Rumänien auf renommiertem Festival FFC stark präsent

„Clara“ von Sabin Dorohoi feierte Weltpremiere auf dem 33. FFC

Tudor Giurgiu, Regisseur des Polit-Action-Spielfilms „Libertate“, ausgezeichnet mit dem FIPRESCI-Preis, auf der Bühne im Kinosaal der Cottbuser Stadthalle nach der Filmaufführung. | Fotos: Berndt Brussig

In Cottbus (v.l.n.r.) Lucas Puia (14), der im Familiendrama „Clara - Rumäniens vergessene Kinder“ den Sohn von Clara (Olga Török) spielt, freut sich mit dem Regisseur Sabin Dorohoi (neben ihm) auf den Publikumspreis.

Der aus Bistritz / Bistrița stammende Regisseur Vlad Petri (44) auf der Kinobühne in Cottbus im Dialog mit Zuschauern nach der Aufführung seines Films „Între revoluții“ / „Zwischen den Revolutionen“. Der Dokumentarfilm mit fiktiven Elementen handelt von zwei befreundeten Medizinstudentinnen in den 70er Jahren an der Universität Bukarest, der Rumänin Maria und der Iranerin Zahra.

Das FilmFestival Cottbus des osteuropäischen Films (FFC) ist eines der weltweit führenden Festivals, das dem aktuellen Filmschaffen in Ost- und Mitteleuropa ein einzigartiges Forum als Branchentreff von Filmemachern im Dialog mit dem Publikum bietet. Besonderer Wertschätzung erfreut sich bei den Filmemachern der FFC-Kooperationsmarkt Cottbus „connecting cottbus“ („co-co“) mit einer  Networking-Plattform zur Produktion multinationaler Filme. Ein Teil der Co-Produktionen des FFC 2023 basiert auf „co-co“ voriger Jahre.

Das 33. FFC präsentierte 150 Filme aus 40 Produktionsländern, davon fünf  allein aus Rumänien, von denen „Libertate“ des Regisseurs Tudor Giurgiu mit dem FIPRESCI-Preis sowie „Clara“ des Regisseurs Sabin Dorohoi mit dem „Publikumspreis“ ausgezeichnet wurden. „Clara“ zählte zu den insgesamt 17 Weltpremieren des 33. FFC. Auch in Jurys des FFC votierten Experten aus Rumänien: Vlad Petri, Regisseur von „Între revoluții“/„Zwischen den Revolutionen“, im Jury-Team Dialog und der Historiker Angelo Mitchievice im Team Fipresci. Das Rumänische Kulturinstitut Berlin unterstützte auch das FFC 2023.

Jetzt stehen die Internationalen Filmfestspiele Berlin im Blick der Filmemacher, die Berlinale vom 15. bis 25. Februar 2024, einer Bühne, auf der auch Filmemacher aus Rumänien erfolgreich agieren.

