Sommernachtstraum

Sever Voinescu, stellvertretender Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei (PDL), sorgte für das schnelle Ende sämtlicher Spekulationen zur angeblichen Gehaltserhöhung im öffentlichen Sektor. Der jüngste, sommerlich optimistisch gefärbte Bericht der Überprüfungsmission des Internationalen Währungsfonds, der EU und der Weltbank und die eher höflichen positiven Einschätzungen des IWF-Chefunterhändlers Jeffrey Franks zu der positiven wirtschaftlichen Entwicklung Rumäniens lösten prompt populistische Wellen aus.

Politiker der Regierungskoalition verkündeten und/oder empfahlen im Herbst fünfprozentige Gehaltserhöhungen (wahrscheinlich ist „sollen verkündet und/oder empfohlen haben“ richtiger, denn die Grenze zwischen Fakten und Gerüchten ist in der Politik am Ufer der Dâmbovi]a nach wie vor schwer zu erkennen). Vertreter der Opposition und der Gewerkschaften kritisierten rapide die noch nicht getroffene Maßnahme: Sie stelle überhaupt keine Erhöhung dar, sei nichts als ein schwacher Trost für vergangene Kürzungen. Was ja auch stimmt, nur ist es – wieder mal – „viel Lärm um nichts“, wie unser Zeitgenosse Shakespeare zu sagen pflegte, denn ...

Sever Voinescu dementierte die „Nachricht“ fast simultan, noch bevor es mit Nachdruck Präsident Bãsescu und Premier Boc taten. In seiner Funktion als PDL-Pressesprecher wagte er es, gleich nach der traditionellen Montagsparteisitzung an die Öffentlichkeit zu gehen mit einer Botschaft, die angesichts des nahenden Wahljahres 2012, als mutig bezeichnet werden kann: von nun an kein Populismus mehr. Der sich selbst als konservativ bezeichnende Jungpolitiker – manche PDL-Kollegen und Vertreter der Zivilgesellschaft meinen (lies: hoffen), er könne etwas frischen Wind bringen in die Segel der Partei – übte sich dabei in Kommunikation. 

Mit dosiertem parteipolitischen Stolz erwähnte er die im Bericht der IWF-, Weltbank- und EU-Mission enthaltenen jüngsten Erfolge des Kabinetts Boc: drei Quartale in Folge Wirtschaftswachstum mit einer Prognose für 2011 von +1,5 Prozent, ein Budgetdefizit im Rahmen der vereinbarten 4,4-Prozentgrenze oder, anders gesagt, weniger Ausgaben und unverhofft hohe Einkommen, eine gute Inflationsentwicklung. Alles günstige Voraussetzungen für einen positiven wirtschaftlichen Trend, so der PDL-Leader schlussfolgernd. 

Reicht das, um sich Gedanken zu machen über eine eventuelle Gehaltserhöhung? Gedanken schon, denn das entspräche mit Sicherheit dem Wunsch eines jeden seinen Wählern verpflichteten Politikers. Dafür seien aber zunächst weitere Kriterien zu erfüllen, abhängig von dem Wirtschaftswachstun, dem Budgetdefizit und dem globalen Wirtschaftskontext. Die prioritären Aufgaben im Bereich der Haushaltsstabilität zwängen die Regierung also dazu, eine solche Maßnahme wahrscheinlich bis 2012 zu vertagen. 

Sever Voinescu sagte es klar: Populismus muss aus den Köpfen verantwortungsvoller Politiker verschwinden, egal wie hoch die politische Rechnung ausfällt, die die Koalitionsparteien übrigens schon zahlen und auch zukünftig noch begleichen werden. (Das Thema der populistischen Schiene und der entsprechenden Versprechungen sollte vielleicht 2012 frisch aufgegriffen werden, anlässlich der anstehenden Wahlkampagnen, vielleicht ist es ja überhaupt kein Zufall, dass die Gehälter erst im kommenden Jahr angehoben werden können...). 

So gesehen, strebe der für die erste Augusthälfte vorgesehene Nachtragshaushalt der Regierung zunächst keine Gehalts- und Rentenerhöhungen an, sondern Investitionen und die Schuldenreduzierung der noch staatlichen (schnellstmöglich zu reformierenden und privatisierenden) Unternehmen. Die Frage, wie sich ein solches Karussell entgegengesetzter, stark emotional geprägter Nachrichten auswirken könnte auf ein weiterhin mediensüchtiges Publikum, scheint allerdings keinen besonders zu beschäftigen. Warum sollte es auch? Träumen ist ja, nicht wahr, schön und gut. Sommernächte sind aber eben kurz.