„In der Sonne Siebenbürgens versuchen, gut und gütig zu sein“

Dankesrede von Dr. Paul Niedermaier nach der Verleihung der Honterus-Medaille

Die HonterusMedaille an Dr. Paul Niedermaier wurde zum Anlass des 33. Sachsentreffen in Keisd verliehen. Foto: George Dumitriu

Ich danke dem Siebenbürgen-Forum, dass es mich dieses Jahr für die Verleihung der Honterus-Medaille auserkoren hat – eine Auszeichnung von besonderem Wert für uns, weil sie unsere Auszeichnung ist! Zugleich danke ich dem Landeskonsistorium für seine Zustimmung und vor allem dem Laudator für die positive Zusammenfassung der Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Tätigkeit von Seiten des Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde!

Als mir der „Siebenbürgisch-sächsischen Kulturpreis“ verliehen wurde, bedankte ich mich bei meinen Frauen, die mir den Rücken freigehalten haben und dadurch meinen wissenschaftlichen Einsatz möglich gemacht haben. Ich möchte mich nicht wiederholen, sondern, jetzt, in fortgeschrittenem Alter, jenseits des menschlichen Einsatzes mein Leben im Sinne der Honterus-Medaille,betrachten.

Dafür habe ich mir überlegt, was im Laufe der Jahre für mich entscheidend war und möchte drei Bibelsprüche erwähnen:

Ein erster stammt aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 10: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“

Auch der zweite Spruch stammt von dort: „Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt: den es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt“.

Schließlich stammt der dritte Spruch, eigentlich ein Auftrag, aus dem ersten Buch Mose, Kapitel 26: „Bleibe als Fremdling in diesem Lande, ich will mit dir sein und dich segnen.“
Auf dem Weg gab es verschiedene Schwierigkeiten. Die erste stammt wohl aus meiner Studentenzeit, als ich 1957, im Gefolge des ungarischen Aufstandes, in einer großen Einschüchterungssitzung spontan aufgestanden bin und Kollegen öffentlich verteidigt habe. Das war zwei Jahre vor dem Schwarze-Kirche-Prozeß. Der Herr hat damals seine Hand über mir gehalten, so dass ich nur mit einer Strafe wegen „Friedfertigkeit“ (mustrare pentru împ²ciutorism) davongekommen bin. 

Mitte der 60er Jahre bin in die kommunistische Partei eingetreten. Ich habe es nicht aus Opportunismus getan,  sondern in Gedanken an unsere Gemeinschaft: Kulturzeugnisse aus 800 Jahren und ein Teil der Kultur selbst, sind zu viel wert, um wegen einer politischen Situation an die Wand gedrückt und letztlich aufgegeben zu werden! 

Ich habe dafür auch bezahlt. Nach meiner Wahl zum Kurator der Hermannstädter Kirchengemeinde, 1987, wurde ich selbst und auch Bischof Albert Klein gewarnt: wenn Niedermaier als Kurator der Hermannstädter Kirchengemeinde nicht zurücktritt, muss man ihn als Mitarbeiter des Forschungsinstitutes entlassen, wirklich! Das gab für mich ganz schlimme seelische Konflikte, denn einerseits war ich mit Leib und Seele Wissenschaftler, andererseits empfand ich es als Untreue Gott gegenüber. Schließlich trat ich als Kurator zurück. In jener Zeit, der größten Krise meines Lebens, verließ mich der Herr nicht. Ich habe aber die Kraft und den Mut erhalten, als Mitglied des Bezirkskonsistoriums nicht zurückzutreten. Das war nicht so ganz ohne! In Retersdorf, wo nur noch zwei Sachsen lebten, waren Kirche und Pfarrhaus verkauft, und alles materiell Wertvolle fortgeschaft worden. Da bat mich der Dechant, die Gebäude den Käufern zu übergeben. Obwohl sie leer waren, gab es doch noch Leben in ihnen und dieses wurde nun zertrampelt. Das war so schrecklich, dass ich nachher dem Dechanten sagte: „Dieses überlebe ich kein zweites Mal.“ Der innere Kampf, auch mit Schicksalsschlägen, schlug sich in Jahrzehnten der Schlaflosigkeit nieder.
Beruflich, als Historiker, war es im Vorhinein gar nicht klar, ob die Suche nach neuen, europäischen Wegen in der Geschichtsforschung – unter Missachtung national-kommunistischer Dogmen – hingenommen wird, oder in finstere Abgründe führt. Und doch wagte ich es! 

Da ich fest überzeugt war, dass wir hier, in Siebenbürgen, eine Kultur und ein Kulturerbe zu verwalten haben, brachte die Wende von 1990 neue Probleme: die Trennung von der auswandernden Familie und von dem eigenen Heim, das bei den Hermannstädter Kämpfen von 1989 ausbrannte.

Als Wissenschaftler hatte ich dann, nach der Wende, freie Hand, aber Mut und Inspiration kamen nicht von mir selbst, sondern waren ein Geschenk „des Himmels“, das mit einer angespannten Tätigkeit gepaart war. Als Leiter des Hermannstädter Forschungsinstitutes für Geisteswissenschaften konnte ich mich für ein sinnvolles Zusammenleben mit Rumänen und Ungarn einsetzen, als Vermittler zwischen Kulturen. Nahezu alle meine Schriften sind sowohl in rumänischer, als auch in deutscher Sprache erschienen, sowohl in Rumänien als auch in Deutschland und Österreich. Es ist eine kleine Brücke zwischen Kulturen Europas.

Dabei danke ich meinen Förderern: der „Rumänischen Akademie“ und dem „Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde“, Gundelsheim, die meine totale Implikation, ja, die Existenz als Forscher ermöglichten.

Auf einem solchen Weg waren entschiedener Einsatz mit menschlicher Güte nötig. Ein Gedicht von Wolfgang Borchert, „Versuch es“, drückt die Essenz solchen Seins aus – viel besser als ich es kann. Es ist ein Bekenntnis!

Stell dich mitten in den Regen
glaub an seinen Tropfensegen –
spinn dich in das Rauschen ein
und versuche gut zu sein!

Stell dich mitten in den Wind
glaub an ihn und sei ein Kind – 
lass‘ den Sturm in dich hinein
und versuche gut zu sein!

Stell dich mitten in das Feuer,
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein – 
und versuche gut zu sein!


Die Überzeugung vieler von uns, in der Keisder Kirche, ist wohl: Auch wenn es trockene, windgeschützte Räume gibt, haben wir hier eine kulturhistorische Pflicht. Darum stehen wir in Wind und Wetter – jedoch auch in der Sonne Siebenbürgens! Hier wollen wir versuchen gut und gütig zu sein!

Im Laufe der Zeit stützten mich verschiedenste Auszeichnungen bei der Pflichterfüllung. Auch wenn die Honterus-Medaille nicht die wertvollste von diesen ist – so ist sie unsere und darum für uns die Bedeutendste! Sie wird jetzt, in der letzten Phase meines Lebens, auch zu den Stützen gehören! Ich danke Ihnen dafür! 

Die Dankesrede wurde wegen der fortgeschrittenen Stunde stark gekürzt vorgetragen – hier ist die vollständige Version abgedruckt.