Von der Opportunität der Heizzentralen

Überlegungen eines Ingenieurs zu einem Thema, das aktuell, aber in der Öffentlichkeit unbeachtet geblieben ist

Im Folgenden soll etwas zur Sprache gebracht werden, was seit gut 30 Jahren weder in den Medien angeschnitten, noch vor einer breiteren Öffentlichkeit analysiert wurde: Die Heizzentralen der Appartements der alten kommunistischen Wohnblocks. Meine Überlegungen gehen von den jüngsten Aussagen der Bürgermeister von Temeswar, Dominic Fritz, und Bukarest, Nicu{or Dan, aus (Zufall oder nicht: Beide sind Mitglieder derselben Partei, die aus einer Bürgerbewegung hervorging...). Die beiden haben sich zur Krise der Fernwärme und des Warmwassers in ihren Städten geäußert, Auslöser waren durchgerostete Leitungsrohre und Riesenverluste im Verteilernetz, aber auch durch die Finanzierungskrise der Instandhaltung und Erneuerung dieses Netzwerks und die nötigen Bezuschussungen, um das System in Betrieb zu halten. Und sie haben einiges an Wässern getrübt.

Die Frage der Beheizung der alten kommunistischen Wohnblocks (laut Nationalem Statistikamt INS gab es in Rumänien 2016 rund neun Millionen Wohnungen, von denen rund 41 Prozent Blockwohnungen von vor 1989 waren) und ihrer Belieferung mit Warmwasser gehört zu den Bedrohungen, mit denen wir zu leben haben. Dass man die Gründe dazu verstehen kann – aber sie sich nicht gern bewusst macht – und dass man nicht gern an ihre Beseitigung oder Vermeidung denkt – geschweige denn schreitet – steht fest. Auch, dass die Folgen kaum vermeidbar sind: Umwelt- und Luftverschmutzung, hoher Energieverbrauch bei geringer Energieeffizienz, gefährliche Handhabung usw. Auch in diesem Bereich zeichnet sich die Menschheit Rumäniens aus durch unreflektiertes Tun, Ignoranz, Interesselosigkeit, durch fatales „Laissez-faire“. Wie im Falle der Rodungen der Karpatenwälder, der Zumüllung von Bächen und Flüssen, der Überdüngung und Vergiftung der Flure und Flüsse mit Dünge- und Unkrautbekämpfungsmitteln, des sorglosen Umgangs mit Mikroplastik – und die Liste kann fast beliebig fortgesetzt werden.

In Rumänien wurde uns lange Zeit eingeimpft, „originell“ zu sein, alles „durch uns selber“/„Prin noi înşine“  zu machen. Und nach der Wende haben wir auch das Heizungsproblem unserer Blockwohnungen mit links begonnen. Die alten Kommunisten aus den kaum veränderten Verwaltungsstrukturen zu Beginn der 1990er Jahre hielten sich an den Leitspruch „ihres“ Präsidenten, des scheingewandelten Kommunisten Ion Iliescu aus den Jahren 1991-92: „Besitztum ist eine Marotte!“/ „Proprietatea e un moft!“. Und diesen „moft“ wollten sie länger unter Kontrolle haben, waren sie doch vorgeblich „die Exponenten der breiten Masse des Volkes“. Also mussten auch die archaischen Heizungssysteme der frisch privatisierten alten kommunistischen Wohnblockviertel aufrechterhalten werden, die von alten kommunistischen Stadtverwaltungsunternehmen betrieben wurden. „Was sollen wir sonst mit den tausenden Arbeitern dieser Unternehmen tun?“, hieß es. 

Die Folge: Auch in den ersten Jahren nach der Wende gab es kein Warmwasser – oder nur sporadisch, und die Wohnungen waren im Winter kalt. Mindestens ein „F“ der drei des Kommunismus der Ceau{escu-Zeit musste beibehalten werden: das „F“ von „frigul“ – die Kälte –, wennschon die beiden anderen „F“ flötengegangen waren: „frica“/Angst und „foame“/Hunger. Unter diesen Umständen begannen die Unternehmungslustigsten, sich aus dem Ausland Heizzentralen für ihre Wohnungen anzuschaffen und den Widerstand der städtischen Bewirtschaftungsunternehmen – die sich gegen einen Verzicht der Blockbewohner auf von ihnen gebotene „Dienstleistungen“ sträubten – zu brechen. Zuerst kamen Secondhand-Zentralen ins Land, dann neue, schließlich begann man auch hierzulande, welche zu bauen oder zu importieren – dies parallel zum Massenverkauf der alten Blockwohnungen an deren bisherige Mieter – womit der Staat eine Sorge loszuhaben glaubte. 

Nur: Was angekauft wurde, waren kleine, gasgetriebene Heizzentralen für Häuser, nicht für Blockwohnungen – und das sind sie heute noch. Deren Benutzung in einem Appartement kann nie und nimmer effizient, geschweige denn rentabel sein. Viel vernünftiger, günstiger, kosten- und umweltfreundlicher wären Heizzentralen für alle Wohnungen eines Treppenhauses eines Wohnblock – oder gleich für den ganzen Wohnblock. Zugegeben: Auch wir, die Techniker und Ingenieure, haben uns kaum die Mühe gemacht – in unserer Euphorie, den alten Quartalheizwerken den Rücken zu kehren –, dass wir die einfachsten Berechnungen angestellt hätten, die uns die relle Lösung unwiderlegbar gezeigt hätten. Zu groß und zu bedrückend war die Komfortlosigkeit des tradierten Zentralheizungssystems, als dass man Fragen zum neuen, individuellen gestellt hätte!

Ganz wenige Ausnahmen hat es trotzdem gegeben. Mir ist ein Wohnblock mit sechs Treppenhäusern in der Reschitzaer Neustadt, am Muncii-Boulevard, bekannt, wo es gelang, alle Wohnungsbesitzer zum selben Beschluss zu führen: Ein Kleinunternehmer installierte ihnen ein Blockheizwerk, adäquat und modern, untergebracht in einem kleinen Anbau, das für die 100 Appartements Wärme und Warmwasser sichert. Ohne Unterbrechung. Bezahlt wurde von jedem nach dem kleinen Zähler, den ihnen derselbe Unternehmer in jeder Wohnung montiert hatte – ein komfortables, rentables und praktisch risikofreies System. 

Aber bald knirschte und knackte es unter den Bewohnern, es kam zu Zank, Streit und Zerwürfnissen – bis der Kleinunternehmer die ganze Sache schmiss und jedem riet, sich doch eine eigene Wohnungsheizung einzuführen, wenn´s ihnen nicht anders passt. Zu jener Zeit ging das Beispiel Baia Mare durch die Medien, wo neue, moderne Heizwerke eingeführt und das gesamte Verteilernetz erneuert wurde. Meines Wissens funktioniert es auch heute noch.

Die kleinsten Heizzentralen, die bei uns in den Wohnungen zum Einsatz kommen, sind 24-KW-Zentralen – also Zentralen für Häuser, nicht für Blockwohnungen. Eine solche Zentrale könnte zwei bis drei Wohnungen beheizen. Manche nutzen sie auch so, aber niemand ist vor den Querelen einer gemeinsamen Nutzung gefeit. Auch technisch sind diese Zentralen ein Problem: Jeder Energieumwandler, der nur teilweise ausgelastet wird, unter seiner Nominalkapazität, ist unrentabel. Sowohl im Verbrauch, als auch in der Leistung und nicht zuletzt in der Abnutzung der Komponenten. Für ein Appartement würden sechs bis acht KW reichen. So stark muss auch eine elektrische Zentrale sein (allerdings braucht man dazu 380-Volt-Strom und die Genehmigung von Enel...). Wir haben in unseren Blockvierteln pro Treppenhaus bis zu 40 und auch mehr 24-KW-Zentralen, die zu rund einem Drittel ihrer Kapazität genutzt werden, das sind aber 40x24=960 KW, statt einer einzigen 300 KW-Zentrale fürs ganze Treppenhaus mit allen 40 Wohnungen. Berechnet man dann den Ausstoß an Verbrennungsgasen der 40 Wohnungszentralen, ist man perplex, wie sehr man aus Unkenntnis die Luftverschmutzung steigert. Zum Vergleich: Das ist genauso, wie wenn in einem SUV eine einzige Person fährt oder wenn dieselbe Person ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt. Wann verseucht sie die Luft mehr durch das benutzte Fahrzeug? Dabei werden die Komplikationen mit Instandhaltung, Reparaturen, periodischen ISCIR-Überprüfungen, Explosionsgefahr usw. gar nicht in Betracht gezogen.

Die beiden eingangs erwähnten Bürgermeister, Fritz und Dan, haben kategorisch eine massenweise Montage von Wohnungszentralen zurückgewiesen. Sie waren gut informiert, finde ich. So etwas geht noch in Kleinstädten – obwohl es auch da nicht opportun ist –, nie kann man aber Wohnungszentralen in Großstädten empfehlen. Weil es einfach energetischer, technischer, umweltmäßiger und preislicher Unsinn ist. Für Bukarest und Temeswar bleibt als einzige Lösung für Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht: Die vorhandenen Fernheizwerke von Colterm und RTB müssen beibehalten, dringend modernisiert, ihre Verteilernetze Schritt für Schritt ausgetauscht werden. Objektiv betrachtet ist das gar nicht schwer zu verstehen. Aber welchen rumänischen Politiker – mal ausgenommen die beiden zitierten Bürgermeister – kümmert ernsthaft Sein und Wohl der Bürger, die er vertritt? Wäre es nach der Wende so gewesen, hätten wir in der Gesellschaft längst Meinungsströmungen, die die kompetenten Faktoren auf den Plan gerufen hätten und Bukarest oder Temeswar müssten im Winter nicht ihre Bürger in den Wohnungen zittern lassen vor einem der überlebenden kommunistischen „F“, vor FRIG/Kälte. Blockheizwerke kämen zudem billiger (bis zum gleichen Preis, bei vielen Vorteilen) zu stehen und wären gefahrloser als die umständliche Wärmedämmung mit den brandgefährlichen Polystyrol-Platten, was zudem qualitativ eine sehr diskutable Lösung ist.

Soziopolitisch hat die Einführung der Wohnungszentralen in einem für die Gesellschaft kritischen Moment und in einer Phase der Orientierungssuche zu einer Entwicklung geführt, deren negative Folgen den Bürgern allmählich – meist noch uneingestanden – bewusst werden. Das ist in etwa so wie die Redensweise vom Narren, der einen Stein ins Wasser wirft, den zehn Weise nicht mehr herausholen können. 

Noch sind Korrekturen möglich, nur brauchen sie Zeit. Aber ein Anfang muss endlich gemacht werden. Leider weigern sich manche immer noch, das zu akzeptieren, die meisten aber verweigern dafür eine elementare Verständnisbereitschaft.