Temeswarer Bevölkerung um 21,4 Prozent zurückgegangen?

Vorläufiges Ergebnis der Volkszählung sorgt für Streit. Nur noch 4684 Deutsche im Kreis Temesch

Temeswar – Laut dem vorläufigen Ergebnis der 2022 durchgeführten Volkszählung leben in der Stadt Temeswar nur noch 250.849 Bürger, im Oktober 2011 wurden noch 319.279 Einwohner gezählt. Dies teilte das Nationale Institut für Statistik am Dienstag mit. Der angebliche Rückgang, der einen politischen Streit ausgelöst hat und von vielen angezweifelt, bzw. auf die gravierenden Mängel des Zählverfahrens zurückgeführt wird, beträgt 21,4 Prozent und ist erschreckend. Die zweitgrößte Temescher Stadt bleibt weiterhin Lugosch/Lugoj, wo angeblich 35.450 Menschen leben, vor 11 Jahren waren es 40.361, sodass der dort gemessene Rückgang bei nur 12,2 Prozent liegt.

Einwohnerzahl der Vorortgemeinden stark angestiegen

Der dramatische Rückgang der Temeswarer Bevölkerung hängt nur teilweise mit den Umzug in den Vorortgemeinden zusammen, deren Einwohnerzahl im vergangenen Jahrzehnt tatsächlich stark angestiegen ist. Wurden 2011 in Girok/Giroc 8388 Einwohner gezählt, so waren es 2022 nicht weniger als 22.270, somit ist die aus den Ortschaften Girok und Chișoda bestehende Gemeinde nicht nur die größte im Kreis, sondern ihre Einwohnerzahl liegt deutlich über jene aller Temescher Kleinstädte. Dasselbe gilt für die Gemeinde Dumbrăvița, wo 20.014 Bürger gezählt wurden (2011: 7522), sowie für die Gemeinde Neumoschnitza/Moșnița Nouă mit 16.424 Einwohnern (2011: 6.203). Mehr Menschen leben inzwi-schen auch in den kleineren Temeswarer Vorortgemeinden, nämlich in Sackelhausen/Săcălaz (9233), Ghiroda (8.866) Rumänisch-Sanktmichael/Sânmihaiu Român (8419), Sanktandres/Sânandrei (7137), Jahrmarkt/Giarmata (6831), Schag/Șag (5303), Neubeschenowa/Dudeștii Noi (3665) und Remetea Mare (2908).

10.627 Bürger zählt die Kleinstadt Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare, vor 11 Jahren waren es 12.312 (minus 13,7 Prozent). Über 10.000 Einwohner wurden auch in Hatzfeld/Jimbolia registriert, dort ist der Rückgang mit minus 5,8 Prozent deutlich niedriger als in Großsanktnikolaus. 8347 Einwohner meldet die Kleinstadt Rekasch/Recaș, deren Bevölkerung ist stabil geblieben. Es folgen Busiasch/Buziaș (6834 Einwohner), Fatschet/Făget (6595), Detta/Deta (5.670), Gattaja/Gătaia (5.473) und Tschakowa/Ciacova (5.434). Die niedrigste Einwohnerzahl verzeichnet, genauso wie 2011, die Gemeinde Bara mit 299 Einwohnern. 2011 waren es 388.

Ehemalige schwäbische Großgemeinden mit weniger Einwohnern

Frühere schwäbische Großgemeinden verzeichneten ebenfalls einen Rückgang im Vergleich zu 2011. So leben in Billed/Biled 3031 Menschen (minus 8 Prozent), in Gertjanosch/Cărpiniș 4278 (minus 4,4 Prozent), in Tschanad/Cenad 3537 (minus 15,9 Prozent), in Gottlob 1.822 (minus 10,7 Prozent), in Liebling 3358 (minus 9,8 Prozent), in Lowrin/Lovrin 2866 (minus 11,1 Prozent), in Orzydorf/Orțișoara 4104 (minus 2,1 Prozent), in Perjamosch/Periam 4196 (minus 6,9 Prozent), in Marienfeld/Teremia Mare 3603 (minus 10,4 Prozent) und in Warjasch/Variaș 5293 (minus 6,8 Prozent). Ausnahmen sind die Gemeinden Großjetscha/Iecea Mare (3111 Einwohner, plus 39 Prozent) Lenauheim (5349 Einwohner, plus 4,7 Prozent), Bruckenau/Pi{chia (3167 Einwohner, plus 3,8 Prozent) und Alexanderhausen/Șandra (2931 Einwohner, plus 1,7 Prozent).

Die Gesamtbevölkerung des Kreises Temesch liegt bei 650.533, dies entspricht einem Rückgang von 33.000 Einwohnern im Vergleich zu 2011. 51,8 Prozent der gezählten Bürger sind Frauen. Was die im Kreis Temesch lebenden Nationalitäten betrifft, so haben nur 539.654 Angaben dazu gemacht, für 110.000 Bürger gibt es keine diesbezüglichen Informationen. Von jenen, die eine Volkszugehörigkeit angegeben haben, sind 89,7 Prozent Rumänen. 21.285 Bürger erklärten sich als Magyaren, 12.438 als Roma, 6447 als Serben, 4684 als Deutsche, 4131 als Ukrainer, 3244 als Bulgaren, 939 als Slowaken und 358 als Italiener. Sehr wenige gaben an, Kroaten, Juden, Tschechen, Griechen, Russen (Lipowener), Albaner oder Tataren zu sein. Von den 531.055 Bürgern, die Angaben zu ihrem Glauben gemacht haben, erklärten 79,1 Prozent, sie seien rumänisch-orthodox. 40.703 Temescher gaben an, römisch-katholisch zu sein. Ferner meldeten sich 27.266 Pfingstler, 8316 Baptisten und 6780 Reformierte.

