Lächerliche Diskrepanzen

Beschlagnahmungen von Immobilien und Fahrzeugen bei korrupten Zöllnern

Die Diskrepanz zwischen den bei Zöllnern und Grenzpolizisten im Schmiergeld- und Korruptionsskandal an der West- und Südwestgrenze Rumäniens nachgewiesenen Schmiergeldsummen und den mit Beschlag belegten Werten – Immobilien und Fahrzeugen sowie gesperrten Bankkonten – ist enorm. Die höchste Schmiergeldsumme wird der Gattin des Oberstaatsanwalts beim Gericht Orawitza, Camelia Mihăilă, angelastet: 1435 Euro. 

Dafür hat das Gericht die Immobilie in Orawitza, wo sie und ihr Mann Cristinel Mihăilă wohnen und die sie gemeinsam realisiert haben, nun mit Beschlag belegt. Die Villa steht auf der Răcăşdiei-Straße 119, am Stadtrand von Orawitza in Richtung Naidăş und Neumoldowa, und verfügt über eine Wohnfläche von 179,42 Quadratmetern, sowie über An- und Nebenbauten mit 66 Quadratmetern. Ihr Schätzwert liegt zwischen 80.000 und 200.000 Euro. Solche Diskrepanzen zwischen nachgewiesener Schuld/geschmierter und als Schmiergeld angenommener Geldmenge und der Sorge des Staates, nur ja nicht das von seinen korrupten Beamten illegal erworbene Geld in seine eigene Tasche zu stecken, grenzen ans Lächerliche.

Ebenso lächerlich kommt einem im Requisitorium der beiden Staatsanwältinnen Claudia Roşu und Carmen Ţundrea die Beschuldigung gegen Cristian Borceanu vor, dem vorgeworfen wird, dass er sich mit 570 Euro, 1938 Lei, einem Päckchen Kent-Zigaretten und dem Gegenwert von 16 Zigarettenstangen schmieren hat lassen. Dafür hat das Gericht sein kleines Appartement (40,36 Quadratmeter) im Bahnhofsviertel von Orawitza mit Beschlag belegt. Oder die 1040 Euro und 805 Lei, für welche Ion Soare im Arader Stadtviertel Calea Aurel Vlaicu eine Immobilie um geschätzte 150.000 Euro mit Beschlag belegt wurde. Ebenfalls für ein paar hundert Euro werden weiters ein Dacia Logan, ein Daewoo Cielo und ein Ford Mondeo der Schmiergeldnehmer mit Beschlag belegt. Die Beschlagnahme der Immobilien und Güter wird so lange aufrecht erhalten, bis sie die von der Staatsanwaltschaft nachgewiesenen Summen herausrücken und an den Staat abgeben.

Warum geht ein Zöllner von Arad nach Naidăş?

Dabei ist gerade die Situation der aus Arad an die Grenze mit Serbien transferierten Zöllner und Grenzpolizisten interessant (und wäre untersuchenswert gewesen), denn wer auch nur kurze Zeit das Geschehen an den Grenzübergängen Stamora Morawitza und Naidăş beobachtet hat, dem fielen die zahlreichen Fahrzeuge mit verdunkelten Fenstern und Arader Kennzeichen auf, die dort einen überaus regen „Grenzverkehr“ abgewickelt haben. Man sollte nicht vergessen: im Niemandsland zum Nicht-EU-Staat Serbien stehen die Duty-Free-Shops, im gegenüberliegenden Serbien gibt es bis zu viermal billigere Zigaretten. Wer waren diese Grenzgänger wohl? Der Transfer der Zöllner aus Arad geschah ziemlich plötzlich, nachdem Rumänien der EU beigetreten war und auf die Zollkontrolle an der ungarisch-rumänischen Grenze verzichtet wurde.

