Srebrenica weckt Erinnerungen (I)

Am vergangenen Wochenende waren es 25 Jahre seit dem einzigen Genozid in Europa nach 1945: das Massaker von Srebrenica. Bosnische Serben – so die sich zwischenzeitlich durchgesetzte Erkenntnis – ermordeten am 11. Juli 1995 rund 8000 Muslime männlichen Geschlechts: Jungen und Männer. Danach warfen sie sie in Massengräber.

Heute gibt es unter serbischen Nationalisten eine offensive Leugnungsbewegung des Massenmords mit ethnisch-religiösem Hintergrund. Sie stellen ihn als „Erfindung der sogenannten freien Welt“ dar. Srebrenica bleibt nicht nur eine untilgbare Schandtat in der Geschichte des westlichen Balkans, sondern auch ein Schandfleck im Antlitz Europas, der „zivilisierten Welt”: ein Zeugnis des Versagens der internationalen Gemeinschaft. Vor allem die niederländischen Blauhelm-Soldaten, die die muslimische Enklave/Schutzzone von Srebrenica schützen sollten, versagten.

Europa und die damalige Nato lernten daraus: Sie schauten ab Srebrenica im Kosovo nicht mehr untätig zu, wenn Nationalismen aufeinander losgingen, Sie hielten die serbischen Angreifer unter Kontrolle. Auch die UCK des Kriegsverbrechers Hashim Thaci („die Schlange”). Es wurde das Prinzip der „responsibility to protect” (d. i.: Schutzverantwortung) der internationalen Gemeinschaft formuliert, das inzwischen einige Male erfolgreich angewandt – aber auch „übersehen“ – wurde.
Zwei der Nationalisten, die damals zwar nicht direkt involviert (es gibt keine Beweise dafür), aber dem Massaker auch kaum fremd gewesen waren, sollen im Weiteren kurz genannt werden, unter anderem, um einen sozialen und Geisteshorizont abzuzeichnen, der heute noch in Serbien aktiv ist – ja sogar an Einfluss gewinnt. Nicht zufällig heißt es über die heutige Führungselite Serbiens, sie blicke wirtschaftlich sehnsüchtig nach Westen, politisch bewundernd nach Osten.

Beide waren am „Urquell“ des Jahrzehnts der jugoslawischen Sezessionskriege (1992-2001) dabei, beim Fußballspiel vom 13. Mai 1990 im Zagreber Maksimir-Stadion zwischen Dinamo Zagreb und Partizan Belgrad. Zeljko Raznatovic, genannt „Arkan“, als Leader der Delije-Fans aus Belgrad, die sich mit den Bad Blue Boys von Agram blutige Straßen- und Stadionschlachten lieferten, wobei die Bad Blue Boys auch die hauptsächlich aus Serben zusammengesetzte Bundespolizei Jugoslawiens attackierten (die NZZ sprach von „Kriegsspiele/n im Stadion”). Der andere war der heutige Präsident Serbiens, Aleksandar Vucic, Crvena Zvezda-Fan, junger Rechtsanwalt und Journalist (er interviewte Radovan Karadjic und spielte Schach mit Ratko Mladic).

Über Arkan schreibt das russische Propagandaorgan „Sputnik” in seiner rumänischen Ausgabe: „Er ist und bleibt ein Held und ein Retter der Serben, ein serbischer Patriot, der eine der härtesten paramilitärischen Truppen im Jugoslawienkrieg geführt hat, aber auch den stärksten Unterweltclan auf dem Balkan. (...) Er brach in Westeuropa in eine Rekordzahl von Banken ein und brach wiederholt aus westeuropäischen Gefängnissen aus. Alles, was er durch Diebstahl und Einbrüche verdient hatte, setzte er ein, um seine Truppe auszurüsten, die super vorbereitet war darauf, sein Land zu verteidigen.“ Das waren „Arkans Tiger“, eigentlich die Fankurve von Crvena Zvezda Belgrad. Dazu nur soviel: als der Treibstoffschmuggel im Donauengpass unvorstellbare Ausmaße erreicht hatte, erschienen „Arkans Tiger“ mit Schnellbooten, stoppten die Treibstoffschmuggler und nahmen ihnen die „Ware“ ab. Weigerte sich jemand, wurde er erschossen. So endete das „Embargotreiben” zwischen dem Nord- und dem Südufer der Donau – nicht durch die Nato- und Uno-Kontrollteams, die von Temeswar bis Turnu Severin patrouillierten. „Die Nato hat mich zu ihrem Feind erklärt“, zitiert „Sputnik“ Raznatovic, „also bin ich ein guter Serbe.“ „Arkan“ wurde 2000 umgebracht. Schicksal eines „patriotischen Unterweltlers“.