Ökumenischer Vortrag über die Suche der Wüstenväter

„Umarmung der Welt ist möglich, auch wenn man nicht in ihr lebt“

„Was, wenn wir unser Alleinsein als Möglichkeit zur Spiritualität nutzten?“, fragte Theologe Dr. Paul Siladi in Hermannstadt in den Raum. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – „Alleinsein kann wirklich töten. Es ist wie ein Krieg, in dem man nicht gegen Feinde kämpft“, betonte Dozent Dr. Paul Siladi von der Fakultät für Orthodoxe Theologie an der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg/Cluj-Napoca (UBB) Donnerstag, am 27. April, mittags in der Ökumenischen Bibliothek des Kultur- und Begegnungszentrums „Friedrich Teutsch“ der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR). Keine realitätsferne Behauptung im 21. Jahrhundert, das nicht nur den Begriff der Globalisierung, sondern auch zähe Kritik daran auf den Plan ruft – und das nicht bloß in Staaten mehrheitlich christlich-orthodoxer Bevölkerungen, nein. Denn auch im säkularen Westen macht man sich Gedanken über die tückische Entfremdung von Menschen untereinander im Zeitalter technisch rapiden Fortschritts. Der keine drei Jahre alte Bestseller „The Lonely Century“ („Das Zeitalter der Einsamkeit“) der britischen Ökonomin Noreena Hertz liegt selbstverständlich auch in der rumänischen Übersetzung vor („Secoul singurătății“, Humanitas-Verlag). Genauso wie das Buch „Der Mönch in mir. Erfahrungen eines Athos-Pilgers für unser Leben“ (Styria Verlag, Wien 2006) des österreichischen Journalisten Heinz Nußbaumer, das drei Jahre später ins Rumänische übertragen und vom Verlag der Alexandru-Ioan-Cuza-Universität Iași herausgegeben wurde („Călugărul din mine“). Wird im orthodoxen Rumänien zwischen Kirchenvätern und Wüstenvätern differenziert oder nicht? Fragte man das Dr. Paul Siladi, der von 2009 bis 2011 als Stipendiat des Diakonischen Werks ein Ergänzungsstudium in Journalistik und evangelischer Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bestritten hat, stünde sicher das freundlichste Ja der Welt zur Antwort. Weil „die menschliche Natur sich in 2000 Jahren nicht geändert“ und „die Weisheit der Wüstenväter die Welt mehr als ihre Aktivität beeinflusst hat“. Gut drei Jahre nach seinen bislang letzten Vorlesungen und Gastvorträgen in Hermannstadt schien Dr. Paul Siladi die aktuellen Studierenden des Ökumene-Semesters an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS) davon überzeugt zu haben, dass den Schriften der Wüstenväter nichts Gestrenges anzumerken ist. Weltabgewandtheit alleine garantiert noch keinen inneren Frieden, wie Asket Antonius der Große im 3. und 4. Jahrhundert aus eigener Erfahrung heraus feststellte. Ohne die frühchristlichen Wüstenväter westlich des Nil-Deltas jedoch hätte das Mönchstum eine Initialzündung verpasst und es nicht zum Urheber einer Spiritualität gebracht, die im 20. Jahrhundert wiederentdeckt werden sollte.

Ammon, Poimen, Kyriakos, Onophrios, Hilarion von Gaza oder Arsenius der Große hießen die Wüstenväter im antiken Ägypten, deren schriftliche und allgemeinverständliche Überlieferungen in der theologischen Fachsprache unter dem Titel „Apophthegmata Patrum“ bekannt sind und in der Auslegung vielfältiger nicht sein könnten. Für den Rückzug aus der menschlichen Gemeinschaft in das Gebet zu Gott und danach die bildungssprachlich verstandene Wieder-Umarmung der Welt empfahl jeder von ihnen eine andere Richtlinie. „In der heutigen Welt erscheinen Mönche und Asketen wie Introvertierte“, unterstrich Dr. Paul Siladi (Jahrgang 1982) in Hermannstadt, dabei aber ergänzend, dass „die Wüstenväter das Gegenteil des Alleinseins nicht verneint haben“. Nichtsdestotrotz habe Moses der Äthiopier „die Wüste der Anonymität beworben“ und „davor gewarnt, öffentlich wahrnehmbar sein zu wollen“, so der orthodoxe Theologe aus Klausenburg im Teutsch-Haus. „Stolz ist die Urquelle aller Sünden im Priestertum.“ Unauffällig durch das Leben gehen zu wollen, wäre extrem und könne sich dennoch mit einem Alltag in Gesellschaft vertragen. „Ich plädiere nicht für Weltabgewandtheit, aber ich plädiere für das Lesen von Texten der Wüstenväter“, schlussfolgerte Dr. Paul Siladi im protestantischen Teutsch-Haus. „Ich glaube, dass sie nicht möglich ist, die totale, die perfekte Weltabgewandtheit.“ Und „für uns als Rumänen“ wäre es „aufschlussreich, unsere eigenen Traditionen durch die Augen des Westens zu entdecken“.