Körperkraft und „Kirschen“  für eine Sauer-Orgel

Die Werkstatt COT Hărman hat alle Hände voll in Hermannstadt zu tun

Vorsichtiges Überreichen vor dem Wiedereinbau in den Prospekt: Die Übergabe nach dem Ausbauen der Pfeifen dürfte mindestens genauso schwierig gewesen sein, weil gleichfalls nur an derselben Hürde machbar. Fotos: Klaus Philippi

Stundenlanges Arbeiten in einer großen Kirche bei 13 Grad Celsius Raumtemperatur an der Schnittstelle von Winter und Frühling geht besser mit Mütze. An vier Stellen hinter dem Orgelprospekt finden sich vier kleine Digitalthermometer der Produktserie vom Magazin und Fernsehkanal „National Geographic“ für die ständige Messung der Luftfeuchte, die zwischen 50 und 70 Prozent liegen sollte. Ende Februar war Minimalstand gegeben.

Sie tönen seit über 100 Jahren nicht mehr, doch die größten unter ihnen bringen 80 Kilogramm auf die Waage, und für das spätromantische Klangbild der 1915 eingeweihten Wilhelm-Sauer-Orgel über dem Schiff der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt/Sibiu sind der reiche Prospekt (1672) des barocken Vorgänger-Instruments von Meister Johann Vest und seine Pfeifen trotz ihrer nunmehr allein optischen Funktion unverzichtbar. 

Eine Orgel der Gebrüder Rieger aus Österreich, wie Kantor Ján Levoslav Bella sie gerne an seiner Wirkungsstätte eingebaut und eingeweiht gehabt hätte, war Hermannstadts evangelischer Gemeinde offiziell zu teuer gewesen und soll den slowakischen Kirchenmusiker zum Entscheid bewogen haben, bald darauf gekränkt zu kündigen und in seine Heimat zurückzukehren. Aber auch die günstigere Sauer-Orgel erstritt sich binnen kurzer Zeit ihren spezifischen Ruf unter den größten Instrumenten der protestantischen und katholischen Kirchen Siebenbürgens. Zumal die Wege für ihre Renovierungen und Reinigung bis heute nichts von ihrer Länge eingebüßt haben: von der Baustelle hinter dem Vest-Prospekt, auf der Süd-Empore und der Ferula hört man es aktuell Ungarisch aus Transsylvanien reden, und die noch viel weiteren Distanzen nach Hermannstadt hat ganz klar das Werkzeug zurückgelegt.

Freitagvormittag, am 1. März, haben Geschäftsführer Magyar Árpád und die Könner der Firma COT Hărman (Construcții Orgi Tâmplărie) aus Honigberg dem barocken Prospekt der Sauer-Orgel die mittigen und sieben größten seiner generalüberholten Pfeifen wieder eingebaut. Nach ungefähr nur einer Stunde war der Arbeitsschritt bereits zu Ende. Das Heikle daran allerdings ließ besonders die vier Mann, die das unfallfreie Hieven der bis zu 80 Kilogramm schweren Pfeifen von Empore zu Empore besorgten, nach der mehrfachen Last-Abgabe einige Male gut vernehmbar ächzen.

Als Fünfter im Team und Chef der Orgel-Reinigung hatte Magyar Árpád die Ehre, ganz oben von der höchsten hölzernen Trittfläche aus das finale Einpassen der frontalen Pfeifen in ihre Halterungen zu lenken. Da sie nicht direkt durch den sperrigen Orgel-Korridor in aufrechte Ausgangslage hätten gebracht werden können, musste auch diesmal die einzig praktikable Lösung ihrer hoch kapriziösen Übergabe von Balkon zu Balkon gewählt werden – ohne definitive Material-Kratzer und Rückenleiden im Nachgang der Teamarbeit. So, wie es seit Erbauung der Hermannstädter Sauer-Orgel jeweils nicht anders bewerkstelligt werden konnte, wenn eine Reparatur oder Reinigung bevorstand.

Für die körperlich viel weniger anstrengenden, doch mindestens genauso bedeutenden Arbeitsgänge sind die Herren von der COT H˛rman selbstverständlich mit der solidesten Ausrüstung vorstellig geworden, die der Weltmarkt nur hergibt: ihr kleiner Holzkoffer für Aufbewahrung und Transport von Stechbeiteln trägt das Logo vom 1858 in Deutschland unter dem Namen und Bild eines Paares reifer „Kirschen“ gegründeten Traditionsunternehmen, und den schwarz-gelb bedruckten Kisten mit Elektrohandbohrern der eigentlich US-amerikanischen Marke „DeWalt“ darin haben Magyar Árpád und seine Mitarbeiter Flaggen-Sticker der Aufschrift „Made in the UK“ aufgeklebt. Beim Verleimen kleiner Bestandteile kommt natürlich originaler Kontakt-stoff aus Dosen der niederländischen Qualitäts-Marke „Bison Kit“ zum Einsatz, für das Ziehen von Nägeln wird ein gusseisernes Utensil der Prägung „Made in Japan“ zur Hand genommen, und für das Lösen älterer Farbschichten oder Lacke sowie die Fleckenreinigung steht eine knallig rosafarbene Metallflasche „Nitro“ vom rumänischen Dauerbrenner „Köber“ bereit, dessen Chemikalien für Anstrich und Schadenskorrektur dem nationalen Markt seit 33 Jahren als ein autochthoner Beweis gelingender Volkswirtschaftlichkeit angerechnet werden dürfen. Läuft die Reinigungs-Baustelle der Sauer-Orgel Hermannstadts auch weiterhin wie geölt, könnte sie zu Halbjahresende mit der Wieder-Einweihung abgeschlossen werden.