Randbemerkungen: Krieg, Getreide, Hunger

In Friedenszeiten, so heißt es, kann/konnte die Ukraine, neben ihrem Eigenbedarf, rund 400 Millionen Menschen ganzjährig mit Getreide versorgen – schreibt „Politico Europe“. Auf den (überwiegend) Schwarzerdefeldern der Ukraine wachse ein Zehntel der globalen Getreideproduktion. Auch rund die Hälfte des Sonnenblumenöls, das bis Februar 2022 weltweit gehandelt wurde, kam aus der Ukraine.

Wer diese Daten kennt, gibt sich Rechenschaft über den Schock, den eine durch den Aggressionskriegs Russlands bedingte drastische Verringerung des Getreide- und Sonnenblumenhandels der  Ukraine in der Ernährungslage der Welt ausgelöst hat. Und man versteht auch, wie wichtig das Abkommen über die ungehinderte Verschiffung ukrainischen Getreides ist, das von der Türkei und der Uno mit Russland ausgehandelt wurde. Es läuft allerdings demnächst aus und muss erneuert bzw. verlängert werden. Und spätestens bis dahin müsste auch die Frage der Transportkorridore für das ukrainische Getreide und der Rohstoffe für Speiseöl durch die Nato- und EU-Staaten ihrer Nachbarschaft geklärt werden, was in Polen, Ungarn, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien für so viel Unruhe unter den Getreidefarmern und für Spannungen der Regierungen mit der EU-Kommission gesorgt hat.

Am schäbigsten benahm sich wieder mal der PSD-Clown an der Spitze des rumänischen Agrarministeriums (erinnert sei an seine Hymnen an die Schafe und seine hysterischen öffentlichen Auftritte zugunsten der Ausrottung der Kormorane, die den rumänischen Fischern und Fischzüchtern den Fang streitig machten), indem er in einer Regierungssitzung untertänigst um den Schutz seiner „Regierungskollegen“ bat, als die Farmerverbände und die Opposition seine Abdankung wegen eklatanten Versagens in der „Getreidekrise“ forderten. 

(Wie immer hierzulande in solchen Momenten: Die Krise wurde mit einer Geldspritze aus Regierungsmitteln – also zu Lasten von uns allen – abgewendet. Brüssel tat das Übrige, indem die Kompensationszahlungen an die polnischen, ungarischen, rumänischen, bulgarischen und slowakischen Getreidebauern erhöht wurden – beide Geldspritzen erst mal als reine Versprechungen.)

Über 440 Tage, nachdem Russland den Ukrainekrieg vom Zaun gebrochen hat, besteht immer noch ein weitreichender Konsens des Abendlands betreffs der Notwendigkeit der Unterstützung der Ukraine, auch wenn manche der Regierungen (vor allem Orbáns Ungarn) und politische Bewegungen (die extrem Rechten und die Linksextremen) an diesem Konsens nach Kräften rütteln. Unter dem Druck einer effizienten russischen Propaganda gibt es sogar Nutzerländer des ukrainischen Getreides – die davon fatal abhängen (ihre Alternative heißt: ukrainisches Getreide oder Hunger) – die der Meinung sind, am besten sollte die Ukraine nachgeben, vor Russland kuschen und Frieden schließen, damit eine Art Vorkriegs-Ordnung hergestellt werde, die ihnen als das Sicherste scheint.

Andrerseits kann man auch aus der russischen Propaganda manchmal nützliche Winke herausfiltern. Dass Putin die Getreidekrise als Druck- und Kriegsmittel verwendet, liegt auf der Hand. Ebenso stimmt leider auch, wenn die Russen behaupten, das Getreide der Ukraine, das sie „durchlassen“, lande nicht vollständig in den armen Ländern, um Hungerkrisen abzuwenden – sondern oft bei den Reichen als Profit-Potenziermittel. Implizite, die Preissteigerungen bei Getreide und Brot geschehen auch mit Getreideüberschuss aus der Ukraine in einigen mittelreichen bis reichen Ländern – den die Verschiffung möglich gemacht hat. Viele dieser Länder seien europäisch…

Als Bürger eines Landes mit hohem Brotverbrauch (mehr als ein halbes Kilo/Tag/Kopf) und wissend, dass billiges ukrainisches Getreide beim Durchqueren Rumäniens „verlorengeht“, fragt man sich naiverweise, ob die Brot- und Backwagenpreise nicht sinken müssten, bei dieser „unlauteren Konkurrenz“?