Ohne Bettler in der Innenstadt

Kronstädter Wirte bemühen sich um ein schwieriges Problem

Plakate sollen die Kronstädter und Touristen davor warnen, Bettlern Geld zu schenken.

Zum Treffen der Gilde der Kronstädter Gastwirte mit der Presse kamen auch Obdachlose.
Bilder: Breasla Carciumarilor Brasoveni

Eine Terrasse auf der Purzengasse, der bekanntesten Kronstädter Einkaufs- und Freizeitsmeile, an einem ausnahmsweise sonnigen und warmen Tag im Mai. Eine Frau in zerissenen Kleidern und einem Kleinkind auf dem Arm geht von Tisch zu Tisch. Sie bittet um Geld. Meist wird sie abgewiesen, manche Leute stecken ihr jedoch Ein-Leu-Scheine zu. Kaum vergehen fünf Minuten, kommt wieder ein Bettler auf die Terrasse und geht von Tisch zu Tisch. Schließlich kommt es zu einem Streit mit einem Kellner, der mit der Polizei droht. Der Bettler flieht. Es ist eine normale Alltagszene in der Kronstädter Innenstadt. Touristen und Kronstädter haben sich schon längst daran gewöhnt, dass sie beim Essen gestört werden. 

Seitdem die Innenbereiche der Restaurants für Kunden wieder geöffnet sind, gehen Bettler auch in die Lokale hinein und betteln an den Tischen, bis sie von den Kellnern weggeschickt werden. Doch auch wenn man sich energisch zur Wehr setzt, hat man kaum Erfolg. Touristen fühlen sich belästigt, Angestellte der Gastronomie überfordert. Das Problem ist der Polizei längst bekannt, doch zurzeit gibt es keine wirkliche Lösung: Das Gesetz besagt, dass die Polizisten den Bettlern eine Strafe erteilen können, sie dürfen sie aber nicht festnehmen. Die Kronstädter Gastronomen fühlen sich von Polizei und Stadtverwaltung wenig unterstützt. Sie fordern, dass man sich baldmöglichst mit diesem Thema befassen und eine Lösung finden sollte, damit das Betteln wirksam eingeschränkt wird. 

Wirte in Aktion

Gegen das Betteln setzen sich die Kronstädter Innenstadtwirte seit längerer Zeit aktiv ein. Vor drei Jahren haben sich Besitzer von Restaurants, Bistros, Cafés und Kneipen aus der Kronstädter Innenstadt unter dem Namen „Breasla Cârciumarilor Brașoveni“ (Gilde der Kronstädter Wirte) vereint. Insgesamt 15 Lokale, hauptsächlich kleine Familienunternehmen, sind bislang Teil dieser Organisation, die in den letzten Monaten besonders aktiv geworden ist. Sie beteiligen sich aktiv am Kronstädter Gemeindeleben, setzen sich für qualitativen Tourismus ein und für eine enge Zusammenarbeit mit der Lokalverwaltung. 

Vor bereits mehr als einem Jahr startete die Gilde der Kronstädter Wirte ein Projekt, das sich an Kronstädter und Touristen richtet. Diesen wird dabei gesagt, dass die Geste, Bettlern Geld zu schenken, unnötig sei. Man helfe durch diese „Spenden“ nur, die Strukturen organisierter Kriminalität aufrecht zu erhalten. Das Geld, meinen die Vertreter der Gilde, solle lieber an Vereine spendiert werden, die sich mit der Bekämpfung der Armut befassen. 

„Das Geld, das man den Bettlern schenkt, ist keine wirkliche Hilfe. Man hilft nur dabei, dass Kinder und Frauen weiterhin ausgebeutet werden. Die meisten Kinder, die in der Innenstadt betteln, sind verwahrlost, missbraucht, psychisch erschöpft. Wir sollten diesen Kindern helfen, aber nicht indem wir ihnen Geld geben“. Die Plakate in deutscher, englischer, ungarischer und rumänischer Sprache, die davon abraten, den Bettlern Geld zu geben, wurden zusammen mit dem Kronstädter Künstler George Roșu konzipiert. 
„Manchmal siehst du das Auto, das sie am Vormittag in die Innenstadt bringt und sie am Abend wieder wegfährt. Andere Male siehst du sie, wie sie sauber gekleidet in einem dunklen Gang verschwinden, um danach in Lumpen und mit Krücken wieder herauszukommen. Die Leute, die ihnen Geld geben sagen, dass sie es für den Bettler tun. Psychologen meinen, dass wir es für uns selbst tun, damit wir uns weniger schuldig fühlen. 

Das Gesetz 61 / 1991, Artikel 2 hilft niemandem. Die Polizei kann ihnen nur eine Geldstrafe verhängen. Sie darf sie nicht von der Straße nehmen, kann ihr Geld nicht beschlagnahmen. Die Städte sind voller Bettler und wir geben ihnen Geld, um uns besser zu fühlen“, schrieb Oana-Irina Coantă, Vorsitzende der Kronstädter Gilde der Wirte, neulich auf Facebook. Laut Coantă sollten sich die Leute fragen: Ist der Bettler, der uns auf der Straße und im Restaurant um Kleingeld bittet, wirklich hilfsbedürftig? Oder arbeitet er für die Bettelmafia? Werden Kinder dafür missbraucht? 

Kontroverse Aktion: Wirte als Bettler verkleidet 

Anfang letzter Woche  hatte die Gilde der Kronstädter Wirte eine Art Flashmob angekündigt. Dabei sollten sich mehrere Inhaber von Restaurants und Kneipen als Bettler verkleiden und durch die Straßen ziehen. Durch diese Aktion hatten die Wirte vor, die Öffentlichkeit auf das Phänomen aufmerksam zu machen. Doch ihre Initiative stieß auf große Kritik im Internet. Empörte Kunden warfen den Wirten vor, dass es nur eine billige Marketing-Strategie wäre, um Reklame für die Lokale zu machen. Das Betteln sei ein viel zu komplexes Phänomen, als dass man ihm durch schlecht gespieltes Theater begegnen könnte. Viele drohten sogar, die Lokale zu boykottieren, die an der Aktion teilnehmen. Aus diesem Grund wurde auf die kontroverse Aktion verzichtet. 

Stattdessen fand ein Treffen mit der Kronstädter Presse statt, an dem auch ein Vertreter der Direktion für Sozialassistenz und Kinderschutz (DGASPC) und zwei Mitarbeiter von Sozialstiftungen teilnahmen. Doch auch ein paar Obdachlose, unterstützt von einer Kronstädter Sozialaktivistin, kamen zum Treffen. Sie meinten, dass sie keine andere Wahl haben, als zu betteln, da sie keine eigene Wohnung und keinen Arbeitsplatz hätten. Außerdem seien mehrere von ihnen krank. 

Das Phänomen ist komplex

Der Vertreter der Sozialassistenz meinte, dass das Phänomen des Bettelns nicht verschwinden werde. Die einzige Lösung sei ein Gesetz, das es unter Strafe stellt, bettelnden Menschen Geld zu geben. 

Sânziana Vatră, Vertreterin einer humanitären Stiftung, meinte, dass es Projekte gibt, die Obdachlosen und Bettlern helfen, einen Arbeitsplatz zu finden und dass Kronstädter gerne Geld an diese Stiftungen spenden können. Auch Polizei und Lokalverwaltung raten dringend davon ab, den Geldbeutel zu öffnen. Weil die Bettler – wenn überhaupt – nur einen winzigen Teil des Geldes erhalten würden. 

Letzte Woche hat der Vizebürgermeister Sebastian Rusu angekündigt, dass Polizeipatrouillen im Stadtzentrum und in der Nähe des Bahnhofs eingesetzt werden, in der Hoffnung, dass das Problem, wenn nicht beseitigt, wenigstens gemildert wird. „Viele der Bettler kommen aus Ortschaften in der Nähe von Kronstadt und die meisten haben keine Ausweise, so dass es schwer ist, sie zu identifizieren. Dann kommen sie am nächsten Tag wieder“, meint Rusu. Die einzige Möglichkeit sei laut ihm, dass die Leute ihnen kein Geld mehr geben.