Rotkäppchen und der böse Wolf im Banater Wald

Neue grimmige Märchen

Die Wirtschaft kränkelt, die profitablen Geschäfte der Holzmafia blühen wie nie zuvor: Holztransporter, ein Alltagsbild auf den Banater Straßen, hier im Gebiet Nadrag
Foto: Zoltán Pázmány

Liebe Leute, es steht richtig schlecht um unsere Märchen: Wer glaubt heute noch an Märchen? Das Grimmsche Märchen von Rotkäppchen und dem Wolf im schönen, grünen Wald ist leider hierzulande zu einem grimmigen Märchen geworden. An Rotkäppchen und den Wolf glauben wohl noch einige unschuldige Seelen, die Kleinsten aus dem Kindergarten, wenn sie im Fernsehen nicht eines anderen belehrt wurden. Das Problem liegt beim Wald, der in unseren Breitengraden bald gar nicht mehr da sein wird. Und doch, Gott sei Dank, Rotkäppchen gibt es noch, auch den bösen Wolf: Wie alljährlich, wird von unseren Märchenerzählern, der Regierung, mit der Wiederaufforstungskampagne „Monat des Waldes“ vom 15. März bis zum 15. April dieses Waldmärchen wieder ausgeschrieben. So auch für alle Banater und Temescher Forstverwaltungen. Zum Einsatz kommen alle nur aufzutreibenden lokalen Rotkäppchen, das heißt die Leute von den Forstrevieren, von der Umweltschutzbehörde. Auch heuer hoffte man, trotz vieler Bedenken, auf zahlreiche Freunde der Natur und des Waldes, private und Umweltschützer aus Privatunternehmen und regierungsunabhängigen Organisationen, auf die Hilfe von Jugendlichen und Schülern, denen diese große Sache doch noch am Herzen liegen sollte. Heuer scheint jedoch nicht mal die Natur mitmachen zu wollen: Wie überall im Banat, verstärkt im südlichen Banat aber auch in der Hügelgegend des Kreises Temesch, machte der Winterrückfall mit viel Schnee, niedrigen Temperaturen und eisigem Wind den Umweltschützern einen dicken Strich durch das Märchen bzw. die Rechnung. Die Aufforstungsaktionen mussten, zum Großteil kaum begonnen, auch schon abgebrochen und bis auf Weiteres verschoben werden. Sowieso scheint unserem schönen, grünen Wald ausschließlich mit solchen großzügigen aber leicht propagandistischen Großaktionen kaum mehr geholfen zu sein. Einen Monat von zwölf heißt es Aufforsten, in den restlichen elf Monaten wird tüchtig Raubbau und illegale Abholzung, mancherorts gar brutaler Kahlschlag betrieben. Im Klartext: Der böse Wolf, die profitgierige Holzmafia, treibt das ganze Jahr hindurch, kaum gestört oder komplizenhaft von Leuten aus den Forstrevieren unterstützt, ihr Unwesen.

Kleine Aufforstung, große Abholzung


Schöne Vorsätze haben auch die Temescher Forstverwaltungen für diesen Frühling angekündigt: In den Forstrevieren der Temescher Hügelgegend, im Gebiet Lugosch-Fatschet, sollen heuer 60 Hektar Wald aufgeforstet werden. Das wollen die Verwaltungen der Forstreviere Lugosch, Ana Lugojana, Coşava und Fatschet schaffen: 53.000 Bäumchen sollen auf 10,3 Hektar im Forstrevier Lugosch gepflanzt werden. Im Rahmen des Forstreviers „Ana Lugojana“ soll der Waldbestand von Crivina-Nadrag auf 16 Hektar mit 75.000 Setzlingen aufgeforstet werden. Im Revier Coşava und in der Zone Fatschet sollen Neupflanzungen auf 12,6 bzw. 19 Hektar durchgeführt werden. Dabei hofft man selbstverständlich erstens auf die tatkräftige Unterstützung durch die naturliebenden Schüler aus der Gegend.
Gleichzeitig mehren sich jedoch die Hiobsbotschaften über zunehmenden Raubbau in den Wäldern aus allen Ecken und Enden des Kreises. Am ärgsten betroffen sind, und nicht erst jetzt, die Naturschutzgebiete, die letzten grünen Oasen des Landeskreises, so der Naturpark der Maroschau, der Basoscher Wald, das Schutzgebiet Knes und im Poganisch-Tal bei Nitzkydorf-Wegwar/Tormac.