Das Durchschnittsalter der Temescher liegt bei 41,6 Jahren. Somit nimmt die Verälterung zu, 2011 lag das Durchschnittsalter bei 39,7 Jahren. Trotzdem bleiben die Temescher die jüngsten in der Westregion, deutlich älter sind die Bewohner von Hunedoara (über 45 Jahre im Durchschnitt) und jene des Banater Berglands (knapp 45 Jahre). Auf 100 Personen unter 15 Jahren kommen im Kreis Temesch 113,3 Bürger im Alter von über 65, der landesweite Durchschnitt liegt bei 121,2 Senioren auf 100 Jugendliche.

Zusammengestrichene  Stellen bei Ämtern?

Großen Streit löste am Dienstag das Temeswarer Ergebnis aus. Der Temescher Präfekt Mihai Ritivoiu (PSD) nutzte die Gelegenheit, um die Temeswarer Stadtverwaltung zu kritisieren. Diese trage die Schuld für die desaströse Zahl von 250.000, weil sie es im Sommer 2022 versäumt habe, mehr Volkszähler anzustellen, so dass die zweite Etappe der Erhebung nicht rechtmäßig durchgeführt werden konnte und sehr viele Bürger einfach nicht mehr gezählt werden konnten. Damals habe er Bürgermeister Dominic Fritz (USR) aufgerufen, Schüler und Lehrer anzustellen, da sie Ferien hatten und sich bei der Durchführung der Volkszählung einbringen konnten, doch seine Empfehlung wurde ignoriert. Nun müssen die Bürger die negativen Folgen der gescheiterten Volkszählung tragen, es werde weniger Geld aus dem Staatshaushalt geben und bei wichtigen Ämtern könnten Stellen zusammengestrichen werden, so zum Beispiel beim lokalen Ordnungsamt.

Auf diese Gefahr wies auch Bürgermeister Fritz hin, allerdings verbat er sich jedwede Kritik. Ritivoius Anklage bezeichnete er als lächerlich. Die zuständigen Behörden müssten schnellstens klären, wie sie auf die Zahl von 250.000 gekommen wären, da jedem klar sei, dass die Stadt nicht ein Fünftel ihrer Bevölkerung verlieren konnte. Selbst gezählt hätten sich in der ersten Etappe des Verfahrens rund 191.000 Bürger. Es gab unzählige Probleme bei der Ausfüllung der Formulare und das landesweit, darüber sei Ritivoiu im Bilde. Die zweite Etappe, jene der Datenerhebung vor Ort, war ebenfalls landesweit ein reines Chaos, die von der Regierung veranschlagte Bezahlung der Volkszähler war einfach zu niedrig, um genügend Bürger für diese Aufgabe zu finden. Was er sich nicht erklären könne, ist, was in der dritten Etappe geschehen ist. In dieser hätten das Nationale Institut für Statistik und das Innenministerium die gesammelten Daten mit ihren eigenen Datenbanken vergleichen müssen. Nach Angaben des Temeswarer Einwohnermeldeamtes leben in der Stadt 309.000 Bürger, nach diesen Daten hätten die Zentralbehörden jedoch nicht gefragt, sondern sie hätten ohne jedwede Erklärung die Zahl von 250.000 veröffentlicht. Jedes Jahr kämen 1000 Schüler in Temeswar dazu, der Druck auf das Schul- und Gesundheitswesen, aber auch im Verkehr nimmt jährlich zu, so Fritz. Da kann die Bevölkerung nicht so dramatisch sinken. Eine Aufklärung sei dringend geboten, mahnte der Bürgermeister, der die Temeswarer versicherte, dass der Stadthaushalt nicht zu leiden haben werde. 

Mehr Wahlberechtigte als Einwohner

In der Debatte mischte sich auch Ex-Bürgermeister Nicolae Robu ein, der, wie üblich, einen einzigen Sündenbock finden kann, nämlich „den Söldner“ Fritz, der hierher gekommen sei, um alles kaputt zu machen und sich und seine Freunde zu bereichern.

Jedenfalls muss darauf hingewiesen werden, dass es sich um provisorische Daten handelt, im Laufe des Jahres werde das Endergebnis bekanntgegeben werden, so dass die jetzt veröffentlichten Zahlen noch Korrekturen erfahren können. Die für Temeswar angegebene Einwohnerzahl ist tatsächlich merkwürdig, eine Abstimmung der Datenerhebung mit den Zahlen der verschiedenen Behörden (Einwohnermeldeämter, Zentrales Wahlbüro usw.) scheint es nicht gegeben zu haben. Dafür spricht die Tatsache, dass es bei den Ende 2020 stattgefundenden Parlamentswahlen in der Stadt Temeswar nach Angaben des Zentralen Wahlbüros 271.628 Wahlberechtigte gegeben hat, hinzu kommen natürlich noch die Minderjährigen, die nicht wählen dürfen. Insofern ist es schwer erklärbar, wie in weniger als zwei Jahren die Gesamtzahl der Temeswarer bis auf 250.000 sinken konnte.