Interethnisch und plurikonfessionell

Festakt und Tagung zum 50. Gründungsjubiläum des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde

Im Januar 1962 wurde in Mannheim der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) gegründet. Er trat die Nachfolge des 1840 in Siebenbürgen konstituierten und 1950 verbotenen Vereins für siebenbürgische Landeskunde an. Mit einem Festakt am 7. September in der Alten Aula der Universität Heidelberg und der Jubiläumstagung am 8. September in Gundelsheim, wird das 50-jährige Jubiläum des AKSL begangen.

Begrüßt werden die Gäste beim Festakt von Prof. Dr. Heinz-Dietrich Löwe (Universität Heidelberg) und dem baden-württembergischen Innenminister Reinhard Gall. In ihren Festvorträgen gehen Prof. Dr. Enno Bünz (Universität Leipzig) auf die Aufgaben und Perspektiven der Landesgeschichtsforschung im 21. Jahrhundert und Prof. Dr. Joachim von Puttkamer (Universität Jena) auf „Siebenbürgen. Nation und Gesellschaft in der neueren Geschichte Südosteuropas” ein.

Im weiteren Verlauf referiert Prof. Dr. Konrad Gündisch (BKGE Oldenburg) über Siebenbürgen als Forschungsauftrag und Dr. Ulrich A. Wien (Universität Koblenz-Landau) zur Regionalgeschichte im europäischen Horizont – Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde 1962-2012. Auf Schloss Hornesck in Gundelsheim spricht im Plenum Thomas Şindilariu (Archiv der Honterusgemeinde Kronstadt/Braşov) über die Anfänge der siebenbürgischen Landeskunde im Umfeld der Freimaurer und Samuels von Brukenthal, Prof. Dr. D. Paul Philippi (Hermannstadt/Sibiu) bringt die Gründung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde in Erinnerung, Dr. Gerald Volkmer (IKGS München) referiert über die fünf Jahrzehnte AKSL und die  Grundlinien seiner Entwicklung und Dr. Harald Roth (Deutsches Kulturforum östliches Europa Potsdam) umreißt die Aufgaben des AKSL bis zur 200-Jahr-Feier 2040.

Am Nachmittag wird  die Tagung in den Sektionen Rechts-, Kirchen- und Zeitgeschichte, Naturwissenschaften und Volkskunde, Genealogie, Schulgeschichte und Germanistik fortgesetzt.

Seit seiner Gründung war der Verein und spätere Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde bestrebt, eine die Kultur- und Sprachgemeinschaften Siebenbürgens übergreifende akademisch-wissenschaftliche Vereinigung zu sein. Bei der Neugründung wurde als doppeltes Ziel formuliert einerseits die traditionelle siebenbürgisch-sächsische Forschungsarbeit fortzuführen, andererseits das ganze Siebenbürgen aller Sprach- und Volksgruppen als Aufgabe zu verstehen.

Erst im Verlauf der Jahre und zunehmend seit den 1980er Jahren gelang es jedoch, das interethnische und damit plurikonfessionelle Ziel auch dauerhaft zu berücksichtigen und zu verwirklichen. Hatte der AKSL während des Kalten Kriegs und der Trennung Europas eine wichtige Brückenfunktion zu mittel- und südosteuropäischen Wissenschaftlern übernommen – trotz erheblicher Behinderungen, Beeinträchtigungen, aber auch „Beobachtung“ und versuchter Einflussnahme –, so ist es nach der politischen Wende in Osteuropa gelungen, den internationalen Wissenschaftstransfer und die wissenschaftliche Kooperation auszubauen und substantiell zu vertiefen.

Im Verlauf seiner 50-jährigen Tätigkeit hat der AKSL für die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen, für ihr Selbstverständnis und für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte und Landeskunde der Region wissenschaftlich intensiv gearbeitet und publiziert. Er organisierte zunächst eintägige Jahresversammlungen, die von 1968 bis 2000 zu mehrtägigen Jahrestagungen ausgebaut worden sind und kontinuierlich wachsend Referenten zu unterschiedlichen Themen im Plenum und in verschiedenen Sektionen zusammenführte.

