Selbstüberschätzung als Krisenmanagement

Randbemerkungen

In den meinungsbildenden Publikationen fallen ein paar Grundbefürchtungen zu Krisen auf, die ab Herbst 2022 den Alten Kontinent erschüttern können. Im Hintergrund die andauernde Corona-Pandemie (Gefahr neuer „Wellen“) und der Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine (Tendenz: Verstetigung): der Boomerang-Effekt der Russland-Sanktionen, die Umstellung der Rüstungsindustrie (der Finanzierungsbereitschaft dazu), das Pumpen von leistungsfähig(er)en Waffen in die Ukraine, die Fragezeichen zu den Regierungschefs von Großbritannien und Frankreich (Machtverlust Macrons), die sich abzeichnende Mehrheit der „Trumpisten“ im US-Kongress. Gemeinsam sind´s Druckfaktoren auf die EU-Wirtschaft, auf den Euro (der Schweizer Franken ist 2022 auf und davon...), auf die Wirtschaft jedes Mitgliedsstaats.

Es kündigt sich ein schwerer Winter an, mit Rationierungen im Energiebereich, mit Kälte in den Wohnungen, Inflation, mit unpopulären Bekämpfungsmaßnahmen derselben, mit der Erschütterung des einzig existierenden Konsenses in der EU, den zum Gründungsmythos EU-Wohlstand, der auf (ununterbrochenem) Wirtschaftswachstum gründet. Rezession widerstrebt dem Konsens des Gemeinsamen Wirtschafts- und Werteraums. Womit auch ein weiteres Zusammenwachsen fraglich wird.

Hierzulande gehört nichts von alldem zu den Sorgen des Präsidenten, des (hellblassen) Regierungschefs, der Ressortminister, geschweige der Parlamentarier. Ihre stupide Beruhigungs-Rhetorik verfehlt ihr Ziel. Erstens, weil man Politikern hierzulande aus Prinzip nicht glaubt, zweitens weil sie so dümmlich ist, dass sie jedes (Nach-)Denkens spottet. Wenn also unsere Spitzenpolitiker „mit Sorge“ die „Evolution der Weltlage“ „verfolgen“, geriert das höchstens ein Grinsen. In jedem Fall werden hierzulande „die Institutionen ihren Job tun“ (original: „î{i vor face treaba“). Reflexartig denkt man da an die Geheimdienste. Im Grunde ist es der Mythos des Außerordentlichseins jedes einzelnen Rumänen – und seiner Politiker im Besonderen... Wenn alle rundherum ihre Probleme haben – wir haben die nicht! Schließlich wacht ja, selbst laut Papst, die Mutter Gottes über ihren Garten Rumänien.

Kommt es trotzdem im Winter auch für uns schlimm, dann sind wir – wie immer – total überrascht. Überraschend in unserer hehren Welt ist nur die Überraschung. Natürlich ist dann die Weltlage schuld – die man doch eh immer mit Sorge wahrgenommen hat! – die Globalisierung, der man nicht entkommt, die Führungskrise der EU, die fehlende EU-Reform, Russland und sein Krieg – also bitte die Riemen enger schnallen, Kürzungen und Einschnürungen akzeptieren und mit „uns“ durch!

Pandemie und Ukrainekrieg kommen gerade recht: Alles Innenpolitische ist Kleinkram, der Rede nicht wert, angesichts „großer Herausforderungen“ („marile provoc²ri“), es gilt,
„zusammenzuhalten“ und der Regierung „Vertrauen“ zu schenken. Die – der Staat also – denkt auch für uns, ist also „in Ruhe“ zu lassen. Wenn alle Bürger stillehalten, ist die Regierung, der Staat, standfest und schafft alle Hürden. Ergo: Je schlimmer es der Welt geht, umso besser für Rumänien! Weil man dann ruhig seine Macht ausüben kann. Also: Sich weiter schamlos bereichern, Doktorarbeiten kopieren und aufgrund fleißigen Abschreibens Karriere machen, Geheimdienste fördern, den Staat zum Überwachungsstaat umbauen, Geliebte, Neffen und Nichten, Brüder und Schwestern mit Posten und Pfründen versorgen, das Volk manipulieren und mit Honigtröpfchen ködern usw.

Vom putenhaften Selbstüberschätzungs-Gestus zum Kriegsrecht – nur ein Schritt. Siehe die („vorzeitig“ aufgedeckten geheimdienstlich geplanten) Novellierungsgesetze des Geheimdienstwesens. Wer sich die Liste der Berater des Premierministers anschaut, wird sehen, wie weit die Militarisierung Rumäniens fortgeschritten ist, mit dem General als Premier...