Wie in den Jahren zuvor, vor allem 2022 mit dem Spotlight „România“, präsentierte sich Rumänien auch diesmal vom 8. bis 12. November als ein dominantes Filmland im Reigen der 40 Teilnehmerländer aus Ost- und Mitteleuropa. Das FilmFestival Cottbus, 1991 auf der Taufe gehoben, zieht Filmemacher aus Ost- und Mitteleuropa zunehmend in seinen Bann, bietet es doch einen einzigartigen Überblick über das aktuelle Filmschaffen der Länder dieser Regionen. 120 Produktionen, darunter zahlreiche Co-Produktionen, aus 40 Ländern standen auf dem Programm der 33. FFC-Edition, wovon viele ihre internationale, deutsche oder gar Weltpremiere feierten, etwa die Weltpremiere von „Libertate“ von Tudor Giurgiu, ausgezeichnet mit dem Fipresci-Preis, dem Preis der internationalen Filmkritiker- und Filmjournalistenvereinigung. Gerade durch Auszeichnungen rumänischer Filme auch auf dem FFC 2023 wurde wieder einmal die Vielfalt und Professionalität der rumänischen und moldauischen Filmszene augenscheinlich. Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis des FFC 2023 wurde die rumänisch-deutsche Co-Produktion „Clara – Rumäniens vergessene Kinder“, des Regisseurs Sabin Dorohoi. Im Mittelpunkt seines Familiendramas stehen die geschiedene Rumänin Clara und ihr 14-jähriger Sohn Lucas, den sie beim Großvater in einem Donaudorf zurückgelassen hat, um in Deutschland als Kindermädchen zu arbeiten, dabei in tiefe Konflikte als Mutter gerät. Der Konfliktstoff dieses Films ist aktuell und universell zugleich, betrifft Millionen rumänischer Arbeitsmigranten in Ländern wie Deutschland, Italien und Großbritannien, die ihre Heimat verlassen haben, um in Ausland Geld für ihre Familien zu verdienen.Zu den auf dem 33. FFC präsentierten fünf rumänischen Produktionen zählten zudem  „Între revoluții“ / „Zwischen den Revolutionen“ von Vlad Petri sowie die rumänisch-französische Co-Produktion „MMXX“ von Cristi Puiu, der die zügellose Handy-Manie vieler Zeitgenossen unter die Lupe nimmt, und der Kurzfilm mit dem ironischen Titel „Potemkiniștii“ von Radu Jude, der eine Kurz-Komödie (18 Minuten) über Kunst und Kino inszenierte mit Bezug zur Geschichte, als 1905 meuternde russische Matrosen des legendären Panzerkreuzers Potemkin politisches Asyl in Rumänien erhalten. Radu Jude`s Kurzfilm lief in der Festival-Rubrik „Moving Images Open Borders“ MIOB. An der von Regisseur Ion Borș aus Moldau erschaffenen Polit-Komödie „Carbon“ ist Rumänien als Co-Partner beteiligt.Einige der auf dem 33. FFC präsentierten Co-Produktionen, etwa die rumänisch-deutsche Co-Produktion „Clara“, basieren auf „connecting cottbus“, dem Ost-West-Kooperationsmarkt des FFC mit einer Networking-Plattform, wo erfahrene Produzenten und Redakteure sowie Weltvertriebe und Financiers in Teamworking die Weichen für neue Co-Produktionen stellen.

Die von internationalen Fachjurys ausgewählten Filme liefen, strukturiert nach Spiel- und Kurzfilm, in einer der insgesamt 15 Sektionen. Die internationalen Jurys der Sektionen agierten prominent besetzt. Aus Rumänien wirkte der Regisseur Vlad Petri im Jury-Team Dialog und der Historiker Angelo Mitchievice im Team Fipresci mit. Im vorigen Jahr wurde Oana Giurgiu, Direktorin des Transilvania Film Festivals (TIFF), Klausenburg/Cluj-Napoca, die Ehre als Jurorin in der Gruppe „Feature Film“ zuteil.

FFC-Spezialreihen „Spotlight“

Ein besonderes Augenmerk legte das 33. FFC auf seine Spezialreihen „Spotlight“, insbesondere auf „Spotlight Ukraine“, mit Filmen, die in beeindruckender Weise zeigen, welche Herausforderungen die Menschen unter den unmenschlichen Bedingungen des Kriegszustandes bewältigen müssen. „Das ukrainische Kino gehört weiterhin zu den kreativsten Filmlandschaften Europas, hob der Programmdirektor Bernd Buder hervor. Anna Buryachkova, Regisseurin der ukrainisch-niederländischen Co-Produktion Nazavzhdy-Nazavzhdy“/„Forever-Forever“, eine fesselnde Coming-of-age-Geschichte Jugendlicher im Kiew der späten 90er Jahre, wurde mit dem Hauptpreis in der Sektion Spielfilm ausgezeichnet. Das Spotlight „Was von Geschichte übrigbleibt“ reflektierte die Geschichte des Widerstandes gegen kommunistische Diktaturen in Ländern wie DDR, Rumänien, Ungarn und Polen vor und nach dem Fall der Mauer. Rumänien war in dieser Spotlight-Reihe mit der rumänisch-ungarischen Co-Produktion „Libertate“ des Regisseurs Tudor Giurgiu vertreten. Mit seinem brandneuen Film, der auf wahren Begebenheiten beruht, zeichnet der Regisseur ein erschreckendes Bild von den dramatischen Ereignissen in Hermannstadt/Sibiu unmittelbar vor und nach dem Sturz von Ceaușescu. 