Allem Anschein nach hatte jemand dafür gesorgt, dass die Zöllner nicht hungers sterben müssen... Und mit ihnen wechselten offensichtlich auch ihre „Bekannten“ (das rumänische „cunoştinţe“ hat in diesem und anderen Kontext einen viel weiteren und zweideutigeren Sinn) den Grenzübergang, von Turnu und Nadlak/Nădlac nach Stamora Morawitza und Naidăş. Damit die Zöllner eben nicht verhungern.Dem früheren Schichtleiter der Zollkontrolle am Grenzübergang Naidăş, Valentin Bărăgan, belegte das Gericht seinen Peugeot 607 mit Beschlag. Ihm wird vorgeworfen, Schmiergeld in Höhe von 340 Euro und 140 Lei angenommen zu haben.

Bandenverbrechen für peanuts?

Der Mehrheit der verhafteten Zöllner und Grenzpolizisten der Aktion vom Januar-Februar 2011 wird die Bildung einer organisierten Gruppe zur Annahme von Schmiergeld und Korruption vorgeworfen. Aurelian Coman beispielsweise konnten in den drei Monaten der Beobachtung durch verdeckte Ermittler, Abhöranlagen und versteckte Kameras – man bedenke den Wert des Aufwands – 100 Lei Schmiergeld nachgewiesen werden, während die verdeckten Ermittler der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA seinerzeit „Tageseinnahmen von 2000 und 2700 Euro Schmiergeld pro Schicht“ gemeldet hatten. Es ist befremdlich, wie gering die Schmiergeldeinnahmen der einzelnen Korrupten waren, die während der drei Monate von der Staatsanwaltschaft genauer unter die Lupe genommen wurden. Angeblich gingen sie zum Schichtende nur mit ein wenig Taschengeld nach Hause.

Wie harmlos die letztendlich nachgewiesenenen Korruptionssummen klingen! In den Medien ist bereits wiederholt der Verdacht einer seinerzeitigen Alibiaktion zwecks Nachweis der Schengentauglichkeit Rumäniens geäußert worden, die damals akut nötig schien – aber nichts gebracht hat vor den kritischen Augen unserer Mit-Europäer. Und dass die Zöllner und Grenzpolizisten, die damals hopsgenommen wurden, nur Bauernopfer waren, weil die wahren Strippenzieher woanders saßen und ihre schützende Hand über die so „überraschend“ Verhafteten ausstreckten...

Die Lehre des Bulibassen Gioca

Die letztendlich den Beschuldigten nachgewiesenen Summen deuten ebenfalls in diese verharmlosende Richtung. Neben Beschlagnahme von Immobilien und Fahrzeugen wurde gerichtlich vor allem die Sperrung der Konten der Beschuldigten angeordnet. Man darf aber zumindest auf der einen Seite beruhigt sein: Der Staat wird sein Kleingeld, das seine Beamten als Schmiergeld kassiert hatten, sicher kriegen. Dass es wenig ist, was er sich nimmt, daran ist er offensichtlich selber schuld. Oder die, die ihm dienen.Die ganze Geschichte erinnert irgendwie an den Fall des seinerzeitigen Bulibassen von Rumänisch-Bokschan, einem gewissen Gioca.

Eines Tages, um 1976, verhaftete ihn die Miliz und in Roman-Bokschan zirkulierte sofort das Gerücht, man werfe ihm illegalen Besitz von Gold vor. Drei bis vier Tage später traf ich ihn und fragte, ob was dran sei an dem, was man sich so erzählte. „Natürlich“, grinste er breit und wie immer freundlich, „an Gerüchten ist immer was dran!“ „Und?“, fragte ich. Gioca: „Na, die haben behauptet, dass ich etwas mehr als ein Kilo Gold besitze.“ „Und?“ „Na, ich hab`s ihnen eben abgegeben!“ Gioca war so clever, dafür eine Quittung zu verlangen. Heute hat er sein Gold aufgrund jener Quittung wieder.

Unwillkürlich musste ich mich neulich in Gedanken an Gioca fragen: Haben die korrupten Zöllner und Grenzpolizisten auch vom Staat eine Quittung für das herausgerückte Schmiergeld gefordert? Dumm wäre das ja nicht...Im Prozess gegen die korrupten Zöllner und Grenzpolizisten sind vor dem Temeswarer Berufungsgericht bislang zwei Termine verstrichen, der dritte ist am 20. September.