Randbemerkungen: Kampfgeheul ohne Kampf

In der rumänischen Kommentarelandschaft ist man sich ziemlich einig: Wer nach dem abgetakelten General Ciucă Premierminister wird, kann jeden Vergleich nur für sich entscheiden. So nimmt man die Wuseligkeit und das mediale Kampfgeheul des Nachfolgers Ion Marcel Ciolacu schon als Siegeszeichen, ohne noch auf den Ausgang des Kampfes zu warten. Was übrigens landestypisch ist…

Wen kümmert´s noch besonders, wie das Ringen der Ciolacu-Regierung um die Verbilligung der Grundnahrungsmittel ausgeht (übrigens etwas, was man sich bei den Franzosen abgeguckt hat…)? Hauptsache, die Masse der Wähler registriert mittels der gut geölten Propagandamaschine und der ergebenen Medien, dass die Regierung Ciolacu eine solche Absicht hat. Wenn Fakten keine Chancen haben, müssen sie durch clevere Kommunikation festgenagelt werden. 

Dabei geht PSD-Chef Ciolacu einen glitschigen und für seine Partei nur bedingt typischen Weg. Seine Vorgänger an der Spitze der mitgliederstärksten und in den Umfragen vorherrschenden Partei hatten sich im selben Aktionsschema festgefahren: Knapp ein Jahr vor anstehenden Wahlen haben sie sich aus irgendeinem Grund vom Regieren zurückgezogen, das Steuer anderen überlassen, um im Wahlkampf alle Fehltritte, die sie selber während ihrer Regierungsjahre verschuldeten, den zeitweiligen Nachfolgern frech in die Schuhe zu schieben – und die anstehenden Wahlen als Saubermänner/-frauen für sich zu entscheiden. Daraufhin haben sie wieder drei – nicht vier! – Jahre nach Lust und Laune und mit fraglicher Kompetenz (aber immer mit persönlichem finanziellen Erfolg) geherrscht, um anderen die glühenden Kohlen im Vorwahljahr im Feuer zu lassen und die darauffolgenden Wahlen wieder für sich zu entscheiden. Diese Rechnung war immer aufgegangen.

Ciolacu will anscheinend – und dafür spricht sein ganzes Handeln seit Regierungsübernahme – mit Demagogie, Populismus, Propaganda/Kommunikation und großzügigem Ausschütten von Haushalts- und EU-Geld über die Runden kommen und sich binnen der kommenden 15-16 Monate jene Marge an Popularität und Glaubwürdigkeit sichern, die ihm vielleicht zum künftigen Präsidenten Rumäniens machen könnte. Sämtliche vier Mittel, die er bisher ins Feld wirft, bringen zwar nichts Konkretes und für das Land keinen Fortschritt in keinerlei Richtung, aber es sind die „politischen Mittel“, an die sich das Wahlvolk Rumäniens gewöhnt hat, weil ihm nichts anderes/Besseres vorgesetzt wird. In diesem Sinn ist dieser PSD-Ciolacu um keinen Deut besser als seine Vorgänger Nicolae Ciucă, Florin Cîțu oder Ludovic Orban – um nur die Premierminister der PNL zu nennen, die alle mit dem ausdrücklichen (auch in der Verfassung vorgeschriebenen) Segen von Präsident Klaus Johannis in Amt und Würden gelangt sind – und unterm Strich nichts geleistet haben.
Bisher ist vom PSD-Premier Ciolacu nichts bekanntgeworden, was in Richtung Lösung einer der Krisen gehen könnte, die auf Sturm stehen: Die überhöhten Energiepreise, die Inflation, die hohen Zinsen, das rasant steigende Haushaltsdefizit, die Ungerechtigkeit des Rentensystems, das lückenhafte Einsammeln der Steuerverpflichtungen, die Verlegung der internationalen Handelsrouten (nicht nur für Getreide), der Ukrainekrieg, die drohenden Generalstreiks in lebenswichtigen, aber chronisch vernachlässigten Lebensbereichen (Bildungswesen, Gesundheit, Sozialwesen usw.), die chronische Armut der Bevölkerung, die Kompetenzlosigkeit und das clangeprägte Auswahlsystem der Führungseliten, usw.
Der Fall Ciolacu suggeriert bereits die Quintessenz einer humorig gemeinten, aber umso traurigeren Feststellung über die „Dampflokomotive des Kommunismus“, die auf der Transsibirischen kaputtgeht und über die, nach Untersuchungen internationaler Expertenteams, das Verdikt fällt: Die ganze Energie geht in die Dampfpfeife, zum Schub bleibt nichts übrig…