Vom „Einzahlen“ und „Auszahlen“

Als Rentner sollte man eigentlich jedwede politische Initiative zur Rentenerhöhung gutheißen und mit wehenden Fahnen unterstützen. Umso mehr, als es sogar ein von der damaligen PSD-Mehrheit abgesegnetes (na ja: äußerst populistisches) Gesetz gibt, dass diese Rentenerhöhung vorschreibt und das vom überhaupt nicht interessierten, von vielen Rentenreifen zusammengesetzten Verfassungsgericht gutgeheißen wurde. 

Alles schön und gut, wüsste man nicht, dass die Frage der öffentlichen Renten eines der sensibelsten und kompliziertesten Wirtschafts- und Finanzthemata nicht nur Rumäniens, sondern nahezu aller Länder ist (die ein demographisches Problem haben). Die Rentenfrage besteht einerseits aus vielen objektiven Faktoren, deren Größe und gegenseitige Abhängigkeit präzise berechnet werden kann, andrerseits aus subjektiven Faktoren bzw. einem Ermessensspielraum, der bewirkt, dass Renten von objektiven Faktoren und Momentaninteressen (wie Wahlkämpfen) bestimmt sind.

Rentengeld wird von den Lohnempfängern nicht „eingezahlt“, damit sie später selber aus diesem Topf Renten kriegen, sondern Renten werden umgehend „ausgezahlt“ aus dem Rentenbeitrag der in einem Arbeitsverhältnis Stehenden, fast unmittelbar an die Rentner. Es spielt also eine wichtige Rolle, wie viele arbeiten und wie viele Renten beziehen, also das Verhältnis der beiden sozialen Kategorien. In Rumänien heute: Zehn Arbeitende zahlen die Renten für neun Rentner. Das ist faul. Der Rentenfonds leidet an chronischer Unterfinanzierung. Entweder sind die Renten zu hoch, oder es zahlen zu wenige Rentenbeiträge. Oder die Rentenbeiträge sind zu gering. Alle drei Situationen bergen Konfliktpotenzial.

Andrerseits: In den vergangenen elf Jahren stieg die Zahl der Rentner um eine Million, die Zahl der Arbeitnehmer um 200.000. Die Lage spitzt sich also zunehmend zu. Und die künftigen Entwicklungen sind – sagt die Demographie – keineswegs günstig: Es werden immer weniger Kinder geboren, ergo immer weniger Rentenbeitragszahler, während die Rentner, trotz Pandemie, immer länger leben und immer mehr werden. 

Nicht zu vergessen: In diesen Jahren gehen die Kinder in Rente, deren Jahrgänge als „Ceaușescu´s decreței“ bezeichnet werden, also die geburtenstärksten Jahrgänge der Nachkriegszeit bzw. des rumänischen Nationalkommunismus. Jeder Politiker, der kein Hohlkopf ist, müsste wissen, dass er das fragile Gleichgewicht der Staatsfinanzen sofort kippt (oder, dass er den Staat sofort überschuldet), wenn er Rentenerhöhungen unter solchen Umständen zu forcieren versucht. Die 40 Prozent Rentenerhöhungen, die vom PSD-Gesetz vorgesehen waren, würden eine doppelt so hohe Zahl von Arbeitnehmern benötigen als sie Rumänien hat, um abgedeckt zu sein. So einfach ist das... Um Brecht zu zitieren: „Das Einfache, das schwer zu machen ist.“

Nun hört man, dass das Rentenalter schrittweise angehoben werden soll – Rumänien liegt im EU-Vergleich ziemlich weit hinten bei der Dauer des Berufslebens. Wir haben noch enorm viele „Rentner“, die ab 45 (Militärs usw.), noch mehr, die ab 55-65 Jahren in Rente gegangen sind. Das rumänische Rentensystem hat also Schlupflöcher, Hintertürchen, Schwächen und für Willkür weit geöffnete Tore – gibt man heute selbst dort zu, wo die Quelle dieser Schwächen ist, im Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit. Und will diese mit einem neuen Rentengesetz bis 2023/2024 abschaffen. 

Die Frage ist nur, wie das Arbeitsministerium die Frage des Defizits im Bevölkerungswachstum bewältigen kann, was es tun wird, um die Zahl der Erwerbstätigen zu erhöhen und wie das Arbeitsministerium es anstellt, die Löhne (und die entsprechende Leistungseffizienz der Arbeitnehmer) in die Nähe eines EU-Durchschnitts zu steigern. Ein Teufelskreis der Unmöglichkeit.