Touristenmagnet im Wassertal

Seit dem Wiederaufbau der Wassertalbahn steigen die Besucherzahlen / Betreiber locken mit neuen Attraktionen und Sonderfahrten

Die Fahrt durch das Wassertal ist ein Erlebnis für Eisenbahnfreunde und Naturliebhaber.
Foto: der Verfasser

Mit soviel Andrang haben die Betreiber der Wassertalbahn nicht gerechnet. Zum ersten Mal schicken sie an diesem sonnigen Augusttag drei vollbesetzte Züge hinauf ins Wassertal/Valea Vaserului. Sechs Waggons zieht jede der kleinen Dampflokomotiven ächzend hinter sich her. Etwa 180 Touristen fasst jeder der drei Züge. Gut 550 insgesamt. Eine Rekordzahl sei dies, teilt Ioana Coman-Karlstetter mit. Die junge Frau organisiert mit ihrem Mann Andreas seit 2009 den Tourismusbetrieb auf der Bahnstrecke. „Wir haben hier angefangen mit dem Ziel, etwas zu entwickeln“, so Coman. CFF Vişeu de Sus heißt die Firma, die für den Werkbahnbetrieb zuständig ist. Ein Anspruch auf Personenbeförderung besteht laut Bahnreglement, das auf der Internetseite veröffentlicht ist, nicht.

Allerdings entdecken immer mehr Touristen die „Mocăniţa“ in Oberwischau/Vişeu de Sus. Laut Coman beförderten die Züge 2010 rund 13.000 Fahrgäste durch die wilde Berglandschaft in diesem Teil der Maramuresch. Sie wundere sich selbst über die große Zahl an Gästen, meint Coman, dabei machten sie kaum Werbung. Rund 80 Prozent der Fahrgäste seien aus Rumänien, ansonsten begrüßen sie viele deutschsprachige Besucher, vor allem aus der Schweiz und Deutschland. Daneben Engländer, Franzosen – „die fahren oft mit Wohnmobilen vor“ – und Holländer sowie zuletzt viele Gäste aus Ungarn. Hinzu kommen etwa 10.000 Besucher, die nicht mit der Bahn fahren, aber das Depot besichtigen.

Der größte Andrang herrscht in der Hochsaison von Ende Juli bis Ende August, wenn täglich mindestens zwei Züge zur Abfahrt bereitstehen. Vor dem kleinen Stationsgebäude bilden sich dann schon einmal Schlangen. Coman empfiehlt deshalb, frühzeitig am Bahnhofsgelände zu sein, um sich vor der offiziellen Abfahrtszeit gegen 9 Uhr einen Platz zu sichern.
Wartezeiten können die Besucher – anders als noch vor einigen Jahren – mittlerweile überbrücken. Ein traditionelles Holzhäuschen beherbergt das Café „Elefant“ sowie ein kleines jüdisches Museum. Benannt ist das Café nach einem jüdischen Holzfabrikanten, der vor dem zweiten Weltkrieg in der Nähe des Bahnhofsgeländes ein Sägewerk betrieb. Das Häuschen ist auch Heimstatt eines kleinen Museums zur jüdischen Geschichte von „Ojberwischo“, wie der Ort auf jiddisch hieß. Die Initiative zu diesem Museum ging von dem Schweizer Michael Schneeberger aus, der sich seit Ende der 90er-Jahre auch maßgeblich für den Erhalt der Wassertalbahn einsetzte.

Bis 1940 bildeten die Juden mit einem Anteil von 30 bis 50 Prozent die größte ethnische Gruppe im Ort, wie der Besucher auf den Schautafeln erfährt. Die Geschichte der Juden in der Maramuresch war kurz, aber prägend, waren sie doch in fast allen Wirtschaftsbereichen tätig. Heute zeugt nur noch die große Synagoge im Stadtzentrum von der einstigen Bedeutung der jüdischen Gemeinde. Nach dem dem Holocaust kehrten nur mehr 780 Juden in die Stadt zurück, die Gemeinschaft löste sich nach dem Fortgang des letzten Rabbiners 1950 auf. Der letzte Jude war der Schafhirte Mendel Friedmann, der bis 1998 in der „Judengasse“/Str. Carpaţilor wohnte.

Hinter dem Café-Museum steht der Hotelzug „Carpatia-Express“, der im Mai eingeweiht wurde. Zwei Schlaf- und ein Speisewagen, die einst in der DDR für die tschechische Staatsbahn hergestellt wurden, bilden die Übernachtungsgarnitur, wie der Eisenbahner wohl sagen würde. Komplettiert wird das Ensemble von einer restaurierten Dampflokomotive aus rumänischer Produktion. Der Hotelzug verfügt über 20 Abteile mit je zwei Betten. Die Übernachtung kostet moderate 59 Lei im Doppelzimmer beziehungsweise 75 Lei im Einzelzimmer. Als Schmankerl gibt es das Abendessen bei Kerzenlicht im Speisewagen.

Nicht nur auf dem Bahnhofsgelände hat sich in den vergangenen drei Jahren einiges getan, auch in die Strecke wurde investiert. Ein Hochwasser unterspülte 2008 einen Großteil der Gleise, sodass der Weiterbetrieb gefährdet schien. Heute sichern an vielen Stellen Stützmauern aus Beton und Felssteinen die direkt am Bett der Wasser gelegenen Teile des Bahndamms. Endpunkt der touristisch genutzten Strecke ist nach 21,4 Kilometern die Station Paltin – ein weiter, schön hergerichteter Platz mit Pavillons und Holzbänken. Stärken können sich die Gäste zünftig mit Grillfleisch, Würstchen und Krautsalat.

Wer mehr vom Wassertal sehen möchte, muss früh aufstehen, verrät Coman. Abenteuerlustige und Freunde einer rustikalen Bahnfahrt, die vor sechs Uhr morgens am Depot erscheinen, können mit ein wenig Glück mit den Holzarbeitern im Werkzug mitfahren. Die Arbeitszüge für den Holztransport werden zwar weniger romantisch mit Diesellokomotiven angetrieben, zuckeln dafür aber weiter auf der insgesamt 46 Kilometer langen Strecke. Beliebt sind die Sonderfahrten, die die Betreiber über das Jahr verteilt anbieten. Bis zum Jahresende stehen noch Vollmondfahrten, Weihnachtsfahrten sowie eine Silvesterfeier im Wassertal auf dem Programm. Darüber hinaus gibt es Konzert- und Theaterfahrten.