FFC als Markenzeichen für Publikumsfestival 

Wenngleich auf dem vorjährigen 32. FFC 219 Filme liefen, auf dem 33. FFC lediglich 150, tat das der Bedeutung und Reputation des 1991 gegründeten FilmFestival Cottbus des osteuropäischen Films keinen Abbruch. Vielmehr im Gegenteil. Eigentlich, vom Filmangebot der Länder her, hätte die Festivalleitung wahrscheinlich 500 bis 600 Filme in das Programm des 33. FFC aufnehmen können. Im Ergebnis der Konzentration auf weniger Filme konnte jedoch mehr Zeit für die Dialoge des Publikums mit den Filmemachern generiert werden, zum Beispiel für die Talkrunden der rumänischen Filmemacher Vlad Petri („Între revoluții“/„Zwischen den Revolutionen“), Tudor Giurgiu („Libertate“) oder Sabin Dorohoi („Clara“) mit spannenden Dialogen mit einem sehr interessierten Publikum. In einer Talkrunde meldete sich eine Teilnehmerin zu Wort, die spontan bekundete, dass in ihren Augen „Între revoluții“ der beste Film des 33. FFC sei. Generell finden auf dem FilmFestival Cottbus direkt im Anschluss an die jeweilige Filmvorführung die Talkrunden der Filmemacher mit dem Publikum statt – ein markantes Markenzeichen des FFC als Publikumsfestival des osteuropäischen Films. Mit der Konzentration auf weniger Filme mit gewonnenem Zeitgewinn geht es der Festivalleitung nicht zuletzt darum, in- und ausländischen Gästen, die die erste Aufführung verpasst haben, mit Zweit-Aufführungen die Chance zu geben, ihre auserkorenen Filme doch noch ansehen können. Die 150 Filme, von Jurys mit internationaler Besetzung ausgewählt, wurden in acht Cottbuser Spielstätten aufgeführt, darunter die Stadthalle Cottbus, Headquarter des Festivals mit Abteilungen wie Presse & PR sowie Protokoll und Gästebetreuung. Zu den Spielstätten zählten, wie auch schon bei vorigen Festivals, das Raumflug-Planetarium „Juri Gagarin“, wo die per Planetarium-Spezial-Technik in die Kuppel projizierten Filme die Besucher begeisterten. Auch im nächsten Jahr wird das Cottbuser Raumflug-Planetarium Filme der FFC-Edition 2024 aufführen. Resümee des Direktors des FilmFestivals Cottbus, Bernd Bruder, zur Edition 2023:„Es kam zu vielen bewegenden Szenen – eben dieser immens wichtige Austausch zwischen Filmschaffenden, die sich oft genauso in existenziell bedrohlichen Situationen befinden wie die Protagonisten ihrer Filme, und die Angebote zur gemeinsamen filmischen Reflexion zeigen, wie wichtig dieses Festival ist und wie wichtig das Medium Film ist, auch wenn es die Probleme nicht lösen kann. Aber es hilft, sie zu verarbeiten und darauf zu reagieren.“

Die nächste Edition des FFC findet vom 5. bis 10. November 2024 statt. Vorerst im Blick der Filmemacher stehen die Internationalen Filmfestspiele Berlin, Berlinale, 15. bis 25. Februar 2024. Es wird spannend, denn auch auf der BERLINALE räumten Regisseure des sich etablierenden Filmlandes Rumäniens begehrte Trophäen ab, etwa Radu Jude 2022 einen Goldenen Berliner Bären.