Spurensuche in Schäßburg

Deutsche Kulturtage mit Vorträgen, Blasmusik, Tanz und Gedenktafelenthüllung

Die Bläser auf dem Stundturm kündeten den Beginn der Kulturtage an.

Dr. Karl Scheerer eröffnete die Kulturtage auf der Treppe zum Forumshaus.

Die von Waltraud Schuster betreuten „Burgspatzen“ ernteten Applaus für ihre Wanderlieder.

Die Tanzgruppe des Jugendforums trat vor der reizvollen Altstadtkulisse auf.
Fotos: Holger Wermke

Schäßburg - Stellen Sie sich vor, sie geben heute in Washington einen Brief auf, adressiert an die „Bergschule Schäßburg“? Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass dieses Schreiben jemals  seinem Bestimmungsort erreicht. Vor rund hundert Jahren gelang genau dieses Kunststück. Der bis heute erhaltene Brief ist eine der besonderen Spuren, die man noch bis Sonntag bei den „Deutschen Kulturtagen“ in Schäßburg/Sighişoara entdecken kann.

Die „Schäßburger Spurensuche“ – so lautet das Motto der diesjährigen Ausgabe – habe das Forum bereits in den Vorjahren begonnen, meinte Dr. Karl Scheerer, der stellvertretende Vorsitzende des Schäßburger Forums. Als Siebenbürger Sachse habe man eine besondere Beziehung zur Heimat im Allgemeinen, und als Schäßburger Sachse zu dieser Stadt im Speziellen. Diese sei eine wahre Fundgrube für Spurensucher, wie Scheerer in seinem Eröffnungsvortrag geistreich und humorvoll erläuterte.

„Wir haben in Schäßburg das große Glück, über einen ungeheuren Reichtum an Hinterlassenschaften zu verfügen, deren Spuren wir sichern können“, sagte er. Zur Identitätssicherung müsse man sich nicht der „peinlichen Kultivierung der albernen Dracula-Legende“ bedienen. Historische Wahrheit solle es bitteschön sein. Und so bot er den rund 50 Zuhörern im prächtigen Rathaussaal eine geschichtliche Zeitrafferaufnahme der Leistungen und auch weniger Rühmliches der sächsischen Burgbewohner.

Gewürdigt hat Scheerer die architektonischen und wehrtechnischen Leistungen der baulich und ästhetisch begabten Handwerker und Zunftvertreter. Genannt hat er große Bürgermeister und Ratsherren wie Johannes Aurifaber, Valentinos Pictor oder Martin Eisenburger, aber auch jenen des Verbrechers Johannes Schuller von Rosenthal, und über deren Wirken bisher nur lückenhaftes Wissen existiert. Vieles, aber längst nicht alles, wisse man über die Nachbarschaften, „ohne die das gesellschaftliche Leben nicht hätte existieren können“, oder das „sehr lebendige Vereinsleben“.

Natürlich wurde die ehrwürdige Bergschule erwähnt, in der beispielsweise ein Drittel der siebenbürgisch-sächsischen Bischöfe lernte oder lehrte, deren Lehrer dem Verein für Siebenbürgische Landeskunde zu europäischem Renommee verhalfen und die noch zahlreiche andere Schüler auf ihrem Weg zur Schäßburger Persönlichkeitswerdung vorbereiteten.

Eine dieser zeitgenössischen Persönlichkeiten ist Hermann Baier – natürlich ebenfalls ein ehemaliger Bergschullehrer und exzellenter Schäßburg-Kenner – dem Scheerer für seine Verdienste  um die Gemeinschaft die Ehrenmitgliedschaft im Forum verlieh. Diesselbe erhielt auch Walter Lingner, der langjährige Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft Schäßburg.

Vor diesem gediegenen Programmpunkt für die eher älteren Gäste zeigte die Forumsjugend ein kleines Kulturprogramm am Platz vor dem Stundturm. Die Burgspatzen von Waltraud Schuster sangen alte deutsche Wanderlieder und die sechs Paare der Tanzgruppe des Jugendforums unter Leitung von Andrea Rost tanzte sächsische Tänze. Am Abend wurden dann im Rathaussaal die Ausstellung „100 Jahre Schäßburger Postgeschichte“ eröffnet, deren Exponate von dem 1992 verstorbenen Bergschullehrer Julius Ambrosius zusammen getragen wurden.