalten wird, usw. – verhunzt zu werden. 

Die Impf-Zauderer sind auch ein Armutszeugnis der Regierungskoalition PNL/USR-PLUS/UDMR.