Kompass auf Bewahrung der Kirchenburgenlandschaft

Berliner Podiumsdiskussion mit Persönlichkeiten und Experten zeigt Perspektive

Podiumsdiskussion in der rumänischen Botschaft Berlin: der Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Reinhart Giub (Mitte mit Mikrophon), Prof. Dr. Paul Zalewski, Europa-Universität Viadrina (2. v. r.), Moderator Stefan Bichler (r.), Architekt Dr. Krekeler (2. v. l.) und Denkmalpfleger Sebastian Bethge (l.)

Am 11. Februar fand im  Atrium der rumänischen Botschaft in Berlin eine Podiumsdiskussion mit Persönlichkeiten aus Politik und Kirchenkreisen sowie mit Experten zu Perspektiven der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgenlandschaft statt. Anlass der Podiumsdiskussion war der Abschluss des Projektes „Bauuntersuchungen an 20 akut bedrohten siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen als Notvorsorgemaßnahme“. Das Projekt lief von Sommer 2017 bis Sommer 2019. Die Notwendigkeit eines solchen Projektes wurde durch dramatische Ereignisse ausgelöst: Im Februar 2016 stürzte innerhalb von nur einer Woche der Kirchturm in Radeln/Roadeș teilweise und der in Rothbach/Rotbav vollständig ein. Größte Eile war geboten, mit erforderlichen Maßnahmen weitere Einstürze von mittelalterlichen Kirchen zu verhindern.

Dankenswerterweise entwickelten die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, und die Stiftung Kirchenburgen umgehend ein Gemeinschaftsprogramm zur Untersuchung von besonders bedrohten Kirchenburgen, um auf diesem Weg weiteren Einstürzen Einhalt zu gebieten. Ab dem Jahr 2017 wurden die ersten 20 Objekte durch Statiker, Ingenieure, Geologen und andere Experten aus Rumänien und Deutschland bearbeitet. Aus den Ergebnissen ihrer Analysen und Einschätzungen entstanden Fachgutachten, die nicht nur die vorgefundenen Schadensbilder beschreiben, sondern auch Ansatzpunkte für mögliche
Stabilisierungsmaßnahmen und Reparaturen aufzeigen. Dieses Programm wurde 2019 erfolgreich abgeschlossen, soll aber in kommenden Jahren für weitere 20 Kirchenburgen fortgesetzt werden, finanziert dann von rumänischer Seite: Je zehn mit Eigenmitteln der EKR und mit Mitteln aus dem rumänischen Kulturministerium. Die 20 bereits untersuchten Kirchenburgen werden in den kommenden Monaten bzw. Jahren „baulich bearbeitet“, d. h.: Aufgreifen der Vorschläge aus den Gutachten und Aktivitäten zum Stabilisieren und Reparieren.

Podiumsdiskussion  im Atrium mit Blick nach vorn

Der gemeinsamen Einladung des rumänischen Botschafters in Deutschland, S. E. Herr Botschafter Emil Hurezeanu, und der Stiftung Kirchenburgen waren über 150 Besucher gefolgt, die sich im repräsentativen Atrium im Berliner Botschaftsgebäude im Herzen Berlins eingefunden hatten. Philipp Harfmann, Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen, eröffnete die Veranstaltung und dankte allen Akteuren für ihr großes Engagement für das Kirchenburgenprojekt. Der Botschafter würdigte in seiner Ansprache den hohen kulturpolitischen Stellenwert der Stiftung Kirchenburgen, steht diese doch unter der gemeinsamen Schirmherrschaft des rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis und des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.

Das Auditorium verfolgte mit Interesse die Podiumsdiskussion, zu der Moderator Stefan Bichler Bischof Reinhart Guib von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), Prof. Dr. Paul Zalewski von der Europa-Universität Viadrina, Dr. Achim Krekeler, Gründer des Büros Krekeler, Architekten und Generalplaner, sowie Sebastian Bethge, Beauftragter für Denkmalpflege im Büro der Stiftung Kirchenburgen, eingeladen hatte.
Mit Blick auf die vorliegenden Projektergebnisse stand im Fokus die Frage: Warum ist es sinnvoll und notwendig, sich für den Erhalt der Kirchenburgenlandschaft einzusetzen und welche Zukunftsperspektiven gibt es dafür?

