Späte Bürgerproteste gegen Mall

Trotzdem freut sich Bürgermeister Popa über das „neuerwachte Bürgerbewusstsein“ der Reschitzaer

Auch der Bau der kurz vor der Einweihung stehenden LukOil-Tankstelle hatte viele Bürgerproteste hervorgerufen, weil sie Reschitza eine Grünfläche gekostet hat und weil sie keine 50 Meter vom Museum der Dampfloks entfernt steht. In ihrer Fortsetzung, zwischen der Auffahrt Richtung Neustadt aus Temeswar und der Straßenüberführung, soll die Mini-Mall gebaut werden, in die der Temeswarer Investor Iosif Ingris sein und das Geld seiner Partner stecken möchte.
Foto: Werner Kremm

Dem Ruf von Bürgermeister Ioan Popa (PNL), ihre Meinung zum Bau einer „kleinen Mall“ vor der Straßenüberführung aus der Alt- in die Neustadt zu äußern, sind überraschend viele Bürger gefolgt, so dass der Tagungssaal des Stadtrats im Parterre des Rathauses übervoll war. Popa sprach von einer „Rekordbeteiligung“ und das stimmte: nur kurz nach der Revolution von 1989 waren so viele Bürger gewillt und entschlossen,mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg zu halten. Das Ganze hatte bloß einen Schönheitsfehler: die Meinungsäußerung – unisono waren die Bürger gegen den Bau einer Mall am bereits genehmigten und im Bebauungsplan zugelassenen Ort – kam viel zu spät. Richtig wäre es gewesen, dagegen zu sein, als der Bebauungsplan jenes Raums vor einigen Jahren zur Debatte stand.

Trotzdem sagte Bürgermeister Popa vor seinen aktiven Bürgern: „Ehrlich: ich fühle große Freude darüber, dass es diese Reschitzaer Bürger gibt, dass Sie zeigen, dass Reschitza lebendig und pulsierend lebt. Ich bin glücklich, dass der Saal so voll geworden ist und deshalb bin ich den Reschitzaern dankbar. Ich hatte erwartet, dass es da zwei Meinungslager geben wird, das eine für die Beibehaltung der Grünfläche, das andere für die Mall, für Entwicklung, für Ladenketten. Ein Glück war, – das sage ich, weil ich auf alle Fälle an Seiten der Grünflächenbefürworter gestanden wäre! – dass es bloß ein einziges Lager gab. Das für Grünflächen. Meins. Ich werde aber auch dafür sorgen, dass den Reschitzaern Malls vorgesetzt werden. Doch nicht zuungunsten der Grünflächen, sondern auf den zahlreichen Industriebrachen, die sowieso erschlossen sind, Hektare über Hektare in unmittelbarer Nähe der Wohnviertel. Auch die Firma, die bereits alle Genehmigungen – bis auf die Baugenehmigung seitens der Stadt – für den Mall-Bau besitzt, ist noch bereit, einen Alternativstandort für die betreffende Investition zu akzeptieren und es gibt auch die Bereitschaft, ihr ein Grundstück zu verkaufen, das ihr genehm wäre und auch uns Grünflächenfreunde befriedigt.“ Beton über Grünflächen, das müsse in Reschitza im Zuge einer harmonischen Stadtumgestaltung vermieden werden.

Investor Ingriş: Zum Umdisponieren bereit

Anwesend war auch der Temeswarer Investor, Iosif Ingri{, der eine versöhnliche Note anstimmte, aber doch nicht ganz, im Sinne seiner Interessen, auf drohende Tonalitäten verzichten wollte: „Mir hat man jetzt bloß zwei Optionen freigestellt, aber wenn diese sich nicht konkretisieren, bleiben sie bloße Propaganda. Wenn mir ein ernstes Angebot gemacht wird, nehme ich es gerne ins Kalkül. Bis zu dieser Etappe der Konsultationen hat es bereits viele andere gegeben, vorher, wo die Bürger ihre Meinung hätten sagen können. Wir haben unsere Machbarkeitsstudien aufgrund des Bebauungsplans gemacht, der genehmigt war. Rechtlich war das so korrekt. Nun stehen wir vor der Alternative, uns ein neues Grundstück aussuchen zu sollen. Das muss dann untersucht werden, genehmigt, Investoren und Banken müssen mit ihm einverstanden sein. Meiner Meinung nach sollte man die Investoren und die Geschäftswelt schon allein entscheiden lassen, wo sie investieren wollen. Und können. Da kann der Herr Bürgermeister behilflich sein, aber nicht uns seine Meinung aufdrängen. Normalerweise ist ja das Gesetz in diesem Fall auf unserer Seite. Der Bebauungsplan ist unverändert gültig. Wir erwarten nun das Urbanismuszertifikat seitens des Rathauses. Dass uns dieses bisher verweigert wurde, ist, meiner Meinung nach, ein Akt der Willkür. Wenn es der Fall ist, werden wir deshalb an die Justiz appellieren. Bekommen wir trotz alldem vom Rathaus eine vernünftige Alternative – wir sind noch offen dafür.“

Bürgermeinung kommt zu spät

Am besten informiert zum Thema Mall-Bau auf der Grünfläche bei der Straßenüberführung zwischen Alt- und Neustadt zeigte sich die Architektin Ioana Mihăiescu, die jahrelang Mitglied des Urbanismusausschusses des Rathauses Reschitza war. „Rechtlich gesehen kommt unser ganzes heutiges Vorgehen reichlich verspätet“, meinte sie. „Als eingegriffen und geändert werden konnte – in der Etappe des Bebauungsplans, als dieser zur öffentlichen Debatte vorgestellt wurde – hat kein einziger Bürger Reschitzas den Mund aufgemacht und Einwände hervorgebracht. So gibt es im Bebauungsplan dort nichts als die Bemerkung: zur Bebauung zugelassen. Ich kenne die Geschichte der Dokumentation dieses Bebauungsplans gut, ab dem Augenblick, als er uns in der Urbanismuskommission vorgelegt wurde. Er wurde von uns mehrmals zwecks Nachbearbeitung zurückgewiesen.

Alle Mitglieder der Urbanismuskommission, ohne Ausnahme, haben sich nach unserem emotional-gefühlsmäßigem Urteil, nach dem Bauchgefühl, eine Bebauung, irgendeine Investition dort nicht gewünscht. (Man verstand: auch der Bau der unmittelbar daneben errichteten Lukoil-Tankstelle war nicht gewünscht. – Anm.wk) Aber Dokumentationen werden nun mal leider nicht nach gefühlsmäßigen Kriterien akzeptiert oder zurückgewiesen, sondern allein nach technisch-legislativen Kriterien. Letztendlich haben wir eines zur Kenntnis zu nehmen: der Mensch und Investor hat alle möglichen und unmöglichen Genehmigungen für seine Investition eingeholt. Er gelangte sogar bis ins Kulturministerium. Deshalb scheint mir der Zeitpunkt unserer Sitzung verspätet. Der historisch richtige Augenblick ist verpasst worden, als der Bebauungsplan zur Debatte stand. Damals hat keiner etwas zu sagen gehabt. Jetzt ist es zu spät.“