Lehrpersonal Rumäniens nach dem Streik

Versprochen wurde mehr Geld – gibt es aber auch mehr Respekt für die Bildung?

Generalstreik im Unterrichtswesen: Drei Wochen lang blieb ein Großteil des Lehrpersonals kurz vor dem Schluss des Schuljahres dem Unterricht fern, um für mehr Gehalt und mehr Anerkennung zu streiken. Und das, sagen die Bildungsgewerkschaften vor Ort, mit gutem Grund: Denn vor allem die Berufsanfänger an den Schulen verdienten bis vor Kurzem erbärmlich wenig. Und trotz eines nun erzielten Gehaltaufschlags von 23 Prozent sind die Lehrerinnen und Lehrer finanziell immer noch nicht auf Rosen gebettet. Und hegen leise (doch erfahrungsgemäß nicht ganz unbegründete) Zweifel, ob die Politik ihre Versprechungen auch wirklich einhält.

In der Lenau-Schule von Temeswar begrüßt man sich mit einem freundlich klingenden „Guten Morgen!“ Seit Kurzem sind alle wieder da, in der größten Schule Rumäniens mit Deutsch als Unterrichtssprache: Die Schülerinnen und Schüler – vor allem aber auch das Lehrpersonal, nach einem über drei Wochen dauernden Streik. Aufatmen!  „Ich bin glücklich, dass es nun, am Ende des Jahres, vorbei ist. Aber ich bin nicht glücklich, dass wir jetzt all unsere Tests schreiben müssen, die wir während des Streiks nicht schreiben konnten. Mehr Druck. Viel Druck.“ – „Jetzt kommen alle Lehrer und sagen uns, wir müssen ab sofort und hurtig schneller Prüfungen machen, damit sie das Schuljahr beenden können.“

Erst Unterrichtsausfall wegen des Generalstreiks der Lehrerschaft, und jetzt: geballter Prüfungsdruck. Marc Braun und Patrick Onofrei, zwei Elftklässler, müssen kurz vor den Sommerferien nochmals so richtig intensiv Formeln und Vokabeln pauken, weil in den zurückliegenden drei Wochen vieles ausgefallen ist.

Aber trotzdem: Viele Schülerinnen und Schüler zeigen Verständnis für den Arbeitsausstand ihrer Lehrerinnen und Lehrer, wie zum Beispiel Alexandra Geye: „Ich verstehe die Lehrer. Ich würde sagen, dass Lehrer ein bisschen zu schlecht bezahlt sind.“ Oder: „Vor dem Streik begann ein Junglehrer so umgerechnet mit 500 Euro. Auch für Rumänien ist das sehr, sehr wenig.“ 

Simona Lobon] unterrichtet Geschichte – und hat mitgestreikt, über drei Wochen lang. Mehr Geld für Berufsanfänger, aber auch für all die anderen im Schuldienst – das war die zentrale Forderung. Denn nahezu alle anderen akademischen Berufe in Rumänien werden deutlich besser bezahlt als die Beschäftigten an den Schulen. Und immerhin: Nun hat die Regierung endlich Zugeständnisse gemacht, ergänzt Geografielehrerin Mirela Popa: „Also: Es gibt eine Erhöhung der Löhne um durchschnittlich 23 Prozent. Die Anfänger… dort ist der Zuwachs 25 Prozent oder noch höher.“

Hinzu kommen jährliche Bonus-Zahlungen von umgerechnet etwa 300 Euro. Damit werden Rumäniens Lehrerinnen und Lehrer zukünftig mehr Geld in der Tasche haben. Allerdings, so die beiden Pädagoginnen Mirela Popa und Simona Lobon]: „Völlig zufrieden sind wir nicht, denn es waren auch andere Forderungen, welche die Gewerkschaft gestellt hat. (…) Man hat ja auch mehr erwartet. Die Hoffnungen der Lehrer, die gingen ja eigentlich auch weiter, also Bezahlung auch, sicher. Aber es ging auch um die Art und Weise, wie die Lehrerschaft angesehen ist in Rumänien. Man will mehr Respekt haben von der ganzen Gesellschaft. Es geht auch um Achtung.“

Daran aber fehle es: Egal, welche Partei gerade die Regierung stellte – das Bildungswesen sei stets stiefmütterlich behandelt worden. „Da gibt es eigentlich ein Unterrichtsgesetz, das bereits 2011 angenommen wurde. Und dort ist Folgendes geschrieben: Dass jährlich aus dem Haushalt Rumäniens sechs Prozent in die Erziehung gehen sollen. Aber das ist nie passiert. Nie. Und das war auch eine Forderung, dass wirklich dieses Gesetz endlich eingehalten wird.“ (Nebenbei bemerkt: Die amtierende und neulich wieder eingesetzte Unterrichtsministerin, Ligia Deca, eine ehemalige Beraterin des Präsidenten Klaus Werner Johannis, hat bei der Verabschiedung des diesjährigen Jahreshaushalts Rumäniens zur Dotierung des Unterrichtswesens – weit unter den gesetzlich vorgesehenen sechs Prozent (für die sie vor Zeiten leidenschaftlich plädiert hatte –  überhaupt nichts zu kommentieren gehabt, als sie die Journalisten gezielt danach fragten).

Diese Sechs-Prozent-Haushalts-Allokation für das Bildungswesen sind eine Forderung, welche die Regierung im jüngsten Kompromiss mit den Bildungsgewerkschaften nicht erfüllt hat. Hinzu kommt: Trotz des zugestandenen Gehaltsaufschlages von um die 25 Prozent liegen die Lehrer-Gehälter, verglichen mit anderen akademischen Berufsgruppen, nach wie vor eher noch am unteren Rand, monierten die Lehrer an der Temeswarer Lenau-Schule, mit denen wir gesprochen haben. Und das führt vor allem für eine deutschsprachige Schule wie das Nikolaus-Lenau-Gymnasium in Temeswar zu Problemen, betont Rektorin Helene Wolf: „Wer Deutsch kann und arbeiten will, der findet sicherlich eine gut bezahlte Stelle, aber nicht im Lehrwesen, sondern bei den deutschen Investoren.“ ...Die in Rumänien deutschsprechende Fachkräfte in Hülle und Fülle suchen und deutlich besser bezahlen als die Schulen. Die Befürchtung der Schulleiterin: „So wie dieser Streik gelaufen ist, stelle ich mir die Frage, ob wir weiterhin kompetente Lehrkräfte einsetzen werden können.“

Und so richtig trauen mögen viele der Lehrer aus Rumänien dem Übereinkommen der Lehrergewerkschaften mit der Regierung ohnehin nicht. Geografielehrerin Mirela Popa: „Wenigstens das sollten sie einhalten. Sollte das aber nicht geschehen, können wir den Streik ja wieder aufnehmen. Das kann jederzeit passieren, falls die Regierung nicht einhält, was uns versprochen wurde.“