Thematische Schwerpunkte waren Rechtshistorie (1965), Kirchen- und Schulgeschichte (1966, 1983, 1993, 1997), Zeitgeschichte (1967, 1982, 1984, 1994, 2004, 2010), Mittelalter (1969, 1977, 1980, 2003, 2011), Neuzeit (1971, 1974, 1978, 1979, 1985, 2001, 2006, 2008) sowie kunst- (1992, 1995), sozial-, sprach- (1989, 1999) und wirtschaftsgeschichtliche Themen (1991, 2002, 2009). Beeindruckend ist die Zahl der Veröffentlichungen und deren wissenschaftliche Qualität. Neben dem „Siebenbürgischen Archiv“ (seit 1962 erschienen 41 Bände), wurden seit 1968 in der Reihe „Studia Transylvanica“ vorwiegend Monografien (bislang 42 Bände) veröffentlicht.

Eine Ergänzungsreihe dazu bilden seit 1976 die „Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens“, die wichtige Nachdrucke, Neuauflagen und Quelleneditionen beinhalten (33 Titel). Darüber hinaus erscheinen die Reihen „Kulturdenkmäler Siebenbürgens“ (bislang fünf Bände), „Denkmaltopographie Siebenbürgen“ (5 Bände), die neuaufgenommenen Quelleneditionen, Transylvanica in Hermannstadt sowie andere Kooperationspublikationen in Rumänien (bislang über 50 Titel). Das fünfbändige „Nordsiebenbürgisch-sächsische Wörterbuch“ (1980-2006) konnte zwischenzeitlich abgeschlossen werden. Der AKSL gibt die „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“ mit zwei Heften pro Jahr heraus, die seit 1999 mit den „Siebenbürgischen Semesterblättern“ vereinigt ist.

Die heute rund 700 Mitglieder des AKSL leben auf vier Kontinenten und unterstützen das in der Satzung verankerte Ziel, Siebenbürgen-Forschung „im Geiste der Völkerverständigung und der gegenseitigen Toleranz in europäischem Rahmen“ zu betreiben. Hinzu kommen rund 100 Mitglieder in Rumänien, wo der AKSL 2006 als Verein nach rumänischem Recht eingetragen wurde und in der Rechtsnachfolge des Landeskundevereins steht.

Der AKSL hat mit seinem 1992 auf Initiative von Dr. Günther Tontsch (Vorsitzender 1994-2001) begründeten Siebenbürgen-Institut das langfristige akademische Ziel mit der Anbindung an die Universität Heidelberg verwirklichen können: Seit 2003 gilt der Status als „Siebenbürgen-Institut an der Universität Heidelberg“, das vom Direktor des Osteuropa-Seminars, Prof. Dr. Heinz-Dietrich Löwe, als dem wissenschaftlichen Direktor geleitet wird. Treibende Kraft dieser Einrichtung war und ist Dr. Harald Roth.

Im März 1955 wurde die Siebenbürgische Bibliothek begründet, deren Grundbestand von 300 Werken aus dem Fundus des Gustav-Adolf-Werkes stammte. Seit 1963 in Gundelsheim untergebracht, verfügt sie mittlerweile über rund 79.000 Einheiten und ist die größte einschlägige Spezialbibliothek Westeuropas, die dem Südwestdeutschen Bibliotheksverbund angegliedert und über den Karlsruher Virtuellen Katalog allerorts wissenschaftlich recherchierbar ist. Das der Bibliothek angeschlossene Archiv enthält auf über 1500 Regalmetern zahlreiche Nachlässe, Verbandsarchive, ein Denkmalarchiv, Spezialbestände und Sammlungen (alte Karten, Fotoarchiv, Aktien, Philatelie u.,a.).

Auf dieser Basis möchte das erreichte Niveau gehalten und – sofern Kräfte vorhanden – gesteigert werden. Die Nachwuchswissenschaftler aus inzwischen zehn Staaten in drei Kontinenten bilden ein Potenzial, das zu berechtigten Hoffnungen Anlass gibt. Einen Schwerpunkt stellt die Nachwuchsförderung durch inzwischen wiederholt durchgeführte Graduiertenkolloquien dar, bei denen qualifizierte Beratung und interdisziplinärer gegenseitiger Austausch stattfindet.