Sachlich und unaufgeregt berichten

Interview mit Werner D´Inka, Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ)

Werner D´Inka, einer der fünf Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Foto: Bernát Józsa

Werner D´Inka arbeitet seit über 30 Jahren für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), eine der größten überregionalen deutschen Tageszeitungen. 1991 bis 2005 war er Chef vom Dienst, seit 2005 ist er Mitglied des Herausgebergremiums. Die FAZ wird nicht von einem Chefredakteur, sondern von fünf Herausgebern kollegial bestimmt. Sie spielt in vielen gesellschaftspolitischen Diskussionen eine meinungsbildende Rolle und löst oft grundlegende Diskussionen aus. Über die Migrationswelle aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland wurde in der FAZ überwiegend negativ und kritisch berichtet. Dazu führte die ADZ-Korrespondentin Ana Sălişte-Iordache ein Gespräch mit Werner D´Inka.


In den letzten Monaten wurde in den deutschen Medien viel über die Migrationswelle aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland berichtet. Vor allem die konservativen Zeitungen, wie die FAZ, haben überwiegend die negative Seite dieser Migration dargestellt. Der Migrationsforscher Klaus J. Bade warnte vor einer falschen Panikmache. Wieso diese eher einseitige Berichterstattung?

Ich glaube nicht, dass wir da voreingenommen sind. Ich glaube, dass unsere Korrespondenten in den beiden Ländern schon das berichten, was sie sehen und erleben. Man kann nicht die Augen schließen, dass diese Form von Migration auch zu Problemen führt. Das wird inzwischen aber auch offener gesehen und das finde ich gut. Es werden die Schwierigkeiten genannt, die diese Migration mit sich bringt. Das haben wir uns vorgenommen.

Ich habe gestern mit einem Kollegen gesprochen, der mir gesagt hat, dass zum Beispiel Ungarn ein Land ist, das einiges für die Roma-Integration auch tut, in Vergleich zu anderen Ländern, dazu gehören auch Rumänien und Bulgarien, wo die Sinti und Roma schlecht behandelt werden, um es so volkstümlich zu sagen. Dass in diesen Ländern mehr geschehen müsste, um diese Sinti und Roma zu integrieren, das kann man, glaube ich, schon sagen, ohne diesen Ländern Unrecht zu tun. In Ungarn wurden, zum Beispiel, spezielle Schulen dafür eingerichtet. Es gibt in Pécs auch ein berühmtes Gymnasium, wo man versucht, diese Integrationsleistung schon in der Schule zu erbringen.

Anschließend kam aber die Kritik, dass die Zahlen, die in vielen Beiträgen zum Thema Armutseinwanderung  angegeben wurden, überspitzt waren und dass in diesen Statistiken die Fachkräfte und Studierenden nicht erwähnt wurden, obwohl sie eigentlich die Mehrheit bilden.

Das wäre sicher ein Fehler, dem man nachgehen müsste. Ich kann es jetzt aber nicht bestreiten oder sagen, ob das zutrifft oder nicht, weil ich das Thema nicht verfolgt habe.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das wurde lange Zeit bestritten, vor allem von der konservativen Seite. Wie stehen Sie dazu?

Wir sind de facto ein Einwanderungsland. Das finde ich wohltuend, dass bei uns, egal ob links oder rechts, diese Tatsache nicht mehr bestritten wird. Wir brauchen die Zuwanderung, vielleicht aber doch eine andere Form der Zuwanderung. Das Modell von Kanada oder Australien sollte man dabei auch in Betracht ziehen, wo die Ethnien eher getrennt voneinander leben.

Dass diese Sache auf der konservativen Seite nicht mehr bestritten wird, das halte ich für einen Fortschritt. Ich halte es aber auch für einen Fortschritt, dass es auf der anderen Seite des politischen Spektrums inzwischen nicht mehr bestritten wird, dass Zuwanderung auch zu Problemen und Spannungen führen kann. Ich glaube, dass beide Seiten pragmatischer geworden sind. Es wird inzwischen weniger ideologisch über das Thema diskutiert. Das hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren so ergeben.

Was wäre die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang?

Über diese Themen genauso unaufgeregt und sachlich zu informieren. Auch zum Teil Vorstellungen zu entkräften, die durch die Realität nicht gedeckt werden, zum Beispiel: Die nehmen unsere Arbeitsplätze weg. Ob das so ist oder nicht, das kann man durch Zahlen überprüfen. Wenn es nicht stimmt, dann soll man das den Leuten auch unaufgeregt mitteilen und ihnen konkret sagen: Es gibt die Vorstellung, die trifft aber nicht zu. Vor allem bei diesem Thema sollte man in einer Mehrheitsgesellschaft, die manchmal von Ängsten und Befürchtungen dominiert wird, eine Faktengrundlage schaffen, das halte ich für ganz wichtig. Nur dann kann man auch vernünftig diskutieren und sich eine Meinung bilden. Man soll tatsächlich die Probleme nicht verschweigen, aber auch nicht dramatisieren, wenn es nichts zu dramatisieren gibt. Auch soll man dieser Gruppe Raum geben, man sollte nicht nur über sie berichten, sondern auch mit den Migranten diskutieren, ihnen eine Stimme geben.

Achten Sie darauf, dass Sie auch Autoren mit Migrationshintergrund haben?

Es bewerben sich leider nicht so viele Journalisten mit Migrationshintergrund. Wir schauen aber immer zuerst, was einer kann, nicht woher er kommt. Eine positive Diskriminierung, meiner Meinung nach, wäre in diesem Fall aber auch nicht gut.