In diesen gesetzlich mit striktem Schutz bedachten Zonen wird nicht nur viel von der Bevölkerung dieser Gegend illegal abgeholzt, diesen Biotopen werden zugleich Zerstörungen zugefügt, die nicht mehr gutzumachen sind. Ein Beispiel, das leider nicht mehr als außergewöhnlich registriert wird: Vor Kurzem wurde eine gut organisierte Holzfällergruppe von sechs Personen von der Tschanader Polizei in der Maroschau bei Tschanad auf frischer Tat ertappt und dingfest gemacht. Diese haben längere Zeit in den gesetzlich geschützten Wäldern ungestört ihr Unwesen getrieben. Gefängnisstrafen und dazu hohe Geldstrafen von 25.000 bis 50.000 Lei schrecken solche Leute wegen der sofortigen Riesengewinne kaum ab. Der Temescher Teil der Maroschau macht 3158 Hektar von insgesamt 17.166 Hektar des Naturschutzparks Lunca Mureşului aus und erstreckt sich in dem Gebiet der Ortschaften Tschanad, Perjamosch, Großsanktnikolaus, Großsanktpeter und Saravale. Weder die Verwaltung – die Holzdiebe haben sämtliche angebrachten Überwachungskameras zerstört –, noch die Polizei oder die Umweltschutzbehörde (angeblich wegen Personalmangels) können dem Diebstahl oder Raubbau Einhalt gebieten. Die lokalen Kommunalverwaltungen wollen sich gar nicht einmischen, sie klagen nur über das Fehlen von Geldern für Schutzmaßnahmen. 

Nicht anders geschieht es in den restlichen Naturschutzgebieten des Landeskreises. Im Poganisch-Tal sind die ehemaligen schönen Eichenwälder der 75,5 Hektar fassenden Schutzzone fast verschwunden: Nach der Rückerstattung der Wälder an die ehemaligen Besitzer haben diese den Wald in einigen Jahren rücksichtslos und fast restlos abgeholzt. In höchster Gefahr befindet sich auch das Schutzgebiet Diniasch. Dieses einzigartige Gebiet auf vier Hektar, 1995 zur Schutzzone erklärt, hat durch den von den lokalen Schafhirten betriebenen Raubbau viele von den 216 Pflanzenarten seiner Flora endgültig eingebüßt. Der Temeswarer Biologe Sretko Milanovici nennt das eine „gewissenlose Zerstörung“, der die Lokalbehörden tatenlos zusehen. Hier soll es nämlich mehrere Schafhirten geben, die sogar 8000 bis 10.000 Schafe züchten und dabei, ohne gestört zu werden, die gesamte Zone vernichten. Etliche dieser Gebiete, die in den letzten Jahren für den Schutz und die Pflege gar EU-Gelder erhalten haben, befinden sich nun in Privathand, diese Maßnahme scheint jedoch wenig genützt zu haben. Kürzlich hat die Temescher Präfektur die Gründung einer Kreiskommission für die Untersuchung der illegalen Abholzungen angekündigt. Dazu gehören Vertreter der Kreispolizei, der Umweltschutzpolizei, des Kreisforstinspektorats usw. Ob eine derartige Kommission auch mehr als Sichtung des Übels und Kontrolle von oben machen kann, das heißt auch zu konkreten, effizienten Maßnahmen an Ort und Stelle übergehen kann, ist höchst fraglich.

Auch auf Landesebene hat die sehr ernstzunehmende Situation des rumänischen Waldes bisher zu kaum effizienten Gesetzen oder lokalen Maßnahmen geführt. Mit einem landesweiten Protest in mehreren Großstädten versuchte eine Organisation der Zivilgesellschaft, „Die Allianz für die Diversität in der Natur“, im vorigen Herbst die gesamte Gesellschaft, Behörden wie Bevölkerung, zu einer geschlossenen Aktion aufzurütteln. Bisher noch ohne rechten Erfolg. Mit großzügiger Beihilfe der Botschaften Großbritanniens und der USA in Bukarest wurde unseren Umweltschützern, den regierungsunabhängigen Organisationen, gar eine Landkarte der illegalen Abholzungen in unserem Land zur Verfügung gestellt. Die im Rahmen der landesweiten Initiative „Wir pflanzen gute Taten in Rumänien an“ mitstreitenden Organisationen, darunter auch der Eco Club aus Temeswar, erhoffen sich davon nicht nur mehr Kontrolle, sondern auch entscheidende Impulse für den Schutz und die Bewahrung des rumänischen Waldes für die Zukunft.