Luftverschmutzung in Bukarest: Ursachen und Lösungen

Ansätze zur Verbesserung der Luftqualität in der Hauptstadt

Bukarest braucht mehr Rad- und Rollerwege, damit die Einwohner freiwillig auf das Auto verzichten und sich die Blechlawinen reduzieren.

Zu wenig Grünflächen, zu oft zweckentfremdet: zugeparkt, zugebaut, als Müllhalde missbraucht...
Fotos: Pixabay

Luftverschmutzung in Bukarest: Ursachen und Lösungen
Ansätze zur Verbesserung der Luftqualität in der Hauptstadt / Von [erban C˛p˛]ân˛

Seit einigen Jahren sorgt die Luftverschmutzung der Hauptstadt immer öfter für Schlagzeilen. Sei es wegen der Verkehrslage, den mangelnden Grünflächen oder aber den illegalen Müllverbrennungen und dem spürbar verbreiteten Gestank, dass die neuen Messstationen immer öfter und höhere Überschreitungen der erlaubten Luftverschmutzungswerte registrieren. Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten, den „toxischen Raum“ und die „Falle für die Stadtbewohner“ – wie Prof. Dr. Cristian Ioja von der Universität Bukarest es bildlich ausdrückt – wieder in einen freundlichen Lebensraum zu verwandeln. Dafür sei jedoch eine „bedeutende Änderung des Paradigmas“ nötig, im Sinne der „Änderung des Mobilitätverhaltens“ der Bevölkerung, so der Bürgermeister des 6. Bezirks, Ciprian Ciucu.

Als Luftverschmutzung wird generell der Bestand unterschiedlicher Schadstoffe oder Partikel in der Luft verstanden, welche von den Menschen eingeatmet werden und gesundheitsgefährdend sind. Als Maß gelten diesbezüglich insbesondere die sogenannten Feinstaubpartikel PM10 und PM2,5 mit einem Durchmesser von bis zu 10 bzw. 2,5 Mikrometer – im Vergleich dazu beträgt der Durchmesser eines Menschenhaares rund 100 Mikrometer. Zusätzliche Schadstoffe, welche die Bukarester Bevölkerung einatmet, sind Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxide (NO2), Kohlenstoffmonoxid (CO), Benzon (C6H6) sowie Ozon, Ammoniak, Blei sowie organisches Material. Je kleiner ein Partikel, desto länger schwebt er in der Luft herum (manchmal sogar wochenlang!) und kann von Mensch und Tier eingeatmet werden. Größere Partikel bleiben eher in den Schleimhäuten des Rachenraums oder in der Nase stecken, kleinere Partikel gelangen hingegen direkt in die Lunge. Die Partikel können aus unterschiedlichen chemischen Stoffen bestehen und von verschiedenen Umweltverschmutzern stammen, sei es von natürlichen, wie Vulkanausbrüche oder Pollen, oder solchen aus menschlichen Tätigkeiten.

Auswirkungen auf die Gesundheit

Alle diese in der Luft schwebenden Partikel können zu überaus schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen und zwar insbesondere bei Kindern, wobei Lungenerkrankungen wie Asthma am häufigsten vorkommen. Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass bei einer Erhöhung der PM10-Konzentration um 10 Mikrogrammg pro Kubikmeter die Lungenkrebsrate um 22 Prozent steigt, bzw. um 36 Prozent im Falle der PM2,5-Partikel, erklärte Matei Alexianu in seiner Studie zur Luftverschmutzung in Bukarest, die von der Hanns Seidel Stiftung und dem Verein „}ine de noi“ gefördert wurde. Somit sollte die durchschnittliche Konzentration an PM2,5-Partikeln in ganz Rumänien im Jahr 2021 ein heftiges Alarmzeichen sein. Um rund drei Mal übersteigt sie das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Limit!

Eine Studie des rumänischen Gesundheitsamts über die Jahre 2010 bis 2017 zeigte, dass die Einhaltung der im Jahr 2010 gesteckten Umweltziele für Bukarest zu einer bis zu vier Jahre längeren Lebenserwartung der Stadtbewohner führen könnte.

