Lohnt sich nicht!

Man sollte meinen, es sei ein Vorteil, wenn man als reisefreudiger Mensch nahe am Bahnhof wohnt. Pustekuchen – es ist ein Albtraum! Denn wenn der Bahnhof zu nahe liegt, will einen kein Taxifahrer mit dem schweren Gepäck dorthin bringen. „Das lohnt sich nicht!“, sagt einem da so mancher dreist ins Gesicht. Selbst der alten Dame, die mit ihrer Schwester zum Arzt unterwegs war und kurz vor der Praxis feststellte, dass der Weg zu Fuß doch etwas zu weit ist, wurde die Beförderung mit dieser Begründung verweigert – und dies, obwohl sie bereit war, mehr zu bezahlen! Auch bei Verkehrschaos hat man seine liebe Not, einen transportwilligen Chauffeur zu finden. Die lange Stehzeit im Stau ist nämlich – na, raten Sie mal – für ihn nicht lohnenswert. Lieber steht er leer am Taxistand, bestaunt seine mit vielen bunten Heiligenbildchen und güldenen Kreuzen dekorierte Konsole und hört Manele, anstatt sich für Kleingeld anzustrengen. 

„Lohnt sich nicht“ ist ein typisch rumänisches Phänomen, das sieht man schon an den Supermarktkassen, wo Münzgeld verschmäht auf dem Tresen liegenbleibt. Nicht mal die Kassiererin will es einstecken. Sicher hat sie im Kopf zuvor ausgerechnet, dass der Kalorienverlust beim Ausfahren des Armes und Umschließen des Geldstücks mit den Fingern nicht annähernd durch die Kaufkraft des Münzchens kompensiert werden kann. Aus diesem Grund nehmen wohl auch Bettler nur ungern Hartgeld. 

„Lohnt sich nicht“, das steht auch den Marktfrauen ins Gesicht geschrieben, wenn man bloß drei Tomaten kauft, doch wenn man unterwegs ist und nur mal schnell am Wegesrand Brotzeit machen will, kann man schlecht zwei Kilo Gemüse vertilgen.

Wenn „Lohnt sich nicht“ weiter um sich greift, dann wird wohl auch der Arzt eines Tages sagen: „Was, nur ein Blinddarmdurchbruch? Das lohnt sich nicht! Ich warte lieber, bis eine Herztransplantation kommt.“

Der Patient – zufällig vielleicht der obige Taxifahrer – segnet also das Zeitliche und klopft erwartungsvoll an die Himmelspforte. Nach endlos scheinender Wartezeit hört man von drinnen jemanden in Pantoffeln heranschlurfen, dann guckt der alte Petrus durch den Spion. Doch da an diesem Tag kein weiterer frommer Mensch gestorben ist, schnarrt es durch die himmlische Sprechanlage: „Für eine Seele das schwere Tor entriegeln? Das lohnt sich nicht! Reih dich mal lieber in die Warteschlange vor dem offenen Höllentor ein...“