Kaiserlicher Sommerbesuch 2020 in Michelsberg

Kunstfreunde und Einheimische schmieden Pläne für angebrochenes Kalenderjahr

Hermannstadt – Thomas Emmerling, Kurator des Kunsthauses 7B im wohlhabenden Michelsberg/Cisnădioara, Kreis Hermannstadt/Sibiu, spricht häufig von moderner Gewohnheit, alles zu minimalisieren. Doch für den aus Nürnberg stammenden Privatsammler ist Siebenbürgen ein kultureller Qualitätsherd, auf dessen Kochstellen Kunst ihre originellen Geschmacksnoten nicht minder kräftig entfalten kann. Standort des Kunsthauses 7B ist das ehemalige Schulgebäude der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde A.B. In den zu Ausstellungsräumen umfunktionierten Klassenräumen, die vor etlichen Jahrzehnten noch als Laboratorien für Chemie- und Physikunterricht genutzt wurden, begrüßte Kurator Emmerling Samstagnachmittag, am 25. Januar, Ortsansässige und Gäste zu einem ungekünstelten Neujahrsempfang. Bis einschließlich Sonntag, den 2. Juni, stehen hier Bilder aus dem Schaffen von Andreea Floreanu, Radu Rodideal und Frédéric Léglise zur Besichtigung frei. 

Eine Reihe von Werken aus der Hand des letztgenannten Franzosen zeigt weibliche Nacktheit in Kunstpose und fordert zu reflektierter Betrachtung auf. Da Ausstellungen des Kunsthauses 7B jeweils auch mit dem Angebot aufwarten, ausgesuchte Originale zu kaufen, hatte sich das 26 mal 20 Zentimeter große Aquarell „Selbstportrait meines Schattens“ von Léglise bereits einen finanzkräftigen Privatbesitzer ausgeguckt. Die betreffende Stelle an der weißen Zimmerwand ist zwar noch beleuchtet, aber von dem zu sondierenden Inhalt des rechtmäßig entfernten Wertgegenstands spricht nunmehr bloß eine Namenskarte.

2019 bestimmten Viktor Brauner und Nicolae Tonitza das Geschehen im Kunsthaus 7B und Stillleben der Zeitgenossinnen Patrizia Casagranda (Trient), Evanghelia Taka (Thessaloniki) und Ingrid Weiszman (Berlin) die Ausstellung „La Masă“ (Zu Tisch) am Flughafen Hermannstadt, wo auch die Begabung der Kunstfotografen János Eifert (Budapest), Nicolas Friess (Paris) und Klaus Pichler (Wien) für sich sprach. Von April bis Juni 2020 wird der gebürtige Klausenburger Armin Mühsam, Sohn Heltauer Eltern und derzeit in Kansas City (Bundesstaat Missouri, USA) lebend, im Kunsthaus 7B ausstellen. Am 4. Juli löst Bildhauerin und Kunstprofessorin Gabriela von Habsburg (Jahrgang 1956) ihn ab. Die Exponate der Tochter von Otto von Habsburg (1912-2011) und Enkelin von Karl I. (1887-1922), dem letzten Kaiser Österreichs und Ungarns, werden bis Ende August besucht werden können.

Ab sofort besteht die Einladung, sich dem neugegründeten Kunsthaus 7B Investors Circle (K7BIC) anzuschließen, das bereits zwei Mitglieder zählt. Jungbegabte aus Rumänien und Mitteleuropa können jederzeit Unterstützung gebrauchen. Im Gegenzug verspricht das K7BIC prioritäre Anrechte bei Kunstkauf sowie regelmäßige Erfahrungstreffen in einer Runde Gleichgesinnter. Thomas Emmerling versichert, dass auch kleinere Brieftaschen nicht vom Vereinsbeitritt ausschließen.

Die Ausstellungsräume des Kunsthauses 7B sind nicht beheizbar, weswegen Kurator Emmerling die bereitstehende Thermoskanne flugs auf das Pseudonym „Michelsberger Zaubertrank“ taufte. Die Begegnung wurde im „Café Matisse“ und Musikzimmer des ebenfalls am Dorfhauptplatz stehenden Haus des Agora-Ensembles fortgesetzt. Eigens für die Empfangsgäste spielte Victoria Nițu, Klavierpädagogin in Hermannstadt, Beethoven, Schubert, Schumann, Bach und Mozart. Bei Kaffee und hausgemachtem Apfelkuchen bestand reichlich Gelegenheit, sich mit Mäzen Dr. Stefan Tobler, Professor an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt (ULBS), Sponsor und Manager Werner Seeger sowie Gastgeber Thomas Emmerling zu unterhalten. Das Haus Agora ist ein tadelloses Beispiel stilechter Bescheidenheit äußerer wie innerer Gestaltung. Selbst der Sicherungskasten im Innenhof steckt in verziertem Holzrahmen mit eisernem Schlüsselbart. Über einem Tischchen im Gaststättenraum hängen ein Schwarzweißporträt und das Zitat „...erst sehr spät jedoch habe ich verstanden, was von Anfang an das Thema meines Lebens war: das Paradies!“ von Horia-Roman Patapievici.