Nachhaltigkeit und Nachahmung

Sicherungs- und Bestandserhaltungsmaßnahmen an der Mardischer Kirchenburg werden fortgesetzt

Wo Hase und Fuchs einander Gute Nacht sagen, da liegt Mardisch/Moardãs. Von der Straße Hermannstadt/Sibiu – Mediasch biegt man in Marktschelken/Seica Mare ins Kaltbachtal ab und fährt dann eine geraume Strecke vorbei an Feldern, auf denen Pferde und Holzpflug, aber auch Traktoren mit Stahleggen zu sehen sind. Die wunderschöne Hügellandschaft wird ab und zu durch ärmlich aussehende Dörfer unterbrochen. Die Fahrt von Hermannstadt nach Mardisch scheint weit. Die Reise per Bus von München war lang, die Entfernungen veranlassten Johannes Tussbass im Namen der über fünfzig Gefährten zur Frage: „Wo sind wir hier?“ Seine Antwort: „In einer Umgebung, in der Sie sich herzlich aufgenommen fühlen dürfen, wo Sie in gegenseitigem Geben und Nehmen bestandserhaltende Maßnahmen an einer Kirchenburg durchführen und dabei für den Beruf und das Leben lernen.“

Aufgegebene Kirchenburg

Die Dörfer im Kaltbachtal sind klein, ebenso waren es die evangelisch-sächsischen Gemeinden, die in guten Zeiten um 300 Mitglieder zählten, erläutert Friedrich Gunesch, der Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A. B., auf der Fahrt. In diesen Dörfern, die dem Mediascher Bezirk zugehören und von Pfarrerin Hildegard Servatius-Deppner betreut werden, gibt es evangelische Restgemeinden oder gar keine Evangelischen mehr. Von Mardisch hatte man sich verabschiedet. Anfang der 1990er-Jahre war die Ende des 14. Jahrhunderts entstandene Saalkirche nach der massiven Auswanderung der sächsischen Bevölkerung aufgegeben worden. Die sie umgebenden Ringmauern aus dem 15. Jahrhundert sind teilweise zusammengefallen und grasbewachsen. Neben den Schießscharten tauchten weitere Löcher auf. Das danebenstehende evangelische Pfarrhaus wurde an die baptistische Gemeinde verkauft (die es verfallen lässt). 

„Wo sind wir hier?“ fragten sich die am Samstag, dem 30. April, in diese triste Kirchenburg eintretenden Gäste. Im Kirchhof wimmelte es von jungen Männern in Lederhosen, die Bayrisch sprachen. Zwischen Baugerüsten und -geräten, Baumaterialien und -schutt lag eine blau-weiße Stange mit einer Krone aus Tannenzweigen dran. Eingeladen worden war zu einer Familienfeier der Freunde und Unterstützer der Kirchenburg, sagte Friedrich Roth, der Vorsitzende der HOG Mardisch. Die rund 30 angehenden Meister und 20 Auszubildenden der Bauinnung München haben es sich dabei nicht nehmen lassen, am Vortag des 1. Mai den Gästen auch den Brauch des bayrischen Maibaumes zu präsentieren. 

Den Siebenbürgern, mit dem ähnlichen Kronenfest vertraut, ging das fachgerechte Aufstellen des Baumes etwas zu langsam. Ein älterer Rumäne war untröstlich, dass keiner der Burschen den Stamm hochkletterte. A Gaudi wars aber allemal. Aufgetischt wurden Schmalzbrote und siebenbürgische Hanklich. Sie fanden Zuspruch unter den Ehrengästen, Mitarbeitern und Mitstreitern, Zimmererlehrlingen und Schülern der Fachschule für Bautechnik München, den einheimischen Rumänen und Roma sowie den zu Besuch gekommenen, aus Mardisch stammenden Deutschen.

Die Rettung vor dem Zerfall

Zur Feier war eingeladen worden, weil in der Zeitspanne 27. April – 14. Mai fortgesetzt wird, womit man im vorigen Sommer begonnen hatte: der Bestandssicherung der Bausubstanz. Vor fast genau einem Jahr hatten 23 Meisterschüler und vier Lehrer der bekannten Münchner Fachschule über ein Europa-Projekt hier eine minutiöse Schadensaufnahme gemacht und sodann die dringend notwendigen ersten Schritte getan, um den weiteren Verfall zu stoppen. 

Die Rettung dieser Kirchenburg ist auf eine Aneinanderreihung glücklicher Zufälle zurückzuführen. Johannes Tussbass war ein Jahr lang als Entwicklungshelfer in Siebenbürgen gewesen und hatte dabei die verfallenden Kirchenburgen kennengelernt. 2009 lud er drei ehemalige Lehrer der Baufachschule in München zu einem Besuch hierher ein und stellte den Kontakt zum Architekten Jan Hülsemann und zur Leitstelle Kirchenburgen her. Deren Fachleute zeigten als mögliche Objekte, an denen die bayrischen Auszubildenden ihr theoretisches und praktisches Wissen beim Sanieren einer Kirche umsetzen können, Hundertbücheln/Movile, Rothberg/Rosia und Mardisch. 

Dass man sich für letztgenannte Kirchenburg entschied, lag daran, dass der HOG-Vorsitzende Friedrich Roth im gleichen Flugzeug saß, sagte Hans Gröbmayr, der stellvertretende Schulleiter der Münchner Fachschule für Bautechnik. Benötigt wurde nämlich jemand, der Verpflegung und Verköstigung vor Ort sichert, und das übernahm die HOG: Die jungen Bayern sind im nahen Martinsdorf/Metis untergebracht, wo zwei Köchinnen mit der Unterstützung zweier Küchendienstleistender für das leibliche Wohl sorgen. Unterkunft und Verpflegung werden aus einem EU-Projekt finanziert. Am Morgen wird zunächst gelernt – und zwar Rumänisch, mit der pensionierten Lehrerin Inge Bloss, die aus Probstdorf/Stejãris stammt, sowie in den technischen Unterrichtsfächern. Um 11 Uhr fährt man zur praktischen Übung nach Mardisch los, wo bis 18.30 Uhr gewerkt wird. Die Mittel für die Baumaterialien beantragte die Leitstelle Kirchenburgen aus dem Ambassadors Fund for Cultural Preservation der US-Botschaft und bekam 38.000 US-Dollar bewilligt. 

Die Nachhaltigkeit

Die Rettung dieser Kirchenburg hat 2009 begonnen, als aus Spenden der Mardischer Landsleute in Deutschland sowie mit der Unterstützung der gemeinnützigen Hermann Niermann-Stiftung im Herbst das Kirchendach und der nördliche Wehrturm abgedichtet wurden. Was die Vorfahren aufbauten, wird für die Kinder und Enkel erhalten und dies dank zahlreicher Förderer, betonte Bischof Reinhart Guib in seiner Andacht. Die Bedeutung dieser Förderer hob der Abgeordnete des Deutschen Forums, Ovidiu Gant, in seinem Grußwort hervor: Die Präsenz der bayerischen Fachleute stellt neben der tatkräftigen Unterstützung auch einen wichtigen Know-how-Transfer dar. In ihre Arbeiten beziehen die Auszubildenden zahlreiche Leute vor Ort ein, die von den deutschen Kollegen lernen können, zumal es in Rumänien kein ähnliches duales System für das Ausbilden der Facharbeiter gibt wie in Deutschland, sagte Gant. 

Ihr Fachwissen sowie die geplanten Bestandserhaltungsmaßnahmen stellten die Zöglinge der Baufachschule in einzelnen Sparten vor Ehrengästen – darunter Dr. h.c. Barbara Schöfnagel, Sozialattaché an der Botschaft Österreichs, und Landeskirchenkurator Friedrich Philippi – und Besuchern vor. Die Maurertruppe erklärte zum Beispiel, wie das Gemäuer dauerhaft wiederaufgebaut und den lokalen Gegebenheiten entsprechend witterungsresistent verputzt wird. Die Pflasterer demonstrierten, wie mit „pietre“ (Stein) und „nisip“ (Sand) ein charmanter Kircheingang gestaltet werden kann, mit der Wasserführung weg vom Gebäude. Die Vermessertruppe nutzt die moderne digitale Technologie für das Feststellen der Schäden und die minutiöse Dokumentation aller unternommenen Schritte.

Die erste Aufgabe der Zimmerer war, zwei „Klohäusel“ in Mardisch und weitere zwei in Martinsdorf zu bauen. Ausbesserungen werden sie auch am Gemeindehaus in Martinsdorf durchführen, aber auch den Dachstuhl der Kirche denkmalpflegegerecht (mit Holznägeln) reparieren. Im vorigen Jahr seien sie skeptisch beäugt und die Nachhaltigkeit ihres Unterfangens sei hinterfragt worden, heuer hat man sie freudig empfangen und es meldeten sich dreimal mehr potenzielle Mitarbeiter aus dem Dorf als sie annehmen konnten, wonach sie im Vorjahr im Nebenort suchen mussten, sagte Hans Gröbmayr. Wenn die Leute nun kommen und fragen, hoffe er, dass es Nachahmer in der Bevölkerung gibt und diese beginnt, ihre Häuser zu renovieren. Für den Montag war eine Bürgerversammlung geplant, um den Bewohnern im Ort zu erklären, was da getan wird, gab der HOG-Vorsitzende Roth bekannt. Als Ziel nannte er eine „strahlende Kirchenburg“, auf die alle stolz sein sollen.