Randbemerkungen: Landwirte versus Umwelt

In der EU haben die Niederlande die höchste Dichte an Schlacht-, Nutztieren und Geflügel pro Territorialeinheit. Rinder-, Schweine- und Geflügelzucht von der Leistungsfähigkeit der Holländer schaffen aber den Niederländern auch massive Umweltprobleme: wohin mit dem vielen Mist – ganz abgesehen vom Zwang der Futtermittelerzeugung (oder -importe), dem (vor allem in der Rinderzucht und Milchtierhaltung) anfallenden Kohlenstoffausstoß, den Verunreinigungen und Abfällen beim Schlacht- und Verarbeitungsprozess und einer Vielzahl anderer Probleme, die man als Verbraucher einfach übersieht. Oder wegdenkt, wenn man ins Butterbrot mit hauchfein geschnittenem Rinderschinken reinbeißt.

Das Stickstoffproblem der Niederlande geht so weit, dass die Autorisierung für den Wohnungsbau oder das Transportwesen die Verpflichtung beinhaltet, Stickstoffkonzentrationen zu verringern. Die Reaktion der Farmer der Niederlande war umgehend und typisch für Mentalitätsäußerungen der Landbewohner, etwa: Nur wir, die holländischen Landwirte, werden gezwungen, den Stickstoffausstoß zu verringern, die Industrie zwingt niemanden dazu! Im Frühjahr 2022 gab es daraufhin massive Proteste – und was wir seit Dezember 2023 mit mehr oder weniger hoher Intensität in der gesamten EU erleben sind eigentlich Nachahmungstaten jener Proteste. Auch, weil die Landwirte der Rest-EU die holländische Protestbewegung als Wirkung einfach pauschalisierten und keinerlei Nuancen zur eigenen Lage ausmachten. Oder die Unterschiede nicht sehen wollten.

Im Moment, und vor Beginn des EU-Wahlkampfs, zeichnet sich ab, dass der Schritt zurück, den die Politiker in Sachen Umweltschonung – wie ich finde: voreilig – gemacht haben, die Gemüter etwas beruhigt hat – mit einigen Ausnahmen: Deutschland, wo die Landwirte stur auf ihrer Dieselsubventionierung bestehen, Rumänien und die Anrainerstaaten der Ukraine, die die EU um Gelder schröpfen wollen angesichts vorgeblichen Preisdumpings vermittels ukrainischem Billiggetreide. Was man allerdings in Rumänien mit keinem Ban  in den Preisen fürs Brot sieht! – Und da stellt sich die Frage, wer die potenzierten Gewinne einstreicht.

Hinter den Protesten der Landwirte wird richtigerweise eine gewisse Bauernschläue im Urzustand vermutet: Wir spannen mal den Bogen, soweit es überhaupt geht – die Geduld der europäischen Öffentlichkeit und das Verständnis für Proteste sind grenzenlos, auch weil unter Städtern zunehmend eine Nostalgie nach Landidylle grassiert! – und schauen mal, was für uns rausschaut. Schaut man sich ihre (oft brutal formulierten) Protestsätze an, geht es einerseits um die Rolle der Bauernschaft (in etwa wie in der Bundschuhbewegung vor Jahrhunderten – „Da Adam grub und Eva spann…“) andrerseits um Mainstream-Meinungen zur Regierungspolitik und -koalition (wo die Medien wieder mal nicht unschuldig sind…).

In keinem EU-Land mit protestierenden Landwirten war von den Profiten eines mittleren Bauernhofs die Rede, die auch (hauptsächlich?) mittels Subventionen – Staat und EU – erwirtschaftet werden! Oder von persönlichen Vorteilen, die ein Landwirt heute genießt. Sein Leben besteht doch nicht nur aus Schuften… Wär´s so, wär er längst weggelaufen. Das Ukrainegetreide ist doch eher ein Vorwand, als ein Grund zu Protesten.

Die EU-Politik hat wegen der Bauernproteste die Umweltreformen auf Eis gelegt. Auch, um in Ruhe Wahlkampf zu führen. Spannend wird’s wohl wieder nach der Europawahl, wenn das EU-Parlament neukonfiguriert ist. Man darf davon ausgehen, dass die Kandidaten gern die Stimmen der militanten Bundschuhleute hätten. Aber ob sie danach auch bereit wären, die oft hart am Rand des Machbaren balancierenden Forderungen der Landwirte zu erfüllen? Wenn ja: zu welchem Preis für uns alle? Hollands Farmerpartei BBB hatte 2022 einigen Erfolg, sackte danach aber (von 20 auf 5 Prozent) ab…