Nicht nur Lungenkrankheiten werden von den unterschiedlichen Schadstoffen ausgelöst, sondern auch Kreislauf-, Leber- oder Bluterkrankungen sowie ein erhöhtes Schlaganfallrisiko.
Finanziell gesehen übt dieses erhöhte Erkrankungsrisiko einen ebenso erhöhten Druck auf das Gesundheitssystem aus: Eine europaweite Studie besagt, dass Bukarest mit rund 3000 Euro pro Person pro Jahr die höchsten Gesundheitskosten EU-weit stemmen muss (wobei der Betrag etwas relativiert werden muss, zumal zahlreiche Patienten eigentlich keine Bukarester sind, sondern sich nur in der Hauptstadt von guten Spezialisten behandeln lassen).

Politische Konsequenzen

Da unser Land mehrere Zielsetzungen der EU zum Umweltschutz, zur Müllentsorgung und zur Vorbeugung der Luftverschmutzung nicht einhält, hat die EU derzeit elf Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien eröffnet, die sich zu den bereits drei laufenden Anzeigen beim EU-Gerichtshof und den zwei bereits bestehenden Verurteilungen diesbezüglich hinzugesellen. „Die Situation könnte tatsächlich noch viel ärger sein als angegeben wurde. Es besteht das Risiko, dass die Luftverschmutzung in bestimmten Fällen unterbewertet wurde“, schreibt die EU-Kommission im Jahr 2017. Denn unabhängige Messstationen (beispielsweise: airly, aerlive) messen deutlich höhere Werte als die offiziell angegebenen.
Umweltverschmutzer:

Verkehr & Straßen

Umweltexperte Prof. Dr. Cristian Ioj˛ von der Fakultät für Geographie in Bukarest meint, dass 80 Prozent der Lufverschmutzung mit Stickstoffdioxid und Kohlenmonoxid, bzw. fast die Hälfte der Luftverschmutzung mit PM2,5- und PM10-Partikeln auf den Straßenverkehr selbst und auf die veralteten Fahrzeuge zurückgeht. Über die Hälfte der insgesamt 1,8 Millionen Fahrzeuge, die täglich in Bukarest verkehren, seien über zehn Jahre alt und würden größtenteils umweltschädlicheren Diesel als Treibstoff nutzen. Hinzu kommt noch der Straßenzustand selbst sowie eine fehlende oder nicht fachgerechte Straßenreinigung, Faktoren, die zur Wieder- und Weiterverbreitung der Luftverschmutzung beitragen. Die zahlreichen größeren oder kleineren Baustellen, die überhaupt keine Maßnahmen zur Staubverbreitung treffen, belasten ebenfalls die Umwelt – genauso wie der unterentwickelte und wenig umweltfreundliche öffentliche Verkehr oder die fehlende Park-Infrastruktur für Pendler am Stadtrand, was zur Nutzung des eigenen PKWs in der Hauptstadt führt.

Heiz- und Kühlanlagen…

...sind die zweitgrößten Luftverschmutzer. 43 Prozent Luftverschmutzung mit den gefährlichen PM2,5-Partikeln sind auf private Anlagen zurückzuführen. Auch die Fernwärmeproduktion leistet ihren Anteil, zahlreiche Energiefabriken besitzen keine entsprechenden Filteranlagen, die Abgase entweichen einfach in die Luft, bemerkte der Journalist C˛t˛lin Dosca{ von Buletin.de Bucure{ti im Jahr 2020.

Die Industrie…

…ist generell für die Verbreitung der Schwefeldioxide zuständig – und zwar in einem Ausmaß von bis zu 62 Prozent.

Fehlende Grünflächen

Die Erweiterung der Stadt während der letzten beiden Jahrzehnte ist stark auf Kosten der umliegenden Grünflächen gegangen. Zusätzlich dazu findet man noch immer zahlreiche Stellen, an denen Bauschutt oder Müll einfach abgeladen werden.

Die Stadt selbst bietet nur sieben Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner im Vergleich zum EU-Durchschnitt von 18 Quadratmetern, was weiterhin die Erneuerung der Luft behindert. Zahlreiche Grünflächen werden als Parkplätze benutzt, andere in Baugrund umgewandelt.

Mülldeponien und Müllverbrennungen...

...in der Nähe von Bukarest sorgen immer öfter für Schlagzeilen. Im Februar 2020 wurden deswegen bis zu 700 Prozent größere Luftverschmutzungswerte als erlaubt registriert.

Mögliche Maßnahmen

Auf Grund der angeführten Luftverschmutzer ist es klar ersichtlich, dass die Einführung zahlreicher Maßnahmen, auch zur Verbesserung des Verkehrsflusses, große Wirkung hätte. Die Einführung einer lokalen Umweltschutzgebühr für ältere Fahrzeuge, die Förderung elektrischer Fahrzeuge, bestimmte Restriktionen für Lieferfahrzeuge oder Schwertransporter sowie die Förderung von Car-Sharing-Projekten wären gute Ansätze. Die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und dessen Einbindung in ein weitläufiges kohärentes Konzept, sodass man auch leicht jede Ecke der Stadt erreichen kann, sowie die Erweiterung der Parkmöglichkeiten für Pendler am Rande der Stadt würden die Anzahl der Fahrzeuge im Stadtzentrum stark mindern. Zusätzlich dazu kann die Erhöhung des Angebots an Elektrorollern sowie die Eröffnung weiterer Fahrradwege bis in die Bezirke hinein (also nicht nur auf den Hauptstraßen) ebenfalls helfen, gleichso wie die Erhöhung und Erweiterung (falls möglich) von Fußgängerzonen. In Städten wie Kopenhagen, Amsterdam oder Ljubljana hat die Einführung von Fahrradwegen und die Erhöhung der Straßennutzungsgebühren zu einer immer höheren Anzahl an Fahrrädern geführt (in Kopenhagen gibt es sogar mehr Fahrräder als PKW) und dementsprechend auch zur Minderung der Luftverschmutzung.

Und eine entsprechende und häufigere Reinigung der Straßen sowie die Einhaltung von Umweltschutzmaßnahmen bei Straßenarbeiten oder auf Baustellen würde die Luftverschmutzung weiter reduzieren.

Außerdem müssten die Modernisierung der Heiz- und Kühlanlagen und die Förderung eines Übergangs zu grünen oder zu energieeffizienteren Anlagen angesprochen werden. Allein die Neupositionierung der Abgasrohre an höchster Stelle würde zu einer messbaren Verbesserung der Luftqualität auf Straßenniveau führen.

Was die Müllverarbeitung und die illegalen Müllverbrennungen angeht, müsste die Tätigkeit der Umweltschutzbehörde und der Polizei als zusammenarbeitende Kontrollbehörden neu überdacht werden, um die Effizienz der Kontrollen zu steigen – beispielsweise finden zahlreiche illegale Müllverbrennungen während der Nacht statt, wenn normalerweise kein Kontrollteam im Einsatz ist. Strengere Strafen würden ebenso helfen, aber sie müssten auch eingezogen werden. Des Weiteren sollten die Mülldeponien gereinigt und modernisiert und gleichzeitig das Recyclingsystem gefördert und verbessert werden, damit einerseits weniger Müll entsteht und andererseits die Deponien effizienter arbeiten – denn auch alter Müll setzt giftige Substanzen in die Luft frei.
Gleichzeitig müsste jeder Bezirk und die Stadtverwaltung insgesamt mehr auf seine Grünflächen acht geben und diese erweitern, sowie einen „grünen Ring“ um die Hauptstadt anlegen. Diesbezüglich ist aber auch eine besseren Koordination zwischen den unterschiedlichen zuständigen Behörden nötig, sowie die Ausarbeitung und Nachvollziehung eines nachhaltigen Umweltplans und die Sensibilisierung der involvierten Personen.