Bischof Guib würdigte eingangs die große Unterstützung aus dem In- und Ausland, die in den letzten Jahren geleistet wurde, und erinnerte an die vielen Akteure, die sich in den letzten Jahren auf ganz unterschiedliche Weise für den Erhalt von Kirchenburgen eingesetzt haben. Außerdem hob er die Bedeutung der Kirchenburgen auch für den Kulturtourismus hervor. Architekt Dr. Krekeler betonte, dass der Erhalt von Kirchenburgen nur möglich sei, wenn es auch Nutzungen für die Bauwerke gibt – egal ob diese kirchliche oder profane Hintergründe haben. Außerdem wies er auf die dringende Notwendigkeit von regelmäßigen Wartungen und die Beseitigung auch kleinerer Schäden hin, um den schleichenden Verlust von Bausubstanz zu stoppen. Der Denkmalpfleger S. Bethge beschrieb, dass ein großer Teil seiner Arbeit für die Stiftung Kirchenburgen genau in diesem Bereich liegt, nämlich bei der Planung und Durchführung von Notreparaturen, mit denen der Verfall von Kirchenburgen gestoppt werden soll. Er hält es aber für ebenso wichtig, dass in den Dörfern Hüter oder Hausmeister gefunden werden, die die Kirchenburgen laufend betreuen.

Prof. Zalewski erinnerte mit Blick auf die Säkularisation in Frankreich zum Ende des 18. Jahrhunderts an den unwiederbringlichen Verlust vieler wertvoller Kirchen innerhalb kurzer Zeit, der heute sehr beklagt wird. Er forderte, die siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen auch für die zukünftigen Generationen zu erhalten. Nicht zuletzt deswegen habe sein Lehrstuhl das Projekt koordiniert und es gleichzeitig eng mit dem Masterstudiengang Schutz Europäischer Kulturgüter verzahnt, sodass die Projektaktivitäten auch in den Lehrbetrieb einfließen konnten.Besonders betont wurde in der Podiumsdiskussion, dass Kirchenburgen als europäisches Kulturgut nicht zum Spielball von Spekulanten werden dürfen.

In der anschließenden Diskussion wies der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Bernd Fabritius, auf die im Bundesvertriebenengesetz festgeschriebene Verpflichtung Deutschlands hin, den Erhalt von Kulturgütern mit deutscher Entstehungsgeschichte im östlichen und südöstlichen Europa zu unterstützen.
Zum Abschluss der Veranstaltung erfolgte die Unterzeichnung der Partnerschaftserklärung zwischen der Stiftung Kirchenburgen und der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien sowie der NGO „European Heritage Volunteers“. Die gemeinsamen Ziele der Partner liegen einerseits in der Sensibilisierung für die Einzigartigkeit, den Wert, aber auch die Bedrohung und Verletzlichkeit der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgenlandschaft und andererseits in der Planung und Umsetzung praktischer Einsätze zu ihrem Erhalt. Ein erstes Pilotprojekt soll im Laufe dieses Jahres in Zusammenarbeit mit dem Verein Jugendburg Holzmengen an der dortigen Kirchenburg durchgeführt werden. In den kommenden Jahren ist eine Fortführung und Intensivierung der gemeinsamen Vorhaben geplant. Ein besonderes Augenmerk liegt jeweils auf der gemeinsamen Arbeit von sogenannten young heritage professionals aus ganz Europa und Projektteilnehmern aus der Region Siebenbürgen.Die Stiftung Kirchenburgen und die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien verbinden mit der Unterzeichnung der Partnerschaft die Hoffnung, dass die geplanten Trainingskurse und Freiwilligenprojekte einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Kirchenburgenlandschaft leisten werden.

Die Berliner Podiumsdiskussion unterstrich: Der Kompass der Aktivitäten aller Akteure ist auf die Bewahrung der weltweit einmaligen Kirchenburgenlandschaft ausgerichtet, die sich mehr und mehr auch als Region des sanften Tourismus etabliert. Eine dieser aktuellen Aktivitäten ist auch die Teilnahme der Stiftung Kirchenburgen mit einem Messestand an der unmittelbar bevorstehenden Internationalen Tourismusbörse Berlin ITB: 4. – 8. März 2020.