Mehr Zeit mit der Familie

Was tun Jugendliche mit ihrer Zeit während der Pandemie

Skizzen von Bianca Stăncescu sind inspiriert vom Ausführen des Hundes rund um den Wohnblock.

Die Coronavirus-Pandemie ist eine Herausforderung für uns alle. Da bleiben Jugendliche nicht verschont. Das feste Programm, die Treffen mit den Freunden, Hobbys außerhalb des Hauses, Veranstaltungen, Schüleraustausche sind weggefallen. Teenager mussten sich auch von heut auf morgen an die Isolation, an virtuelle Treffen mit den Lehrern anpassen, sich selber ein Tagesprogramm aufstellen. Auch wenn viele junge Erwachsene anfangs die Gefahr dieser Pandemie nicht verstanden und auch heutzutage noch hie und da „Corona-Partys“ stattfinden, ist auch dieser Teil der Bevölkerung besorgt, unsicher und verwirrt. Unangenehme und bisher unbekannte Gefühle treten auf, vielleicht auch Enttäuschung oder Angst über das Ungewisse. Psychologen vergewissern, dass diese völlig normal sind und raten den Betroffenen, mit den Eltern oder anderen vertrauten Personen da-rüber zu sprechen, sowie zuversichtlich zu sein. Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Verbände, Psychologenpraxen und andere haben auf ihren Internetseiten Informationen veröffentlicht, um diese schwierige Zeit psychisch gesund zu überbrücken.

Unicef bietet beispiels-weise auf seiner Internetseite sechs Strategien für Jugendliche, um mit dem vorübergehenden Kontaktverbot umzugehen. Diese wurden von Dr. Lisa Damour, Expertin für Jugendpsychologie, Bestseller-Autorin und New-York-Times-Kolumnistin zusammengefasst. Sie versichert in erster Linie die Teens, dass ihre Sorgen zur aktuellen Situation, sowie zu ihrer Zukunft völlig normal sind. Angst helfe aber auch, Entscheidungen zu treffen, die gerade getroffen werden müssen, um sich selbst und andere zu schützen. Die Expertin gibt auch zuverlässige Informationsquellen wie Unicef oder WHO an, wo man sich richtig informieren kann. In Rumänien gelten auch die Internetseiten stirioficiale.ro, datelazi.ro, cetrebuiesafac.ro, diasporahub.ro, rohelp.ro oder stamacasa.ro, die von der Gemeinschaft für Volontäre „Code for Romania Task Force“ in Partnerschaft mit der rumänischen Regierung, durch die Autorität zur Digitalisierung Rumäniens und dem Departement für Notsituationen ins Leben gerufen wurden.

„Lenke dich ab“: So lautet die zweite Strategie. Hausaufgaben machen, den Lieblingsfilm anschauen, oder ein gutes Buch lesen sind nur einige Tipps zur Ablenkung und zu mehr Balance. Außerdem sollten Jugendliche unbedingt mit den Freunden in Verbindung bleiben. Soziale Medien kommen jetzt mehr denn je zum Einsatz, deshalb können die Teens beispielsweise an Instagram-Challenges wie der #oldpicturechallenge oder der #coronaoutfitchallenge teilnehmen.

Die Zeiten, die wir gerade durchmachen, seien aber auch als Chance zu sehen, sodass sich die jungen Menschen auf sich selbst konzentrieren und das tun sollten, wofür sie nie Zeit hatten: etwas Neues lernen, ein neues Buch anfangen oder mit einem  Musikinstrument üben. Auch lädt die Expertin ein, in sich hinein zu hören. Das heißt, dass sich die Jugendlichen ihren Gefühlen stellen müssen und diese verarbeiten sollen, auch wenn es um Frustration, Enttäuschung oder Motivationsverlust geht. „Du darfst traurig sein! Und wenn du es zulässt, traurig zu sein, dann wirst du dich schneller besser fühlen“, schreibt die Expertin. Wichtig ist es auch, aktiv und hilfsbereit zu bleiben. In Deutschland gibt es sogar eine „Nummer gegen Kummer“, wo Jugendliche Hilfeleistung bekommen.

Der letzte Tipp auf Unicef-Seite ist, freundlich mit sich selbst und den anderen zu sein. Dabei geht es darum, achtsam mit Freunden und Bekannten umzugehen, diesen zu helfen, wenn sie beispielsweise merken, dass sie gemobbt werden. „Denk daran: Mehr denn je müssen wir jetzt darauf achten, was wir teilen, sagen oder schreiben, damit wir andere nicht verletzen.“


Jugendliche aus Rumänien erzählen, wie sie die Corona-Pandemie erleben

Online-Unterricht ist ziemlich schwierig

„Es gibt keinen Film und keinen Serienfilm auf Netflix, den ich nicht zumindest zu sehen begonnen habe“, erzählt der Neuntklässler Răzvan. Bevor die Pandemie ausgebrochen ist, ging er nach dem Unterricht drei Mal die Woche zum Basketballtraining, die anderen Wochentage hatte er Nachhilfestunden und kam immer spät abends nach Hause. „Ich muss ausgehen, um nicht zu sterben, aber seit diese Ausgangssperre eingeführt wurde, muss ich meine Zeit auch zuhause vertreiben. Ich mache Sprint im Garten, Sport im Haus, soweit es geht.“ Er versteht, dass diese Maßnahmen wichtig sind und hat sich daran angepasst. Womit er noch Probleme hat, das ist der Unterricht. „Der Onlineunterricht findet um 9 oder 10 Uhr morgens statt. Da ich aber erst gegen 11 aufwache, ist es ziemlich schwierig, daran teilzunehmen“, sagt er schmunzelnd.

Auch früher traf ich meine Freunde meist online

Alexandru ist14 Jahre alt und wurde bislang ständig von seiner Mutter aufgefordert, für die Aufnahmeprüfung im Sommer zu lernen. Seit die Schulen geschlossen wurden und auch die Nachhilfestunden in Mathe und Rumänisch ins Online übergegangen sind, ist ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Er nimmt zwar meist an den virtuellen Stunden teil, versucht, den Lehrern, die im Internet zu sehen sind, zu folgen, aber der ständige Druck, sich auf die Prüfung vorzubereiten, ist nicht mehr da, zumindest nicht in dem Maße wie vorher. Manchmal sei die Internetverbindung schwach, oder seine Kollegen quatschen dazwischen während des Unterrichts, sodass es schwer sei, etwas zu lernen, meint er.

„Ich schlafe lange, kann auch faulenzen, spiele am Computer.“ Alexandru spielt schon seit Jahren mit seinen Freunden Computerspiele, bei denen sie sich nur virtuell treffen. „Für mich ist es wie vor der Corona-Krise, ich treffe meine Freunde weiterhin wie gewöhnlich, im Internet. Was mir fehlt, ist das Fahrradfahren im Park, in der Natur und die langen Spaziergänge mit dem Hund“, gibt er zu. „Und ich will, dass diese Zeit endlich endet, dass man auch über etwas anderes spricht, an etwas anderes denkt“.

Die Zeit mit der Familie ist sehr wertvoll

Alessia versucht, in dieser Zeitspanne ihre Hausaufgaben rechtzeitig zu machen, gesund zu essen, viel Sport zu treiben und produktiv zu bleiben. Die Treffen mit ihren Freunden, die Wanderungen, das regelmäßige Training, aber auch die tägliche Routine von einst versucht sie durch Lesen und kreative Aktivitäten zu ersetzen. Die Serienfilme und Bücher, die sie schon lange begonnen, aber nie zu Ende gesehen bzw. gelesen hat, sind jetzt ihre Hauptbeschäftigung. „Ich habe einen historischen Film gesehen, der mich sehr beeindruckt hat und ich habe danach viel über die angelsächsische Kultur gelesen. Ich habe Geoffrey, Wace und Layamon gelesen, alle sind bekannte, aber sehr alte Historiker, die über die Kämpfe der Kelten und die Kultur der Gallier berichtet haben“, erzählt die Elftklässlerin begeistert. Auch wenn ihr die Verkehrseinschränkung schwer fällt, erkennt sie, dass „die Zeit mit meiner Familie sehr wertvoll ist, vor allem, weil ich nächstes Jahr schon zur Uni gehe und nicht mehr Zeit haben werde, mit ihnen zusammen zu sein“.

Wenig Motivation

Mihai hingegen findet in diesen Tagen wenig Motivation, etwas zu tun. Er liest ein Buch für den Unterricht, aber viel mehr will er nicht machen. Er überlegt, vielleicht Bücher aus der Bibliothek der Eltern auszuleihen, oder welche online zu bestellen, er kann sich aber nicht entscheiden. Ihm ist oft langweilig, er sieht keinen Sinn, etwas zu machen, außer Sport, den er regelmäßig trieb. „Ich versuche meine Zeit nicht am PC oder Handy zu vergeuden, aber mir fehlt die Motivation, selbstständig in verschiedenen interessanten Bereichen zu studieren!“

Mehr Zeit für die Leidenschaft

Bianca studiert seit dem vergangenen Jahr Innenarchitektur an der Akademie für Bildende Künste München. Das ist ihr langjähriger Traum. Sie war schon während des Lyzeums im kulturellen Bereich in Kronstadt/Brașov sehr aktiv, hat bei unzähligen Festivals und Veranstaltungen mitgewirkt und sich auch ständig mit dem Bereich Architektur, Design beschäftigt. Mitte Februar ist sie zu ihren Eltern nach Kronstadt gekommen, um die Semesterferien hier zu verbringen. Nun kann sie nicht mehr zurück zur Universität, die Flüge wurden gestrichen, der Unterricht verläuft online. Die praktischen Fächer, jene, die ihr am meisten bringen, sind ausgefallen. Stühle, Lampen, Tassen kann sie nun nur noch am Computer kreieren, sie aber nicht mehr in Realität umsetzen, dazu fehlen die Bedingungen, die sie in der Werkstatt der Universität hatte, die professionellen Utensilien und Materialien. „Das ist das Dümmste!“, sagt die Zwanzigjährige enttäuscht. Dieses Studium war für sie genau das Richtige, sie konnte ihre Kreativität umsetzen, Ideen ausprobieren, gestalten. Nun erhält sie nur theoretische Informationen.

„Ich versuche, zu funktionieren“, sagt sie. „Es ist halbwegs okay“, erklärt sie, denn die in München gewonnene Unabhängigkeit ist im Elternhaus zeitweilig verloren gegangen. Die ersten Wochen der Ausgangssperre hat sie nur im Haus verbracht, sich sogar über die Zeit gefreut, in der sie sich ihren Hobbys widmen konnte. Erst seit einigen Tagen führt sie den Nachbarshund aus oder geht um den Wohnblock spazieren. Doch 95 Prozent ihrer Zeit verbringt sie zwischen den vier Wänden ihres Zimmers, im Sitzen oder Liegen, was sie etwas besorgt. „Ich versuche klar im Kopf zu bleiben und ich versuche, mich nicht mehr unter Druck zu setzen, viele Aufgaben zu lösen, um beschäftigt zu bleiben. Ich genieße mal 40 Minuten mit Oma zu telefonieren, denn arbeiten kann ich auch danach – sogar besser.“

 „Was ich toll finde, ist, dass ich Zeit für Bücher und Design habe. Ich habe einen sehr teuren Online-Kurs kostenlos machen können, weil der Besitzer ihn für wenige Tage unentgeltlich ins Netz gestellt hat. Auch spreche ich viel öfter als früher mit Menschen: mit Tanten, Großeltern, Freunden, Kollegen, Bekannten. Sogar mit den Nachbarn aus dem Wohnblock tausche ich Gedanken aus, wenn wir uns im Treppenhaus begegnen.“ Dass sie mit ihrem Vater nach vier Jahren wieder Schach gespielt hat, oder in Ruhe mit ihrer Mutter den Kaffee trinkt und wie mit einer Freundin erzählt, empfindet sie als ein Geschenk. Ebenso die virtuellen Spielabende mit ihren ehemaligen Klassenkollegen, die in verschiedenen Ländern isoliert sind. Rund zwanzig junge Erwachsene treffen sich auf Skype und spielen zusammen. „Einer von uns zeichnet etwas und die anderen müssen erraten, was es ist“, lacht sie. „Wir müssen uns ablenken, das ist klar. Wir sind nicht in den Ferien, auch wenn es in den ersten beiden Wochen so schien.“

Schlimm findet Bianca die Ungewissheit. Sie weiß weder, wann sie wieder nach München zurück fliegen kann, noch, wann sie wieder in der Werkstatt meißeln, formen, gestalten kann. „Ich hoffe, das Studienjahr wird zu Ende geführt und dann anerkannt“, sagt sie besorgt.

All diese Auf und Abs sind normal, sollten Jugendliche aber nicht aus der Ruhe bringen. Das Schuljahr wird durch Online-Unterricht fortgesetzt, es bleibt auch noch Zeit für Leidenschaften und die virtuellen Treffen mit den Freunden. Umso mehr werden sie sich freuen, wenn sie auch physisch wieder zusammen kommen.


Wo erhalte ich Hilfe?

Das Departement für Notsituationen hat gemeinsam mit dem Verein Proacta EDU die kostenlose Telefonnummer 0800070030 eingeführt, die von montags bis einschließlich samstags, zwischen 8 und 24 Uhr, kostenlose psychologische und soziale Betreuung anbietet.  

Das Bildungsministerium stellt Schülern, sowie Lehrkräften und Eltern zwei Telefonnummern zur Verfügung, 0771.141.767 und 0771.141.750, sowie die E-Mail-Adresse proactaedu@gmail.com.
Sich aussprechen oder mit einem Psychologen sprechen kann man rund um die Uhr auch unter der Telefonnummer 0374 456 420, wo freiwillige Psychologen antworten.

Zur richtigen Informierung über den neuartigen Coronavirus gibt es die Covid-19-Hotline des Nationalen Instituts für Öffentliche Gesundheit, 0800800358, wo mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation non-stop aktuelle öffentliche Beratung angeboten wird.