llustrationen der Heiligen Schrift

Ausstellung im Brukenthalmuseum

Die ersten zwei Grafiken des Rundgangs zeigen die Anbetung der Hirten bei der Geburt Christi (l., anonymer Autor des 17. Jh.) und den Triumph des Heiligen Franz von Sales (r., Francesco Bartolozzi, 18. Jh.) Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Siebenbürgen ist ein Teilgebiet Rumäniens und folglich sowohl kulturell als auch politisch in Europa verankert. Die Visitenkarte des alten Kontinents ist beidseitig bedruckt, haben doch römische und griechische Lebenshorizonte gleichermaßen ihre Buchstaben frühzeitig in das Gemeinschaftsalphabet eingespeist. Alexandru Chituţă, Referent des Bruken-thalmuseums für Bildung, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit sowie Kurator der Ausstellung „Pie Jesu. Religiöse Grafiken aus Italien“ im Druckkabinett des Brukenthalpalais am Großen Ring/Pia]a Mare in Hermannstadt, weiß um spezifische Bedürfnisse des Museumspublikums Bescheid, räumte jedoch zum Zeitpunkt der Vernissage am Donnerstagmittag, dem 28. November ein, dass Freunde und Kenner griechischer Kunstideale hier ausschließlich Kostproben grafischer Stilrichtungen aus dem „Bel paese“ (schönes Land) vorfänden. Die hinter Glaswänden sichtbaren Zeichnungen in Schwarzweiß stammen aus der Zeitspanne des 16. bis 18. Jahrhunderts und belegen die Detailverliebtheit der italienischen Künstlergilde und ihres damaligen Publikums. Obschon die Erfindung des Buchdruckes durch Johannes Gutenberg zwar bereits im 15. Jahrhundert Einzug in die europäische Bildung und Kultur gehalten hatte, war das Lesen noch nicht zu jener allgemeinen verpflichtenden Grundfähigkeit erklärt worden, die es heute ist. Der Umstand betraf auch die Bibel. Die Heilige Schrift konnte sich nur Geistlichen und Gelehrten vollumfänglich erschließen. Nichtkenner des Alphabets mussten sich damit begnügen, die Geschichten des Alten und Neuen Testaments ausschließlich über Bildweg und Zuhören erfahren zu können. Zeitgleich achteten Künstler darauf, mathematisch festgelegte Idealproportionen der Schönheit des menschlichen Gesichts zu wahren.

Nicht wenige Exponate schildern prägende Augenblicke der Flucht des Volkes Israel aus der Knechtschaft in Ägypten. Gleichnisse des Neuen Testaments wie beispielsweise die Erzählung vom verlorenen Sohn ziehen sich ebenso wie ein roter Faden durch die bis Mittwoch, den 15. Januar 2020 geöffnete Ausstellung. Dr. Alexandru Sonoc, Ausstellungsleiter des Brukenthalmuseums, sprach die Begrüßungsworte und reichte die Aufgabe fachlicher Erläuterungen an Alexandru Chituţă weiter. Dem ausgebildeten orthodoxen Theologen und studierten Fachmann christlicher Kunst zufolge besteht ein Zweck der Ausstellung „Pie Jesu“ darin, Bekanntschaft mit den Namen der für Italien kennzeichnenden Grafiker und Kupferstecher Annibale Caracci (1560-1609) und Domenico Cunego (1727-1803) zu schließen. Erfreulich makellos neutral gestaltete sich die Wortwahl von Kurator Chituţă, der noch am 20. September laufenden Jahres anlässlich der Eröffnung der kürzlich beschlossenen Ausstellung „Waves of the Sublime“ (Schwünge der Erhabenheit) unlautere Meinungsbildung zu betreiben versucht hatte (siehe Beitrag „Papageienarten Südamerikas und 150 Jahre alte Europakarte“ in der ADZ vom 26. September 2019).