Polyglotte Babys und sprachlos machende Politiker

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Keine Frage, es ist besonders vorteilhaft, wenn ein Kind mehrsprachig aufwächst. Sprachwissenschaftler und vor allem die Praxis haben gezeigt, dass Kinder durchaus fähig sind, verschiedene Sprachen voneinander zu trennen, unter einer Bedingung: Die erwachsenen Bezugspersonen müssen sich stur wie tausend Maultiere lediglich in ihrer Muttersprache mit dem Kind unterhalten und nicht wie ausgeflippte Sprach-Kängurus von einem Idiom zum anderen hüpfen.

„Mein Sohn Luka ist drei Jahre und sechs Monate alt und wächst dreisprachig auf. Ich bin Rumänin, mein Mann ist Engländer, und wir sprechen jeder seine Muttersprache mit ihm. Deutsch lernt Luka im Kindergarten. Er begann erst im letzten Sommer zu sprechen, aber ich hatte das Gefühl, dass er alle drei Sprachen, noch bevor er zu sprechen begann, verstand. Nun spricht er alle drei Sprachen, noch keine vollständigen Sätze, doch er schafft es, seine Absichten zu verdeutlichen und sich verständlich zu machen. Mit mir spricht er Rumänisch, mein Mann unterhält sich Englisch mit ihm, und sonst spricht er Deutsch, mit seinen deutschen Freunden.“

Das schreibt Ioana in einem Sprachforum rund ums Baby, und sie verfährt mit ihrem Sohn genau richtig. Es kann aber auch anders laufen. Meine englische Bekannte Scarlett lebt in Stuttgart, wo sie mit Leo verheiratet ist. Ihre kleinen Töchter Mary und Carla sprechen einen mich sprachlos machenden Mix aus Englisch und Schwäbisch, weil die Eltern permanent zwischen diesen beiden Sprachen wechseln. Okay, Schwäbisch ist keine Sprache, sondern ein Dialekt, aber sagen sie das mal Leo, der Schwabe ist.

Das soll jetzt nicht heißen, dass Mary und Carla im späteren Leben Nachteile daraus erwachsen müssen. Man kann sich freilich auch mit einem Schwäbisch-Englischen-Sprachmix gut durchs Leben durchschlagen, aber lediglich, wenn man ein Top-Politiker ist, wie Günter Oettinger 2009 in seiner legendären Rede anlässlich einer Konferenz der New Yorker Columbia University bewiesen hat. Die Rede ist unter dem Titel „Oettinger spricht Englisch“ seit Jahren ein Renner bei youtube, wurde bereits millionenfach abgerufen und ist sowohl für Englisch- als auch Schwäbischsprechende sehr gut verständlich, und zwar dank der Untertitel. Die Sprachforscher überhäuften diese Ansprache mit Superlativen, der brillante Sprachkritiker und Journalistik-Professor Wolf Schneider bezeichnete sie überwältigt als „das Grausamste, was man jemals in englischer Sprache auf der nördlichen Erdhalbkugel hören musste.“

„Eine gute Rede hat einen guten Anfang und ein gutes Ende – und beide sollten möglichst dicht beieinander liegen“, meinte Mark Twain, und John F. Kennedy wusste diesen rhetorischen Tipp zu beherzigen, als er 1963 seine berühmte deutsche Rede vor dem Rathaus Berlin-Schöneberg, auf nur drei Sekunden verknappte: „Ich bin eine Berliner“. Und wenn man sich heutzutage die fremdsprachigen Reden so mancher Politiker anhört, wünscht man sich ganz in Twains Sinn, sie hätten den Anfang und das Ende der Rede miteinander verschmelzen lassen.

Doch zurück zu den mehrsprachigen Kindern: Bis ins Alter von etwa zehn Jahren übernehmen die Kinder einwandfrei den Akzent und die sprachliche Betonung der Eltern. Wie viele Sprachen kann man einem kleinen Kind eigentlich beibringen, ohne es zu überfordern? Mit zwei oder drei Idiomen klappt es problemlos, aber was geschieht denn im Falle Jessicas, die im Sprachforum „Gut zu wissen“ folgendes Problem äußert:
„Hallo ich bin Jessica, hab Muttersprache Deutsch und Polnisch. Wird es Komplikation geben wenn meine Mann Arabisch und Freundin Japanisch kann und wir unserem Kind Horst-Kevin Teletubbies auf Russisch zeigen und eine Französisches Kindermädchen anstellen? Als Paar unterhalten wir uns auf Englisch.“
Diese Mutter greift wohl nach den Sternen und möchte Horst-Kevin als Star in den Himmel der Polyglotten katapultieren. Chapeau, kann man da nur sagen, so viel grenzenloser Ehrgeiz macht einen einfach nur sprachlos, und man kann höchstens noch in der Sprache von Tinky Winky, Dipsy, Lala und Po zu Jessica sprechen: „Oh no, Jessica! Bad